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ATOM/450: US-Saudipakt - Brüder im Geiste ... (SB)




Foto: The White House

Erdöl- und Waffendealer im einander recht zugewandten Gespräch.
US-Präsident Donald Trump (rechts) empfängt den saudischen stellvertretenden Kronprinzen Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud im Oval Office des Weißen Hauses in Washington, D.C.
Foto: The White House

Als größter Waffenhändler der Welt wäre es nur konsequent, wenn die USA ihrem Verbündeten Saudi-Arabien die Möglichkeit verschaffen, sein umfangreiches Arsenal um die Kleinigkeit einer Atombombe zu erweitern. Unter dem Vorwand, seine Energieversorgung diversifizieren zu wollen, hatte das Königshaus Saud angekündigt, in den nächsten 20 bis 25 Jahren 16 Akws mit einem Finanzvolumen von über 80 Milliarden Dollar errichten zu wollen. Auch wenn das Vorhaben auf zunächst zwei Akw geschrumpft wurde, hat die US-Regierung nach dem Wurstzipfel vor ihrer Nase geschnappt und will ihn, einmal daran festgebissen, nicht wieder loslassen. Koste es, was es solle.

Am 22. November fragte "New York Times", ob man denn Saudi-Arabien vertrauen könne, daß es keine Atombombe bauen wird: "Saudis Want a U.S. Nuclear Deal. Can They Be Trusted Not to Build a Bomb?" Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zeitung, daß sie diese Frage daran festmacht, daß der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman den Befehl gegeben haben dürfte, den Journalisten Jamal Khashoggi in Saudi-Arabiens Botschaft in Istanbul zu locken und ihn dort zu töten, nicht aber daran, daß der Kronprinz in seiner Funktion als Verteidigungsminister einen Krieg gegen den südlichen Nachbarn Jemen angefangen und das Land in Schutt und Asche gelegt hat.

In Jemen herrscht heute eine gewaltige Hungersnot, mehr als eine Million Menschen sind an Cholera erkrankt, die Zahl der Todesopfer liegt, vorsichtigen Schätzungen zufolge, bei über 10.000. Aber das alles ist der New York Times keinen Vergleich wert, wohl aber der Wert einer einzigen, im Westen verankerten Person. Damit soll deren Tod nicht im geringsten heruntergespielt, sondern auf einen in den Medien verbreiteten Umstand hingewiesen werden, daß der Angriff einer von Saudi-Arabien angeführten Kriegsallianz gegen Jemen unter dem Radar der westlichen Regierungen geblieben war und diese erst dann beispielsweise mit Rüstungsexportstopps gegen Saudi-Arabien reagiert haben, als die Umstände von Kashoggis Ermordung herauskamen.

Kann man Saudi-Arabien trauen? Diese Frage der "New York Times" ist leicht zu beantworten. Saudi-Arabien wird genau das machen, was man von dem Land erwarten kann. Hat nicht erst im März dieses Jahres Kronprinz Mohammed im Interview mit der CBS-Sendung "60 Minutes" angekündigt, daß Saudi-Arabien "ohne jeden Zweifel" mit dem verfeindeten Iran gleichziehen würde, sollte dieser eine Atombombe bauen? Nun wird dem Iran unter anderem von US-Präsident Donald Trump unterstellt, er greife weiterhin nach der Atombombe, trotz des Atomabkommens aus dem Jahr 2015, das dies verhindern soll. Beweise für diese Behauptung bleibt die US-Regierung bis heute schuldig, doch das hindert sie nicht im mindesten daran, Sanktionen gegen Iran zu verhängen und andere Länder dazu zu nötigen, sich anzuschließen.

