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STANDPUNKT/253: Die Gesellschaft in der Geiselhaft der Ölkonzerne (NaturFreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 3. April 2012

Die Gesellschaft in der Geiselhaft der Ölkonzerne

Der Ausstieg aus der fossilen Mobilität muss jetzt begonnen werden, denn die Zeit wird knapp



Berlin, 3. April 2012 - In der aktuellen Debatte um die Marktmacht der Ölkonzerne warnt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller davor, allein deren Preispolitik zu kritisieren. Vielmehr müsse das fossile Zeitalter nicht nur im Strom-, sondern auch im Mobilitätssektor beendet und die Verkehrssysteme gegen die Macht der Ölkonzerne umgebaut werden, bevor der letzte Tropfen Öl verbraucht sei. "Die Politik trifft eine Mitschuld", kritisiert Michael Müller und erklärt:

Das Öl ist die entscheidende Grundlage der modernen Mobilität und spätestens seit den 1960er-Jahren eine "Weltmacht". Doch das Schmiermittel der Weltwirtschaft wird knapper und seine Verbrennung heizt das Klima auf. Trotzdem geschieht kaum etwas, um die Gesellschaft aus den Fängen der Ölmultis zu lösen. Die Welt hängt am immer teurer werdenden Tropf von Esso, Shell, Total und BP - vier große Konzerne, die den globalen Ölmarkt dirigieren.

Die Ölkonzerne gehören zu den stärksten Unternehmen der Welt, sie machen die höchsten Gewinne. Ihre gewaltige, monopolartige Preissetzungsmacht nutzen sie rücksichtslos aus, auch um in Urlaubszeiten Kasse zu machen. Dabei folgt die Angebotsseite nur sehr selten den Marktsignalen. Aber jede Krise treibt den Ölpreis in die Höhe.

Eine echte Energiewende muss auch eine Verkehrswende einschließen

Dennoch greift eine Kritik, die nur auf diese Preispolitik abzielt, viel zu kurz. Der Erfolg versprechendste Weg wäre eine konsequente Strategie zur Beendigung des fossilen Zeitalters. Aber es geschieht nur wenig. Die Politik trifft eine Mitschuld, weil sie den zahlreichen Ankündigungen, eine Strategie "weg vom Öl" zu verfolgen, kaum Taten hat folgen lassen. Bis heute sind die Bundesverkehrsminister, insbesondere Herr Ramsauer, nur Verwalter des Status quo. Keiner hat ernsthaft eine Verkehrswende eingeleitet. Auch der Bundesumweltminister redet oft von einer Energiewende, meint dabei aber eigentlich nur den Strom und bleibt selbst dort mit seinen Maßnahmen weit hinter dem Möglichen zurück.

Die Realität des global knapper werdenden Öls wird weiterhin verdrängt

Das politische Versagen wiegt umso schwerer, weil die Realität des global knapper werdenden Öls weiterhin verdrängt wird, trotzdem aber schnell näher rückt. So konnte die globale Ölförderung seit dem Jahr 2006‍ ‍nicht mehr gesteigert werden und sehr wahrscheinlich ist deren Höhepunkt, auch Peak-Oil genannt, bereits erreicht. In den vergangenen 30‍ ‍Jahren wurden an Land keine größeren Ölfelder mehr gefunden. Stattdessen wird auf die unkonventionelle Ölförderung (etwa aus Teersanden) sowie auf Tiefseebohrungen gesetzt. Nur dass hier die ökologischen Konsequenzen ungleich problematischer sind und das Risiko exponentiell mit der Tiefe steigt. Das große Tulip-Feld vor der Küste Brasiliens liegt beispielsweise fünfmal tiefer als etwa die Ölfunde im mexikanischen Golf, wo es vor zwei Jahren zur Deepwater-Horizon-Katastrophe gekommen war. Auch im Kaukasus gibt es erhebliche Probleme bei der Ölförderung, die nur langsam anläuft.

Wirtschaftlich vertretbare Ölreserven reichen noch 44 Jahre

Nach den offiziellen Prognosen reichen die wirtschaftlich vertretbaren Ölreserven noch für 44 Jahre. Doch fangen die Probleme nicht erst an, wenn der letzte Tropfen verbraucht ist. Schon lange vorher ist mit weitaus massiveren Preissteigerungen als heute sowie gewalttätigen Verteilungskonflikten zu rechnen. Weil der Umbau unserer Verkehrssysteme aber eine gewaltige Herausforderung ist, die nicht von heute auf morgen bewältigt werden kann, wird die Zeit dafür immer knapper.

Jetzt aus dem fossilen Zeitalter aussteigen - gegen die Macht der Ölkonzerne

Das Ende des Ölzeitalters rückt unaufhaltsam näher. Deshalb müssen die tiefer liegenden Ursachen für Preissteigerungen und Marktmacht erkannt werden. Die Politik muss den schnellen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter organisieren - gegen die Macht der Ölkonzerne. Die sogenannte Energiewende darf nicht nur auf den Stromsektor begrenzt werden.

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Quelle:
Presseinformation vom 03.04.2012
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2012