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SCHUTZGEBIET/722: Streuwiesen und Wiesmähder - Ein neues LBV-Schutzgebiet im Ammertal (Vogelschutz)


Vogelschutz - 1/2012
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Streuwiesen und Wiesmähder
Ein neues LBV-Schutzgebiet im Ammertal

von Michael Schödl



Solch eine Chance bekommt man nur einmal! Im Jahr 2010 wurden von einer Erbengemeinschaft rund 70 ha Flächen im Ammertal angeboten. Darunter auch Streuwiesen, Moor- und Wiesmahdflächen. Der Landesbund für Vogelschutz konnte im letzten Jahr davon 16 Hektar erwerben.

Ein Großteil der Flächen liegt in noch nicht hoheitlich gesicherten FFH-Gebieten und in oder randlich an bestehenden Naturschutzgebieten. Einen ca. 20 ha großen Wiesenkomplex hat der Landkreis Garmisch-Partenkirchen zusätzlich erworben, so dass man jetzt gemeinsam im FFH-Gebiet "Ammertaler Wiesmahdhänge" einen Flächenanteil von rund 15% an artenreichen Bergwiesen besitzt. Damit lässt sich der Schutz dieses Biotoptypes nachhaltig verwirklichen und das Gebiet zukünftig sichern.

Wie kann sich der LBV das leisten?

Der ganze Ankauf wurde nur mit einer Förderung durch den Bayerischen Naturschutzfonds möglich. Dabei musste die LBV-Kreisgruppe rund 25.000 Euro selbst aufbringen. Viel für eine Kreisgruppe mit knapp 1.100 Mitgliedern. 10.000 Euro konnten aus dem laufenden Haushalt über Mitgliedsbeiträge, durch die Haus- und Straßensammlung und weitere Spenden abgedeckt werden.

Was ist am "Wiesmahd" so besonders?

Die Ammertaler Wiesmahdhänge sind laut ABSP bayernweit herausragend und in ihrer Gesamtheit von landesweiter Bedeutung. Der Begriff "Wiesmahd" beschreibt ungedüngte, häufig buckelige, extrem artenreiche Wiesen, die traditionell nur einmal im Hochsommer gemäht werden. Mit der sonnenexponierten Lage an den Hängen der Flysch-Vorberge bilden sich hier im Gegensatz zu den "Mittenwalder Buckelwiesen" Halbtrockenrasen aus. Natürlich hohe Nährstoffversorgung sowie gute Wasserversorgung bilden den Grundstock für die Nutzung der Wiesen. Sie zeichnen sich durch einen sehr hohen Strukturreichtum mit einer von Hangrinnen, Quellmulden, Verebnungen und Buckelfluren geprägten Oberfläche und durch das abwechslungsreiche Landschaftsbild mit Gehölzen, Einzelbäumen und blumenreichen Wiesen aus. Die Wiesmahdflächen setzen sich aus Magerrasenflächen, Flachmooranteilen sowie Feuchtund Nasswiesenbeständen zusammen. Charakteristisch sind Silberdistel-Blaugras-Halbtrockenrasen in einer bodensauren, wechselfeuchten Ausbildung mit Kennarten wie Großköpfiger Pippau und Wiesen-Leinblatt. Die Wiesmahdflächen weisen eine sehr hohe floristische Artenvielfalt auf. So finden sich z. B. 240 Arten im Biotopkomplex "Reiche Wiesen", den das Landratsamt erworben hat und der an unsere Flächen angrenzt. Darunter finden sich seltene Arten wie Abgebissener Pippau, Arnika und Pracht-Nelke.

Herausragend sind die Orchideenvorkommen u.a. mit der stark gefährdeten Bienen-Ragwurz und dem Kleinen Knabenkraut. Für beweidete Flächen ist die Herbst-Wendelähre charakteristisch. Dementsprechend finden sich dann auch viele Nutzer dieser Pflanzen wie Tagfalter und Heuschrecken. Aus Kartierarbeiten der Kreisgruppe liegen Nachweise von Heidegrashüpfer, Schwarzfleckigem Grashüpfer, Warzenbeißer, Feldgrille und ohne die älteren ASK-Nachweise 14 weitere Arten vor. Das entspricht über 1/3 der im Landkreis vorkommenden Heuschreckenarten. Unmittelbar angrenzend an die erworbenen Flächen besteht eine überregional bedeutsame Wochenstube der Kleinen Bartfledermaus mit über 100 Tieren, die sicher auch von unseren Wiesen Nahrung beziehen.

