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LESERBRIEFE/002: Zu "Fragen anläßlich des Aufrufs der Stiftung Ethecon zum BP-Boykott" (Jörg Haas)


Zum Schattenblick-Artikel:
Fragen anläßlich des Aufrufs der Stiftung Ethecon zum BP-Boykott (SB)

unter: UMWELT -> MEINUNGEN -> LAIRE/130


Leserbrief von Jörg Haas:

Sonntag, 20. Juni 2010 - 17:57 Uhr

Die Reaktion des Schattenblick auf den Boykottaufruf ist aufschlussreich. Sie zeigt einmal mehr, dass es dem Schattenblick nicht um die kleine Verbesserung im Rahmen des "real existierenden Kapitalismus" geht. Nein, es gibt kein richtiges Handeln im Falschen, so die Grundaussage des Schattenblick, die wir vielfach variiert immer wieder gerne lesen.

Der Artikel zeigt aber auch, dass der Schattenblick wenig Kenntnis von Zielen, Erfolgsbedingungen und Grenzen von Boykottstrategien hat. Boykotte sind nicht zu verstehen als grundsätzliche Veränderungen unseres Konsumverhaltens. Sie sind vielmehr eine kollektiv zum Ausdruck gebrachte Botschaft an ein Unternehmen, das eher exemplarisch, "pars pro toto" als Empfänger herhalten muss. Als Botschaft müssen Boykotte eher kurz, zielgenau auf EIN Unternehmen, und doch massenhaft überbracht werden. Nur so erzielen sie ihre Wirkung.

Würde BP als Folge eines weltweiten Boykotts auch nur kurzfristig einen spürbaren Umsatzeinbruch von vielleicht 10% erleiden, würde dies nicht nur vom Management des Unternehmens, sondern von den Kapitalmärkten sehr genau wahrgenommen werden. Würde BP gar bankrott gehen, was angesichts hoher Schadenersatzforderungen aktuell nicht ausgeschlossen wird, werden zukünftige Investitionen in Tiefseeölförderung mit einem deutlichen Risikoaufschlag auf die geforderte Rendite versehen. Das heißt aber auch, dass die relative Attraktivität von Investitionen in Erneuerbare Energien im Verhältnis zur Ausdehnung der fossilen Energieförderung zunimmt. Genau das ist es, was wir brauchen, wenn wir noch eine Chance gegen den Klimawandel haben wollen.

Doch das interessiert den Schattenblick wenig. Stattdessen lehnt er sich lieber in seinem Lehnsessel zurück, besorgt über das Wüten des Kapitals, doch zugleich beruhigt vom Wissen, dass sein unbedachtes Boykottieren an den großen Zusammenhängen des Kapitalismus viel zu wenig ändern würde, und tankt daher weiter mit gewohnt schlechtem Gewissen bei BP. Die große revolutionäre Umwälzung wird noch lange Zeit auf sich warten lassen - bis dahin kann man ja getrost alles beim Alten lassen.


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Quelle:
Leserbrief vom 20. Juni 2010


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2010