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STANDPUNKT/1032: "Standort-Entwicklungsgesetz" gehört in Rundablage gescheiterter Gesetzesentwürfe (Global 2000)


GLOBAL 2000 / Friends of the Earth Austria - Wien, 17. August 2018

"Standort-Entwicklungsgesetz" gehört in die Rundablage der gescheiterten Gesetzesentwürfe

Anlassgesetzgebung beenden - ÖKOBÜRO und seine Mitglieder übermitteln Brief an EU-Kommission


Wien, am 17. August 2018 - Anlässlich der heute endenden Begutachtungsfrist zum Entwurf des so genannten 'Standort-Entwicklungsgesetz' (StEntG) fordert die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 erneut die ersatzlose Rücknahme des von Wirtschaftsministerin Schramböck vorgelegten Gesetzesentwurfs. Der Entwurf verstößt gegen zahlreiche verfassungs- und europarechtliche Grundsätze und ist darüber hinaus in keiner Weise inhaltlich dazu geeignet, das angestrebte Ziel der verantwortungsvollen Verfahrensbeschleunigung bei Umweltverträglichkeitsprüfungen von besonders relevanten Großprojekten zu erreichen. Der vorgelegte Entwurf ist derartig mangelhaft, dass er nicht zu reparieren ist, wie auch der anerkannte Verfassungsexperte Heinz Mayer im heutigen Ö1 Morgenjournal bestätigte. "Dass während eines EU-Ratsvorsitzes die österreichische Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorlegt, der in so vielfältiger Weise europarechtliche Standards verletzt, ist an sich beschämend; dass Ministerin Schramböck aber angesichts der unzähligen, de facto gleich lautenden Kritikpunkte auch seitens hochrangiger österreichischer JuristInnen ein derart mit Mängeln behaftetes Gesetz weiter voran treibt, ist zur Gänze unverständlich" sagt GLOBAL 2000 Geschäftsführerin Leonore Gewessler. "Daher unterstützt GLOBAL 2000 einen heute an den europäischen Umweltkommissar Kamenu Vella übermittelten offenen Brief des ÖKOBÜRO, mit dem die Umweltbewegung auf diese bedenklichen Entwicklungen in Österreich hinweist."

"Die politische Symbolwirkung des vorliegenden Entwurfs eines 'Standort-Entwicklungsgesetzes' ist insgesamt fatal" so Gewessler weiter. "Die Regierung setzt sich mit diesem Gesetzesentwurf für die Vorfahrt von Großprojekten gegenüber den Interessen von Menschen und Umwelt ein. Die Regierung sieht eine automatische Genehmigung von bevorzugten Projekten vor, nämlich ungeachtet des Standes laufender Verfahren oder der Bedenken von AnrainerInnen und Umweltschutzorganisationen. Die Beschlussfassung sieht keine demokratische Kontrolle vor, sondern wird in einer Art intransparenter Politik von Hinterzimmer-Deals abgewickelt. Diese Politik atmet den Beton-Geist der 1950er Jahre - und ist das Gegenteil von ökologisch - und wirtschaftlich - zukunftsfähig."

Die im geplanten Gesetz vorgesehenen Verfahren zur Nominierung und Bestätigung von möglichen besonders standortrelevanten Projekten stehen hierfür beispielgebend: sie sind undemokratisch und intransparent, da sie ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und ohne Einbindung des Parlamentes allein von der Regierung geführt werden, eine Bestätigung in einem konkreten Fall aber zu einer weitreichenden Aushebelung der UVP sowie zahlreicher Verfahrensrechte und Rechtsschutz führt. Ministerinnen bzw. Minister sollen sowohl ein Antragsrecht haben, als auch schlussendlich darüber abstimmen, ob ein Projekt auf eine 'Vorrang-Liste' aufgenommen werden soll, während Kriterien für die Auswahl von Projekten, Regelung zu Transparenz im Verfahren, oder zu den Details des im Hintergrund agierenden 'Standortbeirats' außen vor bleiben. Der gestern medial kolportierte Entwurf des UVP-Berichts an das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus wiederum illustriert deutlich, warum das Gesetz inhaltlich am Ziel vorbei geht: Sind die Unterlagen für das Verfahren bei den zuständigen UVP-Behörden vollständig eingebracht, beträgt die mittlere Verfahrensdauer für ein UVP-Verfahren schon jetzt weniger als ein Jahr in Österreich. Die Gründe für lange Verfahrensdauern sind also an anderer Stelle zu suchen und wären viel mehr durch andere Maßnahmen zu lösen wie z. B. eine Reform des UVP-Vorverfahrens, damit Projektwerbende mehr Unterstützung bei der korrekten und vollständigen Einreichung der Unterlagen erhalten.

"Die Konsequenzen derartiger Symbolpolitik und des Drüberfahrens über Umwelt- und Verfahrensstandards, ausgelöst durch wenige hochgespielte Anlassfälle, würden noch viele Generationen nach uns beschäftigen. Das ist hochgradig unverantwortlich, im Umgang mit dem Rechtsstaat und im Hinblick auf Lösungen für die Klima- und Ressourcenkrise. Zukunftsfähige Politik müsste sich dem entgegen am Klimavertrag von Paris und den Sustainable Development Goals orientieren - zu denen sich Österreich auch international verpflichtet hat" so Gewessler abschließend.


Die vollständige Stellungnahme von GLOBAL 2000 finden Sie hier
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_02184/imfname_707337.pdf
Offener Brief von Ökobüro - Allianz der Umweltbewegung an EU Umweltkommissar Vella
http://www.oekobuero.at/images/doku/open_letter_and_complaint_austria_stentg.pdf

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Quelle:
Presseinformation, 17.08.2018
Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000
Neustiftgasse 36, A-70 Wien
Tel: +43/1/812 57 30, Fax: +43/1/812 57 28
E-Mail: office@global2000.at
Internet: www.global2000.at


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2018

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