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STANDPUNKT/1129: Wasserschonende Produktion von überflüssigen Produkten? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1145, vom 05. Aug. 2019 - 38. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Nestle: Wasserschonende Produktion von überflüssigen Produkten?


Erfolge beim betrieblichen Gewässerschutz an seinen deutschen Produktionsstandorten präsentiert Nestle in seinem Nachhaltigkeitsbericht 2018. So konnte vor allem der spezifische Wasserbedarf pro Tonne Produkte deutlich reduziert werden. Angegeben wird, dass der Vertrieb von Getränken mit 27 Prozent zum Umsatz von Nestle Deutschland beiträgt. In dem Bericht wird nicht thematisiert, ob die Produktion und der Vertrieb von Flaschenwasser überhaupt einen Nutzen für Umwelt und Gesellschaft stiftet. Der Transport von Flaschenwasser aus der Nestle-Abfüllfabrik in Vittel in den Vogesen in die deutschen Supermärkte ist mit einem hohen Energieaufwand verbunden. Bei unsachgemäßer Entsorgung der PET-Flaschen ("Littering") wird aus den Flaschen irgendwann Mikroplastik. Die hohe Umweltbelastung muss man vor dem Hintergrund bewerten, dass es in den meisten Fällen in Deutschland keinen vernünftigen Grund gibt, überhaupt Flaschenwasser zu trinken. Trinkwasser aus der Leitung erfüllt den gleichen Zweck - mit einer 500 mal besseren Öko- und Treibhausgasbilanz. Die demgegenüber außerordentlich schlechte Öko- und Treibhausgasbilanz von Flaschenwasser lässt sich auch damit nicht kompensieren, wenn Produktion und Vertrieb um einige Prozentpunkte besser bewerkstelligt werden. Produktion und Vertrieb von Millionen Litern eines weitgehend überflüssigen Produktes sind in Zeiten des Klimanotstandes nicht mehr verantwortbar. Nestle vermeidet es deshalb tunlichst, den Nutzen seiner Flaschenwasserproduktion für die Gesellschaft zu thematisieren. Wer sich gleichwohl über die Fortschritte von Nestle im betrieblichen Umwelt- und Gewässerschutz informieren will, kann den Bericht (Motto: "Woran wir in Deutschland arbeiten und wie wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen") unter
https://www.nestle.de/unternehmen/publikationen/broschueren abrufen.

Phrasendreschen und Konsenssoße im Nestle-Umwelt- und -Sozialbericht

"Der Genosse Erich Honecker hat sich mit dem Genossen Leonid Iljitsch Breschnew über beiderseitige Interessen ausgetauscht."

An diesen inhaltsleeren Neues-Deutschland-Sprech aus den 80er Jahren fühlt man sich zuweilen erinnert, wenn man den zuvor erwähnten Nachhaltigkeitsbericht der Nestlé Deutschland AG durchliest. Das inhaltsleere Wortgeklingel betrifft insbesondere das Kapitel "Einbindung der Anspruchsgruppen und Darstellung der besonders relevanten Themen". Darin wird u.a. über die Ergebnisse einer Befragung von 134 Stakeholdern zur Umwelt- und Sozialverantwortlichkeit von Nestlé berichtet:

"Insbesondere zum Umgang mit der Ressource Wasser kamen zahlreiche Impulse der Teilnehmer, die wir aufnehmen und in unsere Programme einfließen lassen."

Und in einem Bericht über den Nestlé Stakeholderworkshop 2018 mit VertreterInnen "aus Zivilgesellschaft, Politik, Handel und der Branche" heißt es:

"Die thematischen Anstöße hat Nestlé aufgenommen, um an der Weiterentwicklung der Ansätze zu arbeiten."

Ebenso wird über einen Besuch des Nestlé-Verbraucherbeirates in der Abfüllanlage für Vittel-Wasser in den Vogesen berichtet:

"Die Beiratsmitglieder nutzten diese Möglichkeit, um Fragen zu stellen, zu diskutieren und Feedback zu geben. Auf diese Weise wurden wichtige Impulse für Nestlé gegeben, um die Verbraucherperspektive künftig noch besser zu verstehen."

Da wäre es zumindest für uns interessant gewesen, zu erfahren, wo die Grenzen von Nestlé liegen, welche Ansätze und Vorschläge weshalb nicht aufgegriffen worden sind und welchen "Impulsen" sich der auf unentwegtes Wachstum verpflichtete Nestlé-Konzern verweigert. Wir vermuten jedenfalls mal ganz stark, dass das Nestlé-Management und die Stakeholder nicht bei allen Themen einer Meinung waren. Über einen Konsens berichten zu können, ist schön. Tatsächlich erhellend sind aber die Punkte, zu denen unterschiedliche Ansichten bestehen - beispielsweise im Hinblick auf die Fragwürdigkeit, Wasser in Flaschen abzufüllen und die Flaschen dann quer durch Europa (oder sogar nach Japan und in die USA) zu speditieren - wo zumindest hierzulande Trinkwasser in mindestens der gleichen Güte zum hundertfach geringerem Preis aus der Leitung kommt.

Streitgespräch mit Nestlé über Produktion und Konsum von Flaschenwasser

Zum internationalen Tag des Wasser im März 2019 hatte ein Veranstalterkreis von Uni-Instituten, dem Regierungspräsidium Freiburg, der Stadt Freiburg und badenova, dem südbadischen Energie- und Wasserversorger, sowie dem regioWASSER e.V. ein Streitgespräch mit Herrn Achim Drewes, Leiter public affairs der Nestlé Deutschland AG, im Freiburger SWR-Studio durchgeführt. Thema der Debatte war Sinn- und Unsinn der Flaschenwasserproduktion. Das Eingangsstatement von Nikolaus Geiler vom regioWASSER e.V. können RUNDBR.-LeserInnen kostenlos via nik@akwasser.de anfordern.

Textauszug:
"Es ergibt sich also folgende spannende Frage: Warum greifen pro Jahr die deutschen KonsumentInnen 10 Milliarden Mal zu Flaschenwasser
- trotz der extrem schlechten Ökobilanz,
- trotz eines nicht vorhandenen gesundheitlichen Mehrwertes und
- trotz des enormen Preisunterschieds?

Man muss den Marketingabteilungen von Nestlé, Danone (Volvic) und Bad Dürrheimer gratulieren: Sie haben es verstanden, die KundInnen davon zu überzeugen, dass das Trinken von Flaschenwasser sportlich, gesund und sexy macht - und zwar umso mehr, je teurer das Flaschenwasser ist.

Es stellt sich eine weitere Frage: Kann man sich als eines der nachhaltigsten Unternehmen auf der Welt feiern lassen, wenn man den Menschen
- zu total überteuerten Preisen
- ein total überflüssiges Produkt
- mit einer total schlechten Ökobilanz verkauft?"

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1145
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Grete-Borgmann-Strasse 10, 79106 Freiburg i./Br.
E-Mail: post@regiowasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2019

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