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GENTECHNIK/263: Breiter Widerstand gegen GM-Produkte in Italien (SB)


Petition mit drei Millionen Unterschriften vorgelegt


Als der Biotechkonzern Monsanto in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre versuchte, sein sogenanntes gentechnisch modifiziertes (GM) Saatgut nach den USA nun auch auf dem europäischen Markt zu plazieren und dabei die britische Regierung als Brückenkopf fungieren sollte, muß er wohl geahnt haben, daß das ohne diese Heimlichtuerei kein leichtes Unterfangen sein würde.

Nicht zuletzt weil die Machenschaften des US-Konzerns und die Beteiligung der britischen Regierung ans Licht kamen, wuchs in zahlreichen europäischen Ländern eine breite Widerstandsbewegung durch sämtliche gesellschaftliche Schichten hindurch. Das anfängliche Mißtrauen gegen die GM-Technologie in der Landwirtschaft erhielt schon bald eine wissenschaftliche Grundlage.

Nach und nach wurde bekannt, daß keinerlei Langzeitversuche mit gentechnisch veränderten Organismen (GMO) durchgeführt worden waren - also niemand die gesundheitlichen und ökologischen Folgen abschätzen konnte -, daß die US-Zulassungsbehörde mit der Agroindustrie eng verbandelt war und daß in Fütterungsstudien Raupen und Ratten aufgrund des Verzehrs von GM-Material schwer erkrankten oder starben. Mag die eine oder andere Studie auch unvollständig geblieben sein, wie Befürworter der GM-Technologie behaupteten, so wurde in ihnen zumindest der Nachweis erbracht, daß gentechnisch veränderte und konventionelle Saat molekularstrukturell verschieden sind. Kurzum, die vielversprechenden Produkte aus den Züchtungslaboren der Biotechindustrie waren weitgehend unerforscht und somit riskant.

Die Frage, warum die Unternehmen ihre potentiell gefährlichen Erzeugnisse dennoch auf den Markt warfen, ist einfach zu beantworten: Selbstverständlich ging es um Profit, und der schien unermeßlich. Denn die Gentech-Saat konnte mit Lizenzen belegt werden. Eine jahrtausendealte Tradition der bäuerlichen Landwirtschaft, nämlich stets einen Teil der Ernte für die Aussaat in der kommenden Saison aufzubewahren, sollte mit einem Schlag vom Tisch gefegt werden. Fortan wurden die Landwirte vertraglich gezwungen, jedes Jahr von neuem Lizenzen für die GM-Saat zu entrichten. Welch gewaltsamer Umbruch damit eingeleitet wurde, wird daran deutlich, daß Monsanto Scharen von Detektiven ausgesandt hat, um eventuelle Lizenzverstöße aufzuspüren, und Hunderte von Klagen gegen mutmaßliche Lizenzpreller angestrengt hat.

In Europa kommen die Saatgutkonzerne nicht immer nicht so zum Zug, wie sie es sich gewünscht hatten. Die Regierungen müssen auf den breiten Widerstand in der Bevölkerung Rücksicht nehmen. Dennoch zeigen die letzten Jahre, daß der "Fortschritt" nicht aufzuhalten ist. Vor dem Hintergrund einer drohenden Klage bei der Welthandelsorganisation WTO hat die Europäische Union ihr mehrjähriges Moratorium gegen GMOs in Lebensmitteln aufgehoben. Die EU-Mitglieder setzen gegenwärtig die Vorgaben in nationale Gesetze um. Ungeachtet des Widerstands deutscher Verbraucher werden in dem von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer ausgearbeiteten Gentechgesetz die Abwehrmöglichkeiten gegen die Grüne Gentechnik weiter geschwächt.

Italien zählt innerhalb der Europäischen Union zu den vehementesten Gegnern gentechnisch veränderter Produkte. So hat am Dienstag eine Koalition aus 32 Organisationen, die fast elf Millionen Mitglieder repräsentiert, der Regierung eine Liste mit drei Millionen Unterschriften vorgelegt. Der Koalition haben sich die größten Bauerngewerkschaften Italiens, die wichtigsten Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und WWF sowie die Lebensmittelkette Coop angeschlossen. Die Unterzeichner der Petition fordern ihre Regierung auf, ein "unbegrenztes Moratorium" gegen den Anbau von GMO-Pflanzen zu verhängen.

Ginge es allein nach der Bevölkerung Italiens, so besäße der Appell gute Chancen, erhört zu werden, denn immerhin haben sich bereits 14 von 20 italienischen Regionen zur gentechnikfreien Zone erklärt. Es verträgt sich jedoch nicht mit der höherrangigen EU-Gesetzgebung und den Bestimmungen der weltweit obersten Instanz, der Welthandelsorganisation, wenn die Regionalverwaltung innerhalb eines europäischen Landes oder eine Nationalregierung GMO-Produkte verbieten will.

Dennoch haben es Monsanto, Syngenta und die anderen Biotechkonzerne nicht leicht, denn die Verbraucher haben ein wirksames Mittel, um die Verbreitung der von ihnen abgelehnten gentechnisch veränderten Produkte zurückzudrängen: Sie kaufen sie nicht. GM-Waren müssen entsprechend gekennzeichnet sein, sie sind also identifizierbar und können damit vermieden werden. Es gibt allerdings auch Schleichwege, wie solch eine Kaufverweigerung unterlaufen werden kann. Zum einen können die Biotechunternehmen mit Dumpingpreisen zur Einführung der Gentechprodukte locken, zum anderen besteht keine Kennzeichnungspflicht für Fleisch und Fleischprodukte, das von Tieren stammt, die mit gentechnisch verändertem Futter aufgezogen wurden.

16. November 2007