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STELLUNGNAHME/017: Energiekonzept, AKW-Laufzeitverlängerung, Agrosprit (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 957 vom 14. Nov. 2010 - 30. Jahrgang

Jenseits des Wassers: Energiekonzept und AKW-Laufzeitverlängerung


Dass der RUNDBR. derzeit nur in großen Abständen erscheint liegt daran, dass sich unsereins voll in die Auseinandersetzungen um das "revolutionäre" Energiekonzept der Bundesregierung reingehängt hat. Speziell im Hinblick auf die Laufzeitverlängerung hatten wir am 24.09.10 fast alle Bundestagsabgeordneten der Koalitionsfraktionen angeschrieben. In dem Schreiben an die Parlamentarier hatten wir aus unserer Sicht begründet, warum die Laufzeitverlängerung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien eher hinderlich ist. Ferner hatten wir dargelegt, dass das Energiekonzept die Stadtwerke gegenüber den "Großen Vier" erheblich benachteiligen wird. Die inzwischen eingegangen Antworten der MdBs haben uns zu weiteren Schreiben provoziert. Die Substanzlosigkeit der meisten Antwortbriefe der Abgeordneten lassen uns vermuten, dass die Kritik des Bundestagspräsidenten am Gesetzgebungsprozedere nicht ganz unberechtigt war. NORBERT LAMMERT (CDU) hatte zum Ärger der Hardliner in der Koalition bemängelt, dass wegen des hohen Zeitdrucks das im Schweinsgalopp verabschiedete Energiekonzept die erforderliche Sorgfalt vermissen lasse. Wenn man aufgrund der Standardschreiben der MdBs inhaltlich nachbohrte, erklärten sich die meisten Abgeordneten als thematisch nicht zuständig. Das Bemühen der Parlamentarier, einer weiteren Diskussion aus dem Weg zu gehen, legt die Annahme nahe, dass viele Abgeordnete ohne allzu viel energiewirtschaftlichen Sachverstand der Laufzeitverlängerung zugestimmt haben könnten. Wer sich für unsere Schreiben interessiert, kann die Briefe via nik@akwasser.de anfordern.


Das Erdgasnetz als riesiger Speichersee für "Überschussstrom"

Die KoalitionspolitikerInnen klagen unisono, dass es zunehmend an Speichern und Übertragungsleitungen für den immer öfters anfallenden "Überschussstrom" aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen mangeln würden. Ein tragender Bestandteil unserer Argumentation gegenüber den Abgeordneten von CDU/CSU und FDP war daher die unseres Erachtens anzustrebende Konvergenz von Strom- und Gasnetz. Dabei kann zeitweise anfallender "Überschussstrom" aus Wind- und Photovoltaikanlagen via Elektrolyse zu Wasserstoff und/oder synthetischem Methan konvertiert werden. Wasserstoff und Methan können im vorhandenen (!) Erdgasnetz in einer Größenordnung von 200 Mrd. kWh gespeichert werden. Dies entspricht umgerechnet dem Strombedarf für mehrere Wochen. Demgegenüber können in den vorhandenen Pumpspeicherkraftwerken nur 0,04 Mrd. kWh gespeichert werden. Das deckt gerade den bundesdeutschen Strombedarf von einer Stunde. Der im Erdgasnetz gespeicherte "Überschussstrom" in Form von Wasserstoff und Methan kann in den vorhandenen Erdgaspipelines kreuz und quer durch die ganze Republik verschoben - und vor Ort in Kraftwärmekopplungs-Anlagen und BHKWs (und späterhin auch in Brennstoffzellen) wieder in Strom UND Wärme (sowie gfs. auch in Kälte) umgewandelt werden. Da die Stadtwerke gleichermaßen im Strom- und Gasgeschäft tätig sind, wäre das Zusammenwachsen von Strom- und Gasnetz eine Vision, die der Gemeinschaft der Stadtwerke ganz neue Perspektiven eröffnen würde - unseres Erachtens im Vergleich zu den "CCS-fähigen fossilen Kohlekraftwerken", die die Koalition den Stadtwerken aufdrängen will, eine deutlich fortschrittlichere Perspektive! Zumal der Charme dieser Lösung darin besteht, dass Speicher und Leitungen bereits heute schon vorhanden sind. Mehr Infos zum Zusammenwachsen von Gas- und Stromnetz: www.dvgw.de Innovationsoffensive Gastechnologie (in der rechten Spalte)


Jenseits vom Wasser: Biomasse, Agrosprit und Ölsand-Treibstoffe

Neben der Debatte um Energiekonzept und AKW-Laufzeitverlängerung sind wir seit Jahren auch in der Kontroverse um energetisch genutzte Biomasse engagiert (s. RUNDBR. 915/1-3 909/2 890/1-3). Dabei spitzt sich gegenwärtig der Konflikt um "indirekten Landnutzungsänderungen" zu: Wenn also beispielsweise Zuckerrohr für die Bioethanolproduktion dort angebaut wird, wo bislang Soja kultiviert wurde. Der Sojaanbau wird dann beispielsweise in Regionen verdrängt, auf denen bislang Rinderweiden dominierten. Und die Rinder grasen dann dort, wo bis vor kurzem noch üppigster Regenwald stockte. Über diese "indirekten Landnutzungsänderungen" kann sich die Treibhausgasbilanz von Agrosprit drastisch verschlechtern. Wir haben deshalb die Ministerpräsidenten und UmweltministerInnen der Bundesländer brieflich aufgefordert, im Bundesrat so lange nicht für die Einführung von "E10-Benzin" zu stimmen, bis diese Effekte geklärt sind. "E10" kommt zum 1. Jan. 2011 auf den Markt und wird 10 Prozent "Bioethanol" enthalten. Zur Berücksichtigung der "indirekten Landnutzungsänderungen" im "Nachhaltigkeitsartikel 17" der EG-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie hatte die EU-Kommission bis Okt. 2010 ein Konsultationsverfahren laufen, an dem wir uns ebenfalls beteiligten.

Ferner haben wir die EU-Kommission gebeten, bei der vorgesehenen Neufassung der EG-Kraftstoffqualitätsrichtlinie dafür zu sorgen, dass besonders umweltschädlich gewonnene Treibstoffe aus kanadischen Ölsanden nicht auf den EU-Markt gelangen. Zu unseren Biomasse- und Ölsand-Aktivitäten können interessierte WASSER-RUNDBRIEF-LeserInnen ebenfalls kostenfrei Unterlagen via nik@akwasser.de anfordern.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 957/2010
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

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Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2010