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ATOM/375: Britische Regierung gibt Standorte für acht neue Akws bekannt (SB)


Britischer Humor?

Neue Akws sollen angeblich keine Subventionen vom Staat erhalten


Ohne die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke verharmlosen zu wollen, aber die britische Regierung betreibt eine noch entschiedenere Atompolitik. Am Montag kündigte der Minister für Energie und Klimawandel, Chris Huhne, an, daß die Regierung acht neue Akws bis zum Jahr 2025 in Betrieb nehmen will. [1] Im vergangenen November hatte der damalige Energieminister Ed Miliband noch von zehn Optionen gesprochen. Alle jetzt bestimmten Standorte - Bradwell in Essex, Hartlepool und Heysham in Lancashire, Hinkley Point in Somerset, Oldbury in South Gloucestershire, Sellafield in Cumbria, Sizewell in Suffolk und Wylfa in Anglesey - befinden sich in der Nähe bereits bestehender Nuklearanlagen.

Die Standortauswahl bietet sich erstens aus politischen Gründen an - es dürfte weniger Widerstand gegen neue Akws aufkommen, wenn sie an bereits vorhandenen Standorten errichtet werden - und zweitens aus technischen Gründen wegen der Verfügbarkeit von Kühlwasser, der bestehenden Transportwege für Nuklearmaterial sowie der ausreichenden Leitungskapazitäten für den Stromtransport. Der Bau neuer Akws ist Bestandteil eines Konzepts, demzufolge die Hälfte der neuen Energiegewinnungskapazitäten Großbritanniens bis 2025 aus erneuerbaren Energiequellen stammen soll. Der Hauptanteil davon entfiele auf Windenergie.

Steht somit in Großbritannien eine nukleare Renaissance vor der Tür? Möglicherweise nicht. Zwar verfolgt kein anderes europäisches Land solche ambitionierten Vorstellungen, aber die Koalitionsregierung hat angekündigt, daß die neuen Akws ohne öffentliche Gelder gebaut werden sollen. Das ist kein Scherz. Wie das funktionieren soll, bleibt unklar. Da Unternehmen profitorientiert arbeiten, werden sie die Finger von einer derart unkalkulierbaren, kostenintensiven Technologie lassen.

Es sei denn, die Regierung verschafft ihnen einen politischen Rahmen, so daß sich die Investitionen für sie lohnen. Das widerspräche allerdings der Rede von Charles Hendry, Staatssekretär im Energieministerium, die er vor einigen Monaten vor der Nuklearwirtschaft gehalten hat. Es sei Aufgabe der privaten Stromversorger, Atomkraftwerke zu bauen, zu betreiben und zurückzubauen. Wohingegen es Aufgabe der Regierung sei, angemessen für die Sicherheit zu sorgen. [1] Am Montag hat sich Energieminister Huhne auf ähnliche Weise geäußert.

Keine Subventionen durch die Regierung bedeutet nicht, daß die Regierung keine Subventionen zahlt. Das klingt widersprüchlich, ist aber politische Praxis. Der Sprecher für Handel und Industrie der Green Party, Darren Johnson, berichtete bereits im Juni in einem Leserbrief an den Guardian [2], daß der Stromversorger EDF davon ausgeht, nicht die gesamten, sondern nur 20 Prozent der Rückbaukosten für neue Akws tragen zu müssen. Und ein anderer Leser, Dr. David Toke, Dozent für Energiepolitik der Universität von Birmingham, machte darauf aufmerksam, daß die Nuklearbranche saftige Gewinne aus dem CO2-Emissionszertifikathandel erwarten darf. Toke spricht von 1,2 bis zwei Milliarden brit. Pfund im Jahr, je nachdem, welchen Preis die Regierung für eine Tonne CO2 festlegen wird.

Auch bei der Endlagerfrage dürfte der britische Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Bislang verteilt sich der Nuklearabfall, der teilweise vom Militär stammt, auf zahlreiche Lager im ganzen Land. Es soll aber ein zentrales Endlager gebaut werden. Die Industrie hat erklärt, daß sie sich daran nur zu einem vorher von der Regierung festgelegten Preis (FUP - fixed unit price) beteiligt. Sollten die Kosten steigen - und bei welchem Großprojekt tun sie das nicht, zumal es auf Jahrzehnte angelegt ist -, müsse der Staat diese übernehmen.

Im Grunde genommen weist die Subventionierung der deutschen und der britischen Atomwirtschaft große Ähnlichkeiten auf. So werden auch die Betreiber der britischen Akws weitgehend von einer angemessenen Haftpflichtversicherung freigehalten. Wobei "angemessen" sicherlich noch definiert werden müßte. Eines ist allerdings klar, die Versicherungssumme eines GAU, wie er sich am 26. April 1986 in Tschernobyl ereignete, übersteigt die Einnahmen aus dem Betrieb eines Akw. Allein dieser Aspekt beweist, daß Akws unrentabel sind. Sie zu bauen ist daher eine politische Entscheidung und keine marktwirtschaftliche.


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Anmerkungen:

[1] "UK government approves eight sites for new nuclear power stations", The Guardian, 18. Oktober 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/oct/18/uk-government-new-nuclear-power

[2] "Letters - The real costs of nuclear power", The Guardian, 17. Juni 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/jun/17/true-costs-nuclear-power

[3] "Taxpayer could be hit by nuclear waste bill for new reactors", The Guardian, 18. Oktober 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/oct/18/taxpayer-hit-nuclear-waste-bill-reactors

19. Oktober 2010