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MOOR/049: Hoffnung für die Moore - NABU setzt Moorschutz auf die internationale Agenda (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 4/2015

Hoffnung für Moore
NABU setzt Moorschutz auf die internationale Agenda

Von Tom Kirschey und Pawel Pawlaczyk


In wenigen Tagen beginnt die Weltklimakonferenz in Paris. Ob es der internationalen Staatengemeinschaft gelingen wird, sich zu weitreichenden und wirksamen Entscheidungen zur Verminderung von Emissionen klimarelevanter Gase durchzuringen, wird in nicht unerheblichem Maße davon abhängen, ob die Moore im Ergebnis der Verhandlungen den ihnen gebührenden Stellenwert erhalten.


Es sollte auf jeder Titelseite dieser Welt stehen: Der Zustand der Moore ist für das globale Klima von enormer Bedeutung. Vielleicht würde dieser Zusammenhang dann weniger unterschätzt, wäre der Umgang mit den Feuchtgebieten sorgsamer. Je nachdem, wie sich Moore und Atmosphäre gegenseitig beeinflussen, werden sie den Klimawandel beeinflussen. Sie können ihn vorantreiben oder von ihm betroffen sein, zum Problem werden oder Lösung sein - vor allem unser Umgang mit ihnen macht den Unterschied.

Intakte, also unentwässerte Moore, sind vereinfacht ausgedrückt Senken für Kohlendioxid und nur in geringem Maße eine Quelle von Methan. Degradierte und entwässerte Moore hingegen sind eine massive Quelle von Kohlendioxid-Emissionen sowie eine ebenfalls starke Quelle von Methan. Auch Lachgasemissionen spielen eine wichtige Rolle bei veränderten Wasserständen. Auch wenn sich die öffentliche Diskussion beim Klimawandel hauptsächlich um das Kohlendioxid dreht, bleibt dennoch zu bedenken, dass einem Methanmolekül die 28fache Treibhauswirkung gegenüber einem Kohlendioxidmolekül zugeschrieben wird. Lachgas besitzt sogar ein Äquivalent von 265. In welchen Mengen diese Gase freigesetzt werden könnten, lässt erahnen, dass in den Mooren 30 Prozent unserer terrestrischen Kohlenstoff-Vorräte lagern - obwohl sie nur drei Prozent der Landoberfläche einnehmen.

Die Zahlen sprechen eigentlich für sich. Und doch hat es vergleichsweise lange gedauert und enormen Aufwandes bedurft, das Thema auf die globale Agenda zu setzen. Der Grund für die Ignoranz der internationalen Staatengemeinschaft liegt zum Teil darin begründet, dass Moore heute nicht nur durch aktive neue Entwässerung und Torfabbau gefährdet sind, sondern in viel stärkerem Maße durch die schleichende Oxidation des Torfes durch historische Entwässerungen. NABU-Präsident Olaf Tschimpke nannte die Degradation der Moore daher treffenderweise eine "tickende unsichtbare Zeitbombe für das Weltklima". Während jeder auf den ersten Blick den rauchenden Schornstein oder Auspuff als Problem identifizieren kann, hat die Moordegradation bislang kaum Eingang in das öffentliche Bewusstsein gefunden.

Auch bei der UN-Klimarahmenkonvention spielte das Thema Moore lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Auf der Klimakonferenz in Bali 2007 wurden Moore erstmalig als Gegenstand eines freiwilligen Zertifikatehandels thematisiert. Erst vier Jahre später, auf der Klimakonferenz in Durban 2011, beschloss man die Aufnahme einer neuen Aktivität "Feuchtgebiets-Entwässerung und -Restauration" für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls. Im vergangenen Jahr berechnete der Internationale Expertenrat IPCC, dass inzwischen 16 Prozent der Gesamtemissionen aus degradierten Mooren resultieren. Doch nur wenn in Paris im Dezember 2015 ein wirksames Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll beschlossen wird und die Moore in den zentralen Mechanismen der Konvention verankert sind, erst dann wird das Thema wirklich die globale Agenda erreicht haben.

In diesem Spannungsfeld hat der NABU zum Jahreswechsel 2014/2015 den Internationalen Moorschutzfonds geschaffen, denn Moore bedürfen nicht nur in Deutschland Schutz, sondern weltweit. So einfach das klingt, waren vor dem eigentlichen Start dennoch umfangreiche Fragen zu klären: Wie angesichts der globalen Dimensionen die richtigen Prioritäten und Akzente setzen? Wie die zum Teil unterschiedlichen Anforderungen von Klima- und Biodiversitätsschutz "unter einen Hut bringen"? Was kennzeichnet eine "erfolgreiche" Renaturierung aus? Wie unter schwierigen politischen Rahmenbedingungen in einzelnen Ländern gearbeitet werden? Wo beginnen? Zumindest die letzte Frage war schnell beantwortet. Bereits im November 2014 trafen sich im litauischen Vilnius Vertreter von Naturschutzorganisationen aus Polen, Litauen, Lettland und Estland, um ein gemeinsames Projekt zum besseren Schutz und zur Restauration von Mooren zu planen. Weitere Treffen in Riga, Tartu und Berlin folgten, ein Antrag für das EU-LIFE-Programm wurde erarbeitet und zwischenzeitlich eingereicht. Parallel entsteht eine Potenzialanalyse für Osteuropa bis nach Westsibirien, um herauszuarbeiten, wo aus Sicht von Klimaschutz und Biodiversität die größten Potenziale liegen und welche spezifischen Anforderungen bei der Umsetzung zu beachten sind.

