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LAIRE/057: Förderung von Biosprit - Qualifizierung der Herrschaft (SB)


Koloniale Ausbeutung par excellence

USA und EU verstärken mit ihren Biospritsubventionen den Nahrungs- und Wassermangel in den Entwicklungsländern


In der aktuellen Debatte über den möglichen Nutzen oder Schaden der sogenannten Biotreibstoffe verweisen Kritiker auf die in vielen Fällen direkte Konkurrenz zwischen Pflanzen für Treibstoff und Pflanzen für Nahrung. Das berechtigte Argument lautet, daß die Subventionierung von Pflanzen für Biosprit bereits zur Verteuerung von Getreide und Lebensmittel geführt hat. Seitens der Kritiker wird aber oftmals der Eindruck erweckt, als bedürften die Regierungen der Belehrung, weil sie die Folgen ihrer Politik nicht bedacht hätten.

Wurde das wirklich nicht vorausgesehen? Haben die Vereinigten Staaten von Amerika und die Europäische Union, die zur Zeit die wichtigsten Propagandisten für Biotreibstoffe sind, tatsächlich nicht eins und eins zusammengerechnet und prognostiziert, was inzwischen durch eine Reihe von Studien belegt wurde, nämlich daß Biodiesel und Ethanol erstens keine pauschal umweltfreundlichen Alternativen zu fossilen Brennstoffen sind und daß sie zweitens zur Wasser- und Nahrungsnot unter den ärmeren Menschen beitragen?

Kaum vorstellbar. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Erzeugung des Mangels und der existentiellen Not kein unliebsamer Nebeneffekt, sondern ein wesentlicher Zweck der Biospritförderung darstellt. Das ergibt sich aus den Prinzipien, nach denen Herrschaft funktioniert. Ohne Mangel ist Herrschaft gar nicht denkbar, Mangel bildet die Voraussetzung für die Herrschaft des Menschen über den Menschen. Das dürfte auch erklären, warum viele wirtschaftliche Maßnahmen - beispielsweise die Strukturanpassungsmaßnahmen, die Weltbank und IWF den Entwicklungsländern aufoktroyiert haben - entgegen den Verheißungen die Not der Menschen sogar noch verstärkt haben, anstatt sie zu beheben. Selbstverständlich gibt es auch innerhalb der Entwicklungsländer Profiteure dieser Maßnahmen, nicht zuletzt weil sich Herrschaft notwendigerweise auf die Teilhaberschaft der Beherrschten stützt. Einige wenige profitieren ganz gut davon ... die Betonung liegt auf "wenige".

Untersuchungen haben gezeigt, daß die Klimabilanz von Biosprit häufig schlechter ausfällt als die von fossilen Treibstoffen, weil dabei mehr Treibhausgase produziert, größere Mengen Wasser verbraucht und häufig für den Nahrungsmittelanbau dringend benötigte landwirtschaftliche Flächen belegt werden. Generell erweisen sich hauptsächlich Restmaterialien, die keiner anderen Nutzung zugeführt werden können, als vorteilhaft im Sinne des Anspruchs, die klimaschädliche Verbrennung von Erdöl und Erdgas durch andere Substanzen ersetzen zu wollen.

Praktisch alle Umweltorganisationen, die sich ursprünglich für die Produktion von Biotreibstoffen ausgesprochen hatten, sind von dem Zug abgesprungen und fordern einen völligen Verzicht, rigide quantitative Begrenzungen oder wenigstens die Einhaltung strikter Nachhaltigkeitskriterien beim Anbau der sogenannten Energiepflanzen. Die USA und die Europäische Union hingegen halten an ihren Zielen fest, den Biospritanteil am Treibstoffverbrauch signifikant zu erhöhen (in Deutschland sogar auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020). Politiker wie EU-Kommissar Stavros Dimas, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Landwirtschaftsminister Horst Seehofer geben sich zwar jeder auf seine Weise scheinbar verantwortungsbewußt, aber ziehen keineswegs die Konsequenz, sich von den Biotreibstoffplänen zu verabschieden.

Nach dem aktuellen Stand der Debatte wird es in Europa auf einen Kompromiß hinauslaufen, der auf dem eingeschlagenen Weg lediglich einen halben Schritt zurück bedeutet, nachdem man bereits zehn Schritte vorangegangen ist. Dabei wäre jedoch zu bedenken, daß auch Nachhaltigkeitskriterien im Energiepflanzenanbau zur Generierung des Mangels beitragen, allein schon dadurch, daß durch sie Arbeitskräfte gebunden und ausgeschöpft werden, die ansonsten für die Erzeugung von Nahrung frei gewesen wären. Im übrigen verschlechtert sich die Bodenqualität durch den landwirtschaftlichen Anbau.

Für die Nutznießer des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems - und das sind zweifellos in erster Linie die relativ wohlhabenden Länder des Nordens - stellt jedes Land, das aus der Ordnung ausschert oder sich weitgehend unabhängig vom Diktat der dominierenden Wirtschaftsnationen machen will, das System an sich in Frage. Dazu darf es aus Sicht der nach umfassender Hegemonie strebenden Staaten nicht kommen, deshalb müssen schon erste Ansätze, die in diese Richtung deuten, verhindert werden.

Die Geschichte hat wiederholt gezeigt, daß man in der Wahl der Mittel keine Grenzen kennt. Als Patrice Lumumba, der der erste frei gewählte Premierminister Kongos hätte werden sollen, seine Ideen zur Verstaatlichung der Unternehmen und andere Bemühungen, dem kolonialen Joch zu entkommen, verbreitete, erhielt der damalige Geheimdienstchef der CIA die Anweisung seines Präsidenten, Lumumba zu eliminieren. Dieser wurde dann tatsächlich umgebracht, wenn auch nicht vom CIA. Die Ermordung Salvador Allendes in Chile, der unter einem Vorwand (Tonkin-Zwischenfall) begonnene Krieg der USA gegen Vietnam, die Neuauflage des "Great Games" in Zentralasien und die Ausrufung des Globalen Kriegs gegen Terrorismus, bei dem die Beteiligten globalstrategische Interessen verfolgen, sind weitere Beispiele dafür, wie Herrschaftsstrukturen auf der Basis des Mangelzuwachses ausgebaut werden.

Die Förderung der Biotreibstoffe ist eine Konsequenz dieser Entwicklung, durch diese Politik wird die existentielle Not vieler Menschen verstärkt. Die Absicht der einflußreichen Kräfte wird noch transparenter, wenn man sich dem Problem des Nahrungsmangels von einer anderen Seite her nähert und feststellt, was die USA und EU eben NICHT getan haben. Sie haben nicht erklärt, daß, weil es 854 Millionen Menschen auf der Welt gibt, die regelmäßig Hunger leiden, nun alles Menschenmögliche unternommen werden müsse, damit die Hungernden zu essen haben. Die USA und EU haben kein milliardenschweres Subventionierungsprogramm, wie es für Energiepflanzen in Kraft getreten ist, aufgelegt, um die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern so lange zu fördern, bis das Ziel, Nahrung für alle, erreicht ist.

Statt dessen wird die vorhandene Not verstärkt. Das läßt sich schon nicht mehr als versehentlicher Nebeneffekt abtun, der lediglich in Washington und Brüssel nicht genügend beachtet wurde. Die Biospritförderung erweist sich vielmehr als neue Spielart der uralten Herrschaftssicherung.

11. Februar 2008