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ATOM/408: Aus Fehlern nichts gelernt - Britische Regierung erwägt Bau neuer Mox-Fabrik (SB)


Britischer Umweltminister kündigt Bau einer neuen Fabrik für Mischoxid-Brennelemente an

Eine relativ neue Mox-Fabrik wird hingegen wegen technischer Mängel und ökonomischer Fehlkalkulation abgerissen


Atomkraftwerke sind unverzichtbar, behaupten die Lobbyisten der Nuklearwirtschaft. Unbezahlbar wäre wohl die treffendere Bezeichnung, müßte ihnen entgegengehalten werden. Allein die Kosten, welche durch den dreifachen GAU im japanischen Akw Fukushima Daiichi entstehen, sind immens. Rechnet man diese und weitere finanziellen Aufwände grob in Kohlendioxidemissionen um, so läßt sich außerdem die Behauptung, Atomkraftwerke seien besonders klimafreundlich, nicht mehr aufrechterhalten.

Abgesehen von größeren Katastrophen wie die seit dem 19. März dieses Jahres in Japan erlebt die Nuklearwirtschaft auch viele kleinere Unfälle und Fehlleistungen oder begibt sich in Sackgassen, was ebenfalls sowohl die Kosten- als auch die CO2-Bilanz verschlechtert. Beispielsweise der Versuch des Vereinigten Königreichs, seine riesigen Plutoniummengen - mit 112 Tonnen Weltrekord im Bereich der zivilen Atomenergie - zu reduzieren, indem das Strahlenmaterial zu Mischoxid-Brennelementen verarbeitet wird. Weltweit gab es nur wenige Fabriken, die solche Mox genannten Brennelemente herstellen konnten. Die in Sellafield wurde am 3. August dieses Jahres geschlossen. [1]

Die rund zehnjährige Geschichte dieser Anlage ist eine der Pleiten, Pech und Pannen. Bereits ihr Bau hatte dem damaligen Premierminister Tony Blair, der an den Plänen seines Vorgängers festhielt, reichlich Kritik eingebracht. Die Anlage arbeite nicht wirtschaftlich, lautete der Kernvorwurf, sie verschlinge nur unnötig Steuergelder. Nach einem Jahrzehnt Betriebszeit stand fest: Die düsteren Prognosen waren untertrieben! 1,5 Mrd. Euro hat die von der staatlichen Nuclear Decommissioning Authority (NDA) betriebene Fabrik seit ihrer Genehmigung Anfang der neunziger Jahre gekostet; das monatelange Zurückfahren des Betriebs, das nun eingesetzt hat, ist da noch gar nicht eingerechnet. Nur 2,5 Prozent der ursprünglich geplanten Produktionsmenge hat die Mox-Fabrik erreicht. Das ist dürftig. Der Beschluß, sie zu schließen, hat ebenfalls mit dem Erdbeben und Tsunami vom 19. März in Japan zu tun. Denn seitdem nehmen die einzigen Kunden keine Mox-Brennelemente mehr ab. Ein Großteil der japanischen Akws ist abgeschaltet.

Eine Mox-Fabrik wird stillgelegt, eine neue errichtet. Vor kurzem kündigte der britische Energieminister Charles Hendry an, daß seine Regierung nach wie vor die Absicht hege, Plutonium in Mox-Brennelemente zu verwandeln. Dazu würde eine neue Fabrik für über drei Milliarden Euro errichtet, allerdings nur dann, wenn klar sei, daß sich die Regierung die Fabrik leisten könne und daß sie etwas einbringe. [2]

Bei solchen Argumenten fühlt man sich an die Zeit Mitte der neunziger Jahre erinnert, als die Blair-Regierung behauptete, eine Mox-Fabrik sei ihr Geld wert, man habe Kunden an der Hand, die an den Mox-Produkten interessiert seien. Eine glasklare Fehleinschätzung, zu der es wohl nicht einmal der Fukushima-Katastrophe bedurft hätte.

Warum will das Vereinigte Königreich Plutonium verarbeiten? Weil es das Material hat. Die giftigste Substanz der Welt muß entsorgt werden. Das geht zwar auf Kosten größerer Mengen an Transuranen, die bei der Mox-Verbrennung entstehen, aber den Preis nimmt Downing Street ebenso in Kauf wie den, der für den Bau einer neuen Fabrik zu entrichten wäre. Das Vereinigte Königreich will mehrere neue Atomkraftwerke bauen, die mit Mox betrieben werden können. Da spielen Profiterwartungen keine so große Rolle.

Als weltweit die ersten Atomkraftwerke gebaut wurden (und nachträglich die Erfindung der Atombombe legitimierten), wußten die Ingenieure, daß sie für den anfallenden Strahlenmüll noch keine Lösung hatten. Gut ein halbes Jahrhundert später gibt es weiterhin kein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Wie gesagt, es wurden allein im Vereinigten Königreich 112 Tonnen Plutonium produziert, von denen man nicht weiß, wohin damit. Also wurde eine Fabrik gebaut, in der das hochgefährliche Strahlenmaterial zu Brennelementen verarbeitet werden konnte. Nachdem sich diese Fabrik als unzulänglich erwiesen hat, soll eine neue gebaut werden. Wirtschaftlich würde sie voraussichtlich nicht arbeiten, da Mox-Brennelemente herzustellen teurer ist, als Uran anzureichern. Hauptsache, man ist das Plutonium los, lautet die Devise.

Die Umweltprobleme werden auch dann nicht geringer, wenn ein Teil des Plutonium verbraucht wird. Die Mox-Brennelemente enthalten viel mehr Transurane als normale Brennelemente. Das ist eines der zahllosen Probleme im havarierten Akw Fukushima. Einer der Meiler war mit Mox bestückt worden, was zur Folge hatte, daß durch die Havarie besonders gefährliche Strahlenpartikel in die Umwelt entlassen wurden.

Die Atomspaltung war von Anfang an eine Technologie, durch die immer mehr Sachzwänge in die Welt gesetzt wurden. Um die entstehenden Probleme zu beheben, werden größere geschaffen, um diese zu beheben, noch größere. Und so weiter. Das hat einen systematischen Charakter. Nur deswegen erscheint es auf dem einmal von der britischen Regierung eingeschlagenen Atomkurs sinnvoll, eine relativ neue Mox-Fabrik abzureißen und eine gänzlich neue aufzubauen.



Anmerkungen:

[1] "Sellafield Mox nuclear fuel plant to close", The Guardian, 3. August 2011
http://www.guardian.co.uk/environment/2011/aug/03/sellafield-mox-plant-close

[2] "Why has Britain done a U-turn on plutonium?", Nature, 5. Dezember 2011
http://www.nature.com/news/why-has-britain-done-a-u-turn-on-plutonium-1.9546

20. Dezember 2011