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LAIRE/103: Umweltzone - Konjunkturspritze für die Autoindustrie (SB)


Gute Luft in den Innenstädten? Aber gern.

Konjunkturspritze der Autoindustrie zu Lasten der ärmeren Bevölkerung? Auf keinen Fall!


Vom 1. Januar an dürfen in Berlin und Hannover nur noch Fahrzeuge in die weiträumig angelegten Umweltzonen einfahren, die über die grüne Plakette, die höchste Stufe der Reduzierung von Feinstaub, verfügen. In anderen Städten sind zur Zeit noch weniger strenge gelbe und rote Plaketten zulässig, aber auch durch sie werden ältere Fahrzeuge aus den Innenstädten ferngehalten. Mit der Bezeichnung "altere Fahrzeuge" sind selbstverständlich die Fahrerinnen und Fahrer gemeint, sie steht synonym für die weniger gut betuchten Mitglieder der Gesellschaft, die sich eigentlich keine Nachrüstung ihres Fahrzeugs und schon gar nicht einen Neuwagen leisten können.

Sie werden zur Kasse gebeten und sollen die Autobranche, eine deutsche Schlüsselindustrie, retten, nachdem die Politik bereits im vergangenen Jahr mit der Abwrackprämie der seit vielen Jahren auf Halde produzierenden Autobranche ein Milliardengeschenk gemacht hat. Auf Pump, versteht sich, denn nach dem Auslaufen der Abrackprämie kommt der vorübergehend aufgehaltene Niedergang mit um so größerer Geschwindigkeit auf die Bundesrepublik zu. Die Umweltzonen bilden somit einen kleinen Bremsfallschirm.

Mit der von einer immer größeren Zahl an Städten und Gemeinden beschlossenen Einrichtung von Fahrverbotszonen für bestimmte Fahrzeuge werden private und gewerbliche Autobesitzer genötigt, ihre mobilen Untersätze umzurüsten, sofern möglich, oder sich einen Neuwagen zuzulegen. Manch einer, der sich noch 2006 für den Erwerb eines neuen Autos entschieden hat, kann dieses gleich wieder verkaufen, da es nicht umrüstbar ist.

Tendenziell läuft die Einrichtung von Umweltzonen auf eine soziale Exklusion hinaus: Ärmere Menschen werden aus den Innenstädten verdrängt. Mit der offiziellen Begründung, daß durch diese Maßnahmen lediglich Auflagen der Europäischen Union zur Senkung der Feinstaubbelastung erfüllt werden, kann nicht der sozialchauvinistische Charakter der Art und Weise, wie Umweltzonen gesellschaftlich durchgesetzt werden, verschleiert werden. Mit den Umweltzonen wird zwar keine totale gesellschaftliche Segregation vollzogen, aber die Trennung betrifft immerhin den wichtigen Faktor Mobilität, eine Daseinsgrundfunktion wie beispielsweise Wohnen.

Die Einrichtung der Umweltzonen kommt den reichen Bundesbürgern zugute und schadet den armen. Das wird von der Regierung sowie den kommunalen und städtischen Verwaltungen so gewünscht. Es hätte andere Wege gegeben, die Feinstaubbelastung der Innenstädte zu senken, als durch Fahrverbotszonen. Man hätte einfach abwarten können, die älteren Fahrzeuge verschwinden sowieso nach und nach von den Straßen. Und die Feinstaubbelastung durch die wenigen, die dann noch in Betrieb sind, hätte die Allgemeinheit durchaus tragen können. Auch wären weitreichende staatliche Zuwendungen zur Umrüstung von Fahrzeugen denkbar gewesen.

Der zeitliche Druck, den die transnationale und nationale Administration in Brüssel und Berlin ausüben, erfüllt nicht die Funktion, ganz schnell die Atemluft in den Innenstädten zu verbessern, sondern die Wirtschaft zu stärken. Man hat es hier mit einem klassischen Resultat von Lobbyismus gepaart mit einer grundlegend bourgoisen Politik zu tun.

1. Januar 2010