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WALD/687: Feuersalamanders Heimat - Wie macht man feuchte Wälder fit für den Klimawandel? (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/14
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Fit für den Klimawandel
Strategien zur Anpassung feuchter Wälder im Münsterland

von Bernd Pieper



Wald ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Sämtliche Wälder sowie die energetische und stoffliche Verwendung von Holz reduzieren in Deutschland den jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß um rund 125 Millionen Tonnen. Wälder leisten damit einen beachtlichen Beitrag zum Klimaschutz - sind aber gleichzeitig von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen.

Lange Trockenperioden, Starkregen oder die Zunahme von Sturmereignissen setzen den Wald unter Druck und erfordern Anpassungsmaßnahmen - das ist keine Panikmache, sondern schiere Notwendigkeit angesichts der langen Entwicklungszyklen von Wäldern und der Tatsache, dass diese rund ein Drittel der Landfläche in Deutschland einnehmen.

Entscheidungen im Ungewissen

Wie genau diese Anpassungsmaßnahmen aussehen können, ist längst noch nicht klar.

Der Dresdner Forstwissenschaftler Michael Müller konstatierte in einem Interview mit der "Welt": "Die Szenarien des Klimawandels sind vielfältig. Auch wenn es zahlreiche Studien zu erwarteten Reaktionen unserer Waldbäume auf Veränderungen von Klimaparametern gibt, müssen wir konstatieren: Wir haben Entscheidungen zu treffen, obwohl wir unsicher sind." Um diese notwendigen Entscheidungen auf eine bessere Grundlage zu stellen, haben Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium 2013 gemeinsam den Waldklimafonds aufgelegt. Aus diesem Topf sollen Maßnahmen gefördert werden, die das Potenzial von Wald und Holz zur Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes erhalten und ausbauen sowie die Fähigkeit der Wälder zur Anpassung an den Klimawandel verbessern. Für Stefan Adler, Referent für Waldwirtschaft beim NABU-Bundesverband, müssen im Rahmen des Waldklimafonds insbesondere solche Projekte gefördert werden, "die eine ökologisch nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder mit kontinuierlichem Aufbau der Holzmenge unterstützen, andererseits die Ausweisung von Wäldern ohne forstwirtschaftliche Nutzung vorantreiben - so kann der Wald künftig noch mehr Kohlenstoff speichern."

Feucht - trocken - feucht

Eines der ersten, zum größten Teil aus dem Waldklimafonds finanzierten Projekte ist "Fit für den Klimawandel - Maßnahmen für eine nachhaltige, naturnahe Anpassung feuchter Wälder im Münsterland". Im Rahmen dieses Projektes wird die NABU-Naturschutzstation Münsterland gemeinsam mit dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW Maßnahmen für eine nachhaltige, naturnahe Anpassung feuchter Wälder an Klimaveränderungen entwickeln und umsetzen.

Das Projektgebiet befindet sich südlich von Münster. Hier wachsen überwiegend feuchte Wälder mit einem hohen Anteil an Eichen. Wichtigste Teilflächen sind die ursprünglich sumpfigen, über Jahrzehnte entwässerten FFH-Gebiete Wolbecker Tiergarten und Davert.

Wälder leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Gleichzeitig sind sie vom Klimawandel besonders betroffen.

Der rund 300 Hektar große Wolbecker Tiergarten ist einer der ältesten Wälder im Münsterland. Ein Teil der naturnahen Buchen- und Eichen-Hainbuchenwälder bleibt als "Naturwaldzelle" sich selbst überlassen. Hier entsteht ein künftiger Urwald, der bereits heute durch eine enorme Vielfalt von Insekten-, Vogel- und Fledermausarten beeindruckt. Durch die kontinuierliche Bewaldung konnte sich im Wolbecker Tiergarten eine der wenigen Flachlandvorkommen des Feuersalamanders bis heute halten. Die Davert wiederum ist mit rund 2.500 Hektar einer der größten Wälder der Westfälischen Bucht. Bis vor 200 Jahren war sie eine sumpfige Moor- und Heidelandschaft, dann wurde die Davert entwässert und aufgeforstet. Die unterschiedliche Bodenfeuchtigkeit hat eine abwechslungsreiche Waldlandschaft entstehen lassen, mit Erlen- und Birkenbrüchen, Buchen und Flatterulmen. Berühmt ist die Davert für ihre ausgedehnten Eichen-Hainbuchenwälder. Hier lebt mit knapp 150 Brutpaaren eine der größten NRW-Populationen des Mittelspechts. Doch auch andere Spechtarten nutzen das massenhafte Insektenangebot in der rauen Borke der alten Bäume, in deren Kronen Bussarde und Habichte ihre gewaltigen Horste gesetzt haben.

Projekt mit Modellcharakter

Das von der Arbeitsgruppe Ökosystemforschung der Uni Münster begleitete Projekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt. "In dieser Zeit werden wir zunächst Untersuchungen zu Hydrologie, Boden oder Artzusammensetzung durchführen und daraus Maßnahmen entwickeln, mit denen feuchte Wälder dauerhaft gesichert werden können", erläutert Dr. Britta Linnemann, Leiterin der NABU-Naturschutzstation Münsterland. Zu den heute schon feststehenden Aktivitäten gehören die Wiederherstellung naturnaher Bodenwasserverhältnisse, die Sicherung von Alt- und Totholz sowie die Reaktivierung eines entwässerten Hochmoores. Andreas Wiebe vom Landesbetrieb Wald und Holz verspricht sich "von einer Verzögerung des sommerlichen Wasserverlustes insbesondere eine Stabilisierung der Eichenwälder". Die beiden Projektpartner wollen private Waldbesitzer - auf freiwilliger Basis - beraten und dabei unterstützen, deren Flächen auf den Klimawandel vorzubereiten. Dazu gehören auch angemessene Entschädigungsleistungen, etwa für die dauerhafte Sicherung von Altholz. Britta Linnemann streicht die Pionierfunktion des Projekts heraus: "Der Modellcharakter erlaubt es, die gewonnenen Ergebnisse auf vergleichbare Standorte zu übertragen."


Weitere Infos unter
www.waldklimafonds.de und www.nabu-naturschutzstation-muensterland.de.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/14, Seite 18 - 19
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2014