Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

LAIRE/088: Umweltschutz in England - Kinder als Spitzel eingesetzt (SB)


Umweltsünden werden in England durch Freiwillige zur Anzeige gebracht


Nachdem Großbritannien bereits vor Jahren das europaweit mit Abstand umfangreichste Netz an Überwachungskameras (CCTV) installiert hat, rüstet das Land auch in anderer Hinsicht auf. Keine technische Kontrolle kommt an die Leistungsfähigkeit einer gegenseitigen menschlichen Überwachung heran. Die Lücken, die bei einer noch so ausgefeilten staatlichen Observierung entstehen, können durch die Mitmenschen bestens gefüllt werden. Und ein Staat, dem es dann auch noch gelingt, Kinder dahin zu erziehen, daß sie für ihn Auge und Ohr sind, setzt nicht nur auf den kindlichen Einfallsreichtum beim Aufspüren von Fehlverhalten, Ordnungswidrigkeiten und kriminellen Delikten, sondern erzieht die kommenden Generationen zugleich zu rundum angepaßten, willfährigen Untertanen. Genau das geschieht zur Zeit in Großbritannien.

Solch staatsdienerliches Gehabe kann man nur als überaus nützlich bezeichnen in Zeiten drohender Verknappung von überlebenswichtigen Gütern und der womöglich dadurch begründeten administrativen Zuteilung von Nahrung, Energie und anderem bzw. umgekehrt deren Vorenthalt. Die britischen Behörden rekrutieren mittlerweile siebenjährige Kinder, damit sie Spitzeldienste für sie verrichten, berichtete im vergangenen Monat Lucy Ballinger für die "Daily Mail" [1]. Mehrere Stadtverwaltungen haben entsprechende Programme auf dem Gebiet des Umweltschutzes verabschiedet, weitere werden in den nächsten Monaten dazukommen. Gegenwärtig sind fast 9.000 Untertanen Ihrer Majestät damit befaßt, die Behörden auf Mißstände aufmerksam zu machen und gegebenenfalls Umweltfrevler zu melden.

Zu den Städten, die das gegenseitige Bespitzeln der Bürger mit am weitesten entwickelt haben, gehört Luton, wo im Rahmen des "Luton Borough Council's Street Seen" Sieben- bis Elfjährige unter dem Projekttitel "Junior Street Champions" Detektiv spielen dürfen. In Islington wiederum beobachten Neun- bis Elfjährige im Rahmen des Projekttitels "Junior Eyes" Umweltsünder. Innerhalb der nächsten zwei Jahre könnten auch Grundschulkinder für Überwachungsaufgaben eingesetzt werden, weiß Ballinger zu berichten. Der Stadtrat von Welwyn Hatfield in Hertfordshire hat seinen dreizehn Freiwilligen sogar Ausrüstung in Form von tragbaren Computern mitgegeben, damit sie Fotos von den problematischen Stellen schießen.

Die Rekrutierung von Umweltwächtern geht mit einer Verschärfung der Strafe bei Umweltvergehen einher. Wer zuviel Müll auf der Straße hinterläßt oder die Vorschriften des Recyclings nicht beachtet, muß mit einer saftigen Strafe von umgerechnet rund 150 Euro rechnen. Zu den großartigen Erfolgen der "Street Champions" aus Hillingdon, nördlich von London gelegen, gehört in diesem Jahr die Entdeckung von zwei Bordellen - anscheinend haben die Stadtväter einen recht weit gefaßten Begriff von Schmutz ... wobei zu untersuchen wäre, ob sie sich während der dunklen Tageszeit ebenfalls an den Objekten stören.

Wie auch immer, die Überwachung der Bürger durch Bürger bildet eines der zuverlässigsten Mittel zur Stabilisierung von Herrschaft, und die Behauptung, daß die Kinder und Erwachsenen, die an einem der Citizen-Watch-Programme teilnehmen, lediglich ihre Umgebung sauber halten und daß das doch wohl nur positiv zu bewerten sei [2], steht im Widerspruch zum allgemein wachsenden Druck auf jeden einzelnen, der in den letzten Jahren verstärkten Repressionen ausgesetzt ist. Auf dem Gebiet des Klimawandels und Umweltschutzes kippt die Freiwilligkeit individuellen Engagements Schritt für Schritt in Richtung Forderungen an den einzelnen, gefolgt von Beschuldigungen und Sanktionen.


*


Anmerkungen:

[1] http://www.dailymail.co.uk/news/article-1183796/Town-halls-hire-citizen- snoopers-young-SEVEN-spy-neighbours-report-wrongs.html

[2] http://www.luton.gov.uk/internet/transport_and_streets/making a visible difference/street seen- champions of luton

16. Juni 2009