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LAIRE/147: US Navy testet Algen-Sprit - Sicherung globalhegemonialer Absichten (SB)


Tarngrüner Algen-Sprit


Nicht aus Klimaschutzgründen, sondern um ihre Kampffähigkeit in einer Zeit des globalen Ölfördermaximums zu bewahren, erforschen die US-Streitkräfte intensiv Verfahren zur Verringerung ihres Verbrauchs an fossilen Treibstoffen. In der vergangenen Woche wurde ein Kanonenboot getestet, das je zur Hälfte Diesel und Sprit aus Algen getankt hatte. Nach Angaben von Konteradmiral Philip Cullom, der die Nachhaltigkeitsabteilung der US Navy leitet, lief der Versuch prima [1].

Algen werden als Hoffnungsschimmer der Agrosprit-Lobbyisten gehandelt, da ihre Herstellung angeblich nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- oder Futtermittelproduktion steht. Dabei handelt es sich um eine Fehleinschätzung. Das in Kalifornien ansässige Unternehmen Solazyme, daß das US-Militär mit Treibstoff aus Algen beliefert, hat Algen entwickelt, die zum Verzehr geeignet sind. Solazyme sieht hierin zunächst eine bessere Geschäftsaussicht als in der Treibstoffproduktion [2]. Somit ist es ganz entscheidend, womit in Zukunft die Algenbassins gefüllt werden, mit Arten, die verzehrt werden können, oder mit Arten, die Maschinen antreiben sollen. Der Konflikt Teller oder Tank besteht somit auch hier.

Aber selbst wenn es diese unmittelbare Konkurrenz zwischen Nahrung und Treibstoff nicht gäbe, müßte die mittelbare Konkurrenz bedacht werden: Die großmaßstäbliche Herstellung von Algen bindet Produktionskapazitäten, die auf andere Weise eingesetzt werden könnten, um Nahrung herzustellen und denen zukommen zu lassen, die dringend darauf angewiesen sind.

Das grüne Mäntelchen, das sich die Militärs umhängen, wenn sie weniger fossile Energieträger verbrauchen wollen, vermag das Tarngrün darunter nicht zu verbergen. Der Militärapparat der Vereinigten Staaten ist Ausdruck eines globalhegemonialen Anspruchs und Werkzeug zu seiner Durchsetzung. Ob die Flugzeuge, Schiffe und Landfahrzeuge fossile Treibstoffe getankt haben oder Sprit aus Algen, verteidigt wird eine Lebensweise, die sich dagegen abgrenzt, daß in anderen Weltregionen Menschen am Hungertuch nagen - wie auch zunehmend innerhalb der eigenen Gesellschaft, in der über 40 Millionen Menschen staatliche Lebensmittelhilfe in Anspruch nehmen müssen, um über die Runden zu kommen. Das ist jeder siebte Einwohner. Hinzu kommt eine unbekannte Anzahl unter den Armen, die anspruchsberechtigt ist, aber nicht von staatlicher Hilfe abhängig sein will und sich anderweitig versorgt.

Das US-Militär könnte einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn es sich abschaffte. Es verbraucht schätzungsweise zwischen 400.000 Barrel pro Tag in Friedens- und 800.000 Barrel in Kriegszeiten. Damit liegt es beinahe auf dem Niveau von Australien, schrieb John Vidal für den "Guardian", und steht in einer Reihe mit den 25 am meisten Treibstoff verbrauchenden Staaten der Welt [3].

Das US-Militär geht in seinem vor einigen Monaten veröffentlichten Joint Operating Environment Report davon aus, daß die weltweite Ölförderung in den nächsten beiden Jahren ihr Maximum überschreiten wird (peak oil) und daß bereits 2015 ein Mangel in der Größenordnung von zehn Millionen Barrel pro Tag entsteht. Das bedeutet, daß sich das US-Militär darauf vorbereitet, kampffähig zu bleiben, sei es, daß Wirtschaftsabkommen getroffen oder Ressourcensicherungskriege vom Zaun gebrochen werden oder sei es, daß ein Teil des Treibstoffs auf Basis von Algen, Mais oder anderen pflanzlichen Rohstoffen hergestellt wird. Mit Klimaschutz hat der getestete Algen-Treibstoff nicht das geringste zu tun.


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Anmerkungen:

[1] "US navy completes successful test on boat powered by algae", The Guardian, 27. Oktober 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/oct/27/us-navy-biofuel-gunboat

[2] "Algae fuel maker Solazyme pushes into food products", San Francisco Business Times, 25. Dezember 2009
http://www.bizjournals.com/sanfrancisco/stories/2009/12/28/story4.html

[3] "Surging price of oil forces US military to seek alternative energy sources", The Guardian, 28. Oktober 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/cif-green/2010/oct/28/oil-us-military-biofuels

29. Oktober 2010