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ATOM/347: Beinahe folgenschwerer Vorfall im Akw Sizewell A (SB)


Abklingbecken für heiße Brennelemente ausgelaufen

Arbeiter entdeckte den Schaden aus Zufall


Die Vorstellung, daß der Mensch die von ihm entwickelte Technologie kontrolliert, wird tagtäglich als folgenschwerer Irrtum entlarvt. Flugzeuge fallen vom Himmel, Auto stoßen zusammen, Fließbandarbeiter verlieren Gliedmaßen. Verletzungen, Verstümmelungen und Todesfälle treten auch bei jeder Form der Energiegewinnung auf, da bilden die Erneuerbaren Energien keine Ausnahme. Doch gibt es eine Form der Energieproduktion, von der eine besonders große Unfallgefahr ausgeht, die Nuklearenergie. Wenn ein Solarmodul vom Tisch fällt und zerspringt, wird es aufgefegt. Wenn hingegen radioaktives Material zu Boden fällt und zerspringt, muß Alarm ausgelöst und der Bereich rasch verlassen werden. Im Zusammenhang mit Nuklearenergie kann es zu Verstrahlungen und Erkrankungen in großer Entfernung kommen.

Mit diesem vereinfachenden Vergleich soll deutlich gemacht werden, daß im Umgang mit Strahlenmaterial eine besondere Verantwortung liegt, da kleinste Fehler schwerwiegende Folgen zeitigen können. Darauf glauben die Betreiber von Kernkraftwerken durchaus Rücksicht zu nehmen, seien doch viele technische Abläufe redundant ausgelegt, so daß der Ausfall eines Aggregats kompensiert werden kann. Doch trotz der Vorsichtsmaßnahmen hat die Geschichte der Nuklearenergienutzung bewiesen, daß auch - oder sollte man treffender sagen ausgerechnet - sie besonders störanfällig ist und zu schweren Schäden geführt hat. Das betrifft zum einen die permanenten Emissionen von radioaktiven Partikeln, zum anderen die in unregelmäßigen Abständen, alles in allem häufig auftretenden Störfälle.

Manchmal löst ein Ereignis, das nicht eingetreten ist, bei den Betreibern einen Schrecken aus. So berichtete am Donnerstag die britische Zeitung "The Guardian" [1] davon, daß purer Zufall einen möglicherweise schweren Zwischenfall im britischen Kernkraftwerk Sizewell A an der Küste von Suffolk verhindert hat. Am 7. Januar 2007 wollte ein Arbeiter einer Auftragsfirma seine schmutzige Wäsche waschen, als er bemerkte, daß aus einem Abklingbecken, in dem sich abgebrannte hochradioaktive Brennelemente befanden, Kühlwasser ausgetreten war. Aus einem 1,5 Meter langen Riß in einem Rohr waren rund 182.000 Liter ausgelaufen, ein Teil davon gelangte in die Nordsee. Der Wasserstand in dem Becken hatte sich bereits um 33 Zentimeter gesenkt, aber im Kontrollraum war kein Alarm ausgelöst worden. Der Vorfall wird in Dokumenten der Aufsichtsbehörde Nuclear Installation Inspectorate (NII) beschrieben, die nach dem Freedom of Information Act an den Kernenergieberater John Large freigegeben und von der Bürgerinitiative Shutdown Sizewell Campaign veröffentlicht wurden.

Hätte sich jener Arbeiter nicht entschieden, seine Wäsche zu waschen, so wäre der Vorfall vermutlich erst beim nächsten regulären Kontrollgang entdeckt worden. Dann wäre aber der Wasserstand weitgehend abgesunken. Nach Einschätzung des NII hätte dies zehn Stunden gedauert, was bedeutete, daß das Becken noch vor der planmäßigen Kontrolle leergelaufen wäre. Das Strahlenmaterial hätte sich überhitzt und Feuer gefangen, was mit der Entwicklung einer radioaktiven Dampfwolke einhergegangen wäre, die sich entlang der Küste ausgebreitet hätte.

Wäre, hätte, könnte - zum Glück für die Arbeiter innerhalb des Kernkraftwerks und für die Anwohner kann der Vorfall in der Konjunktivform beschrieben werden. Es ist zu keinem Schaden an Personen gekommen. Die NII-Experten bescheinigten dem Betreiber Magnox Electric (heute Magnox South) eine zügige Reaktion, nachdem das Leck einmal entdeckt worden war. Die Aufsichtsbehörde kam zu dem Schluß: "Nach Ansicht des NII bestand ein erhebliches Risiko, daß die Beschäftigten und selbst die Mitglieder der Öffentlichkeit geschädigt worden wären, wenn es nicht eine glückliche und angemessene Reaktion seitens eines Kontraktor, der sich auf dem Gelände an der richtigen Stelle befand, als die Dinge aus dem Ruder liefen, gegeben hätte." [1]


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Anmerkungen:

[1] "Sizewell nuclear disaster averted by dirty laundry, says official report", The Guardian, 11. Juni 2009
http://www.guardian.co.uk/environment/2009/jun/11/nuclear-waste-nuclearpower

12. Juni 2009