Mehr Wasser für Polens wertvollste Hochmoore

Ein weiteres, durch den Internationalen Moorschutzfonds finanziertes und den Klub Przyrodnikow entwickeltes Projekt widmet sich dem Schutz von Mooren in der Region Westpommern zwischen Gdansk und Szczecin. Von den insgesamt drei Moorflächen des Projekts liegen zwei - Kusowo und Brzezinskie - im Natura 2000-Gebiet "Jeziora Szczecineckie" (PLH320009) und werden von der Försterei Szczecinek des Polnischen Staatsforstes verwaltet. Das dritte Moor - Slowinskie Blota - liegt bei Darlowo, unweit der Ostseeküste. Dieses Moor liegt im FFH-Gebiet Slowinskie Bloto (PLH320016).

Das Kusowo-Moor befindet sich vollständig in einem 320 Hektar umfassenden Naturschutzgebiet, jedoch sind große Teile des hydrologischen Einzugsgebietes vom Schutzgebiet ausgegrenzt. Der etwa hundert Hektar umfassende Nordteil des Gebietes beherbergt eines der am besten erhaltenen wachsenden Hochmoore Polens und das einzige in Polen, welches natürliche Gewässer auf der Kuppel enthält, wie dies für die großen Hochmoorkomplexe des Baltikums charakteristisch ist. Der ebenfalls ca. hundert Hektar umfassende Südteil stellt ein vor über 40 Jahren aus der Nutzung gegangenes Torfabbaugebiet dar, in welchem heute eine spontane Regeneration der Torfmoosvegetation stattfindet. In früheren Epochen angelegte Gräben werden zwar seit Jahrzehnten nicht mehr unterhalten, sind aber hydrologisch nach wie vor wirksam und entwässern das Moor bis heute. Der im Jahr 2009 in Kraft gesetzte Managementplan für das Schutzgebiet sieht Grabenverschlüsse vor, einige konnten 2009 bereits realisiert werden. Wie anschließend durchgeführte Untersuchungen zeigten, reichten diese Maßnahmen allerdings nicht aus. Daher sollen nun weitere zwölf Grabenverschlüsse erfolgen, um das Wasser im Gebiet zu halten, die Regeneration der südlichen Flächen zu ermöglichen und den Abstrom aus dem Norden zu verringern. Das nahe gelegene Brzezinskie-Moor war noch stärker von der Entwässerung betroffen. Nach Anlage eines Fanggrabens in den 1970er Jahren, um das Moor für eine Torfnutzung erschließen zu können, hat das etwa hundert Hektar große Moor seinen Charakter fast völlig verloren. Etliche Kiefern fassten Fuß und überwuchsen das Moor. Offene Moorflächen sind nur noch auf wenigen hundert Quadratmetern zu sehen. Durch den vollständigen Verschluss des Fanggrabens soll der Wasserspiegel nun aber wieder deutlich angehoben werden.

Das Moor Slowinskie Blota - befindet sich im etwa 200 Hektar großen Naturschutzgebiet Slowinskie Bloto und wird von malerischen baltischen Buchenwäldern umrahmt, in denen noch der Schreiadler brütet. Auch dort wurden bereits im Jahr 2009 Entwässerungsgräben verschlossen und es stellte sich auch in diesem Fall heraus, dass weitere Grabenverschlüsse nötig sind, um das Wasser ausreichend im Gebiet zu halten. Das Projekt soll bis zum Jahresende 2017 abgeschlossen sein.

Der neu gegründete Internationale Moorschutzfonds des NABU nimmt mit Durchführung der ersten praktischen Umsetzungsprojekte nun richtig Fahrt auf. Perspektivisch sollen vor allem Modellprojekte gefördert werden, die als Beispiel für größer angelegte Renaturierungs- und Restaurationsvorhaben dienen können.


Tom Kirschey koordiniert in der NABU-Bundesgeschäftsstelle den Internationalen Moorschutzfonds, Pawel Pawlaczyk ist bei der Naturschutzorganisation "Klub Przyrodnikow" tätig und leitet dort die Moorschutz- und -renaturierungsprojekte.


Buchtipp

Moore sind faszinierend, sie prägen große Landschaften in Brandenburg und Berlin, werden durch den Menschen genutzt und sind nur noch zu zwei Prozent naturnah. In diesem Buch werden sie aus verschiedenen Richtungen beleuchtet.

Moore in Brandenburg und Berlin, Vera Luthardt, Jutta Zeitz (Hrsg.), 384 Seiten, Hardcover, 17 x 24 cm, vollfarbig, zahlreiche Bilder, Grafiken, Tabellen, Diagramme,
Natur+Text 2014, ISBN: 978-3-942062-13-8, Preis: 39,90 Euro.

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Quelle:
naturmagazