Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LEBENSRÄUME

SCHUTZGEBIET/681: Alpine Perle - Der Nationalpark Berchtesgaden (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

NATIONALPARK
Berchtesgaden
Alpine Perle

Von Christine Margraf


Die Alpen sind ein europäischer Brennpunkt der biologischen Vielfalt. Ihr deutscher Teil ist lediglich am Watzmann und Königssee als Nationalpark geschützt. Wie steht es um Berchtesgaden, unseren zweitältesten Nationalpark an der Grenze zu Österreich?

Was für eine Idee: 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, planten national gesinnte Kreise am Königssee einen riesigen assyrischen Löwen in den Fels meißeln zu lassen. Doch der Vorsitzende des erst drei Jahre zuvor gegründeten Bund Naturschutz (BN), Karl Freiherr von Tubeuf, wusste das zu verhindern. Es kam noch besser: 1921 erweiterte man den bereits 1910 ausgewiesenen »Pflanzenschonbezirk« im Südosten des heutigen Nationalparks und erklärte ihn auf 20 400 Hektar zum »Naturschutzgebiet Königssee«. Als fruchtbar entpuppte sich dann eine weitere Attacke: Die Idee, den Watzmann per Seilbahn zu erschließen, konterte der Deutsche Naturschutzring 1953 mit der Forderung nach einem Nationalpark. Die Seilbahn blieb ungebaut, die Parkidee aber wurde erst im Europäischen Naturschutzjahr 1970 wieder aufgegriffen. Am 1. August 1978 endlich war es dann so weit. Der Nationalpark Berchtesgaden umfasst 210 km². Zwei Drittel davon sind Kernzone, angestrebt wird der internationale Sollwert (75%). Seit 1991 sind der Nationalpark und sein Vorfeld zudem ein von der UNESCO anerkanntes Biosphärenreservat.


Natürliche Vielfalt

Der Nationalpark repräsentiert einen großen Ausschnitt alpiner Lebensräume und Arten - vom Gletscher und Schneetälchen über Quellen und Flüsse, alpine Rasen und Felsfluren bis zu diversen Waldtypen. Ursache für die Vielfalt sind unterschiedlichste geologische Verhältnisse, Böden, Gewässer und Kleinklimata sowie die große Höhendifferenz: vom Königssee auf 603 Metern bis hinauf zum 2.713 Meter hohen Gipfel des Watzmanns. Beinahe alle Vegetationszonen von der montanen bis zur nivalen Stufe sind mit ihren typischen Tieren und Pflanzen vertreten. Bisher fand man 15 Fisch-, 8 Amphibien- und 6 Reptilienarten, ferner etwa 100 verschiedene Brut- und 40 Gastvögel sowie 55 Säugetiere. Dazu kommen rund 2.000 verschiedene Pilze, 640 Flechten, 400 Moose und 1.000 Gefäßpflanzen. In Quellen des Parks wurden etwa 700 Wirbellose nachgewiesen, davon acht erstmalig in Deutschland. Überhaupt leben in den deutschen Alpen viele Arten, die nirgendwo sonst bei uns vorkommen.


Almwirtschaft und Klimawandel

Die Bahn auf den Watzmann konnte vereitelt werden. Doch bis heute droht dem Nationalpark Ungemach. So konnte der BN nur per Klage einen überdimensional geplanten Weg zur Engertalm verhindern. Und von der Entwässerung eines Moores auf der Gotzenalm erfuhren wir so spät, dass wir nur noch die Wiederherstellung (soweit möglich) fordern können. Die Almwirtschaft ist zwar ein typisches Element des Parks, doch muss sie hier den Vorrang des Naturschutzes beachten und vorbildlich naturnah wirtschaften.

Auch werden Arten wie die Königsseeforelle durch eine schleichende Verschlechterung ihres Lebensraumes stetig seltener. Einst ausgerottete Tiere wie Luchs und Bär fehlen bis heute. Für sie sind spezielle Schutzmaßnahmen nötig.