Außerdem besteht Saudi-Arabien darauf, den Kernbrennstoff nicht aus dem Ausland zu kaufen, auch wenn dies billiger wäre, sondern ihn selber herzustellen. Eben dieses Anliegen steht auch im Zentrum der Vorwürfe gegen Iran. Denn wer die Fähigkeit und technischen Voraussetzungen besitzt, Uran anzureichern, kann dies bis zu einem Anreicherungsgrad von rund fünf Prozent machen und damit Brennelemente für Kernkraftwerke herstellen, oder eben bis zu einem Anreicherungsgrad von 90 Prozent, wie er für Atombomben geeignet ist. Nicht zuletzt spricht für Saudi-Arabiens Kernwaffenambitionen, daß es seine Unterschrift zu einem Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrags verweigert, das umfangreichere Prüfungen der Nukleareinrichtungen eines Landes durch Mitarbeiter der in Wien ansässigen Atomenergiebehörde IAEA vorsieht.

Falls Saudi-Arabien zu ungeduldig ist und nicht so lange warten will, bis daß es eine eigene Nuklearwirtschaft aufgebaut und klammheimlich eigene Atombomben hergestellt hat, wenn also beim Ringen um regionale Hegemonie Eile geboten ist, kann es ja auf "seine" pakistanischen atomwaffenbestückten Trägersysteme zurückgreifen, die ihm, so wird angenommen, für solche Fälle zur Verfügung stehen. Nicht umsonst dürfte Saudi-Arabien das Atomwaffenprogramm Pakistans maßgeblich finanziert haben.

Saudi-Arabien wäre von seinen natürlichen Voraussetzungen her prädestiniert dafür, seine Energieversorgung mittels Solarenergie zu diversifizieren. Auch deshalb sind seine nuklearen Träume ein weiteres Beispiel dafür, daß die militärische und die sogenannte zivile Kernenergienutzung verschwistert sind.

Wäre es nicht besser, die USA bauten die Akws für Saudi-Arabien, weil, wenn nicht, China oder Rußland die Aufgabe übernehmen könnten, und die hätten nicht so strenge Auflagen, argumentierte Energieminister Rick Perry am 22. März bei einer Anhörung vor dem Senate Armed Services Committee. Mit einer so bestechenden Logik ausgestattet, kann kein Deal zu anrüchig sein, als daß er ausgeschlagen würde. Saudi-Arabien steht mit zehn Ländern als potentielle Kandidaten für den Bau der ersten beiden Akws in Verbindung - die USA gelten als am aussichtsreichsten. Das wundert schon allein deswegen nicht, weil Trump und Mohammed im vergangenen Jahr Rüstungsverträge im Höhe von 110 Mrd. Dollar abgeschlossen haben. Trump jubelte und kündigte jede Menge Jobs für die "Make- America-great"-Wirtschaft an.

Es gäbe eine ziemlich sichere Methode, die Proliferation von Spaltmaterial zu verhindern. Man müßte weltweit alle Akws abschalten, den Kernbrennstoff tief im Meer in einer geeigneten Subduktionszone versenken, so daß er die nächsten paar Millionen Jahre mit der abtauchenden tektonischen Platte im Erdmantel verschwindet und schon könnte niemand heimlich Kernbrennstoff für sich abzweigen. Und die Tausenden von Atomwaffen könnten gleich mit versenkt werden, so daß das viele Uran wieder an den Ort zurückgebracht würde, wo es ursprünglich einmal hergekommen war.

Zu einer so pragmatischen Lösung sowohl des Proliferations- als auch des massiven Verstrahlungsproblems durch die Nutzung der Kernspaltung wird es in absehbarer Zeit nicht kommen, und so möchte man zynisch fragen, wer besser dafür geeignet sein könnte, Saudi-Arabien zur Atomwaffenfähigkeit zu verhelfen (oder, alternativ dazu, bei passender Gelegenheit das Land bezichtigen zu können, das Vertrauen mißbraucht und die Verträge gebrochen zu haben ...), als das einzige Land der Erde, das in einem kriegerischen Akt zwei Atombomben auf ein anderes Land abgeworfen und dabei Hunderttausende Menschen getötet hat?

4. Dezember 2018


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