Die andere Hälfte der Grundstücke liegt am Naturschutzgebiet Pulvermoos und im Naturschutzgebiet Ettaler Weidmoos. Diese beiden Relikte des nacheiszeitlichen Ammertalsees sind zusammenhängende Flachmoorkomplexe mit Übergangs- und Hochmoorausbildungen im Zentrum. Im Weidmoos ist die Hydrogeologie durch den Anschluss an das Lindergrieß und die zahlreichen Quelltrichter der Ammer ganz besonders. Daraus resultiert eine sehr enge und komplizierte Verzahnung von Moor- und Auenstandorten. In beiden "Moosen" wachsen Karlszepter, Sibirische Schwertlilie, Mehlprimel und Co. Auf geeigneten Teilen kann man nun Amphibienbiotope anlegen und über die Reaktivierung von ehemaligen Hochmoorkernen nachdenken. Doch dazu fehlen noch einige weitere Flächen. Spannend bleibt, was auf den bisher ungenutzten Flächenteilen noch alles zu entdecken ist und wie man sie entwickeln könnte.

Wer pflegt die Flächen?

Schon im ersten halben Jahr wurde erreicht, dass ein Hektar Streuwiesen wieder gepflegt wird. Ein weiterer Hektar wird aus einem Weidekomplex herausgelöst und nun als Wiesmahd betrieben. Die Entbuschung bzw. Vorbereitung der Pflege leistet die LBV-Geschäftsstelle Garmisch-Partenkirchen. Neun Hektar sind an Landwirte verpachtet. Bleiben also noch sieben weitere Hektar, die wieder in Nutzung genommen oder einfach in Ruhe gelassen werden müssen. Nahezu alle bereits bestehenden Pachtverträge konnten weitergeführt bzw. neu vergeben werden, so dass die zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Fördermittel direkt an die Landwirte zur Pflege der extensiven Kulturlandschaft weitergegeben werden.

Denn Arbeit hat man mit den Flächen genug, auch wenn man sie nicht selber mähen muss.

Der Autor:
Michael Schödl
LBV Gebietsbetreuer
LBV Garmisch-Partenkirchen
Tel. 08821/73464
Mail: lbvgap[at]gaponline.de

das Projekt wird unterstützt von
Bayerischer Naturschutzfonds - Stiftung des Öffentlichen rechts


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Oben: Eine typische Vertreterin der Streuwiesenflora
im Ammertal ist die Mehlprimel

Unten: Ein Quelltopf in der Wiese mit großem
Potential als Lebensraum für viele gefährdete Arten

Blütenvielfalt im Schutzgebiet:
Die verschiedenen Bereiche Magerrasen, Flachmoore und Nasswiesen bieten einer Vielzahl gefährdeter Pflanzen Raum: darunter Kleines Knabenkraut, Schwalbenwurzenzian und Bienenragwurz (von links nach rechts)
Neben attraktiven Wiesenpflanzen wie der Prachtnelke (links) finden zahlreiche Insekten wie der gefährdete Warzenbeißer (ganz unten) ideale Lebensbedingungen in der vielfältigen Wiesenlandschaft des neuen LBV-Schutzgebietes, zu dem auch magere Hangwiesen gehören (unten) Fotos: Wolfgang Lorenz, Dr. Eberhard Pfeuffer (2), Thomas Staab, Andreas Hartl, Michael Schödl

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Quelle:
Vogelschutz - 1/2012, Seite 9-11
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. -
Verband für Arten- und Biotopschutz
LBV-Landesgeschäftsstelle
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel.: 09174 / 47 75-0, Fax: 09174 / 47 75-75
E-Mail: info@lbv.de
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Vogelschutz ist das Mitgliedermagazin des LBV
und erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2012