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STELLUNGNAHME/076: Naturschutzverbände - "Energiewende nur im Einklang mit Mensch und Natur" (NABU RP)


NABU Landesverband Rheinland-Pfalz - 17. September 2012

Zehn anerkannte Naturschutzverbände einig:
Energiewende nur im Einklang mit Mensch und Natur!



"Das heute vorgestellte Gutachten von Vogelschutzwarte und Landesumweltamt ist nicht ausreichend, um die Energiewende natur- und menschenverträglich zu gestalten." Zu dieser Ansicht gelangen die zehn in Rheinland-Pfalz anerkannten Naturschutzverbände. Das Gutachten schließe nur 1,9 % der Landesfläche für die Windenergie aus. Die Verbände fordern deshalb weitergehende Regelungen in einem Windenergieerlass und im Landesentwicklungsprogramm. Ohne eine überregionale Lenkung auf der Ebene der Regionalplanung befürchten sie eine flächenhaft industriell überprägte Landschaft. In einer solchen würden sich aber nicht nur die Menschen unwohl fühlen, sondern auch windkraftsensible Arten wie Rotmilan oder Schwarzstorch und etliche Fledermausarten massiv gefährdet werden.

Das Gutachten verfolge das Ziel, die bestehenden Vorkommen von windkraftsensiblen Vogel- und Fledermausarten im Hinblick auf die Gefährdung durch Windenergie zu bewerten. Dabei gehe es von dem Grundsatz aus, dass sich in größeren Schutzgebieten auch immer Teilflächen finden ließen, in denen diese Arten nicht vorkommen und gibt diese Gebiete grundsätzlich für Windkraftanlagen frei. Die Naturschutzverbände monieren jedoch, dies sei ein falscher Ansatz, weil dadurch die bestehenden Vorkommen zementiert würden und keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten für diese Arten mehr gegeben sind. "So, wie Autobahnen die Ausbreitung verschiedener Säugetierarten verhindern, werden zukünftig Windparks die Ausbreitung windkraftsensibler Arten unmöglich machen", beurteilt Siegfried Schuch, Vorsitzender des NABU, diesen Ansatz. Die Verbände verfolgen stattdessen den Vorsorgeansatz. "Wenn nur 2% der Landesfläche für die Energiewende benötigt werden, ist es völlig unverständlich, warum das Land nur 1/10 der für die Natur wertvollen NATURA 2000-Flächen von WEA freihalten will", kritisiert Dr. Holger Schindler, Vorsitzender des BUND das Gutachten. "Das Land Nordrhein-Westfalen beweist, dass es auch anders geht: In seinem Windenergieerlass werden grundsätzlich alle NATURA 2000-Gebiete von der Windkraftnutzung ausgeschlossen", stellt Schindler fest.

Das Gutachten gebe weder Hinweise auf Vogelzugkorridore, die von WEA freizuhalten sind, noch schließe es Konzentrationsgebiete von Fledermausarten oder besonders bedrohten Vogelarten von WEA aus. So sei z.B. der Untertaunus in der VG Selters und der westliche Hintertaunus zwischen Nastätten und Nassau für WEA freigegeben, obwohl es sich um Konzentrationsgebiete des Rotmilans handele, für den Deutschland eine besondere Verantwortung habe. "Diese Gebiete hat Rheinland-Pfalz als EU-Vogelschutzgebiete abgelehnt mit der Zusicherung gegenüber der EU-Kommission, sie mit anderen Mitteln zu sichern und jetzt werden die Rotmilane dort durch WEA gefährdet", beklagt Dr. Peter Keller, Vorsitzender der GNOR. Dr. Hans-Wolfgang Helb, Präsident der POLLICHIA, betont: "Möglichst große, ungestörte Waldgebiete wie der Pfälzerwald müssen WEA-frei bleiben, um europaweit geschützten Arten wie Wildkatze und Luchs, aber auch dem wiederkehrenden Schwarzstorch zukünftig den erforderlichen Lebensraum zu bieten."

Nur 1,9 % der Landesfläche werden vom Gutachten als Tabuflächen bezeichnet. Dies führe dazu, dass so wertvolle Landschaften, wie der Pfälzerwald, der Truppenübungsplatz Baumholder oder die deutschlandweit einzigartige Vulkaneifel für Windenergie freigegeben werden. "Wir stehen hier vor einer der größten Landschaftsveränderungen und wer aus Gründen des Landschaftsbildes und des Erhalts der hohen Erholungs- und Erlebnisqualität dieser Landschaft den übermäßigen Rohstoffabbau in der einmaligen Vulkaneifel ablehnt, macht sich unglaubwürdig, wenn er jetzt Windkraftanlagen zulässt", stellt Dr. Hans Erkert von der Landesaktionsgemeinschaft Natur und Umwelt Rheinland Pfalz fest. Bernd Wallner, Hauptgeschäftsführer von Landesverband der Wandervereine und Pfälzerwald-Verein aus Neustadt: "Der Pfälzerwald kann und darf, als einziges Biosphärenreservat in Rheinland-Pfalz, größtes Waldgebiet in Deutschland und für hunderttausende Menschen das naturkundliche Ausflugs- und Erholungsgebiet und "Lebensader" für die Region niemals durch Windernergieanlagen zerschnitten werden."

Auch gebe das Gutachten die meisten Fledermaus-Konzentrationsgebiete für Windkraftanlagen frei, wenn nicht mehr als zwei Fledermäuse pro Anlage und Jahr getötet werden. "Wenn zwei Fledermäuse pro Anlage und Jahr getötet werden dürfen, dann bedeutet das 5.000 getötete Fledermäuse in Rheinland-Pfalz pro Jahr. Für Arten wie den Kleinen Abendsegler kann dies schon bestandsgefährend sein", so Andreas Grauer, Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Außerdem könne das vom Gutachten vorgeschriebene Verfahren zur Ermittlung der für den Fledermausschutz notwendigen Abschaltungen auf große Anlagen nicht ohne weiteres übertragen werden. Zudem ist die Wirksamkeit der Methode bislang nicht nachgewiesen. Die Verbände fordern deshalb, Gebiete mit besonderen Fledermausvorkommen von Windkraftanlagen freizuhalten.

Da Rheinland-Pfalz jetzt einen anderen Weg beschreite, erwarten die Verbände, dass in einem Windenergieerlass und im Landesentwicklungsprogramm Regelungen getroffen werden, um großräumig solche und andere Schutzgebiete von Windenergie freizuhalten. Wie eine Studie des Bundesverbandes der Windenergie zeigt, sind diese zur Energiewende auch nicht nötig. An dieser Frage werde sich nach Meinung der Naturschutzverbände zeigen, ob es die Landesregierung wirklich ernst meine mit einem natur- und menschenverträglichen Umbau der Energieversorgung oder alles andere diesem Ziel unterordne.

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Quelle:
NABU Rheinland-Pfalz, 17.09.2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2012