Besondere Gefahr droht im Alpenraum vom Klimawandel. Untersuchungen im Nationalpark zeigen erste Folgen für die alpine Flora und Fauna. So kann der Gletscherhahnenfuß nur begrenzt nach oben ausweichen - bis eben der Berg nicht mehr höher reicht. Einer der beiden Gletscher des Nationalparks, der Blaueisgletscher, ist seit 1980 um ein Viertel kleiner geworden, von 16 auf 12 Hektar. Diesen nördlichsten und niedrigst gelegenen Gletscher der Alpen wird es wohl bald nicht mehr geben.

Nicht nur deshalb müsste gerade in Berchtesgaden besonders viel in Forschung und Entwicklung investiert werden. Doch die Finanzmittel wurden in den letzten Jahren stetig reduziert. Der BN fordert wieder ausreichend Geld für Personal, Umweltbildung, Forschung und Umsetzung bereitzustellen. Nötig sind vor allem mehr Ranger, die den Besuchern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.


Bildung und Biotopverbund

Doch es gibt auch Fortschritte. Endlich begonnen hat der Bau des »Hauses der Berge«, ein allseits sehnlich erwartetes Zentrum für Naturerlebnis, ökologische Information und Umweltbildung. Ende 2012 soll es fertig sein. Auch sind Bär und Luchs schon nahe dem Nationalpark gesichtet worden, sie könnten ihren Lebensraum allmählich zurückerobern. Einige heftige Stürme haben in den Wäldern zudem Schneisen für eine »neue Wildnis« geschlagen. Zu den Positiva zählt schließlich das steigende Interesse am tollen Umweltbildungsangebot. Das beliebte Winterprogramm mit Schneetouren, Pferdeschlittenfahrten und Themenwanderungen zeigt, dass es auch ohne Skifahren geht.

Als eine von sieben Pilotregionen im Projekt »Econnect« (www.econnectproject.eu) arbeitet der Nationalpark Berchtesgaden mit daran, die Alpenkonvention umzusetzen und einen großräumigen, biologisch wirksamen Verbund herzustellen. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist der Austausch mit Wanderkorridoren zwischen den Reservaten wichtiger denn je.

Die Umsetzung des Nationalparkplanes mit dem Ziel, bis 2010 75% des Parks zur Kernzone zu machen, hat sich allerdings verzögert. Durch Stürme und die Bekämpfung des Borkenkäfers in der Pflegezone ist der planvolle Umbau der naturfernen Wälder in Bergmischwälder ins Stocken geraten.

Der Nationalpark ist mit seiner hervorragenden Natur- und Kulturlandschaft das »Alleinstellungsmerkmal« und die »Perle« des Berchtesgadener Landes - wie es in der Sprache der Touristiker heißt. Dass dies so ist, ist auch ein Verdienst des BN (schon seit 1916). Und damit dies auch künftig so bleibt, wird sich der BN weiter engagiert für den Nationalpark einsetzen.

Christine Margraf ... kümmert sich für den Bund Naturschutz (BUND in Bayern) um den Artenschutz in Südbayern.

Erleben Sie den Nationalpark mit den BUND-Reisen (www.bund-reisen.de) oder auf eigene Faust: So können Sie auf einer Wanderung im Wimbachgries die Entstehung eines alpinen Flusses erleben. Zu empfehlen sind auch Touren in den Tälern (z. B. Klausbachtal) oder von Hütte zu Hütte. 230 km lang ist das Netz der Wanderwege und Bergsteige im Nationalpark.

Tipps + Infos: www.fahrtziel-natur.de; www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Blick auf den tiefblauen Königssee.

Steinernes Meer mit blühender Alpenrose.

Der schwindende Blaueisgletscher (links). Auch 2011 wieder im Angebot: Bergwanderung im Nationalpark unter kundiger Führung des BUND (mitte). Deutschlandweit nur im Nationalpark Berchtesgaden: das Pyrenäen-Drachenmaul (rechts).


*


Quelle:
BUNDmagazin 4/2010
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
Email: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net

Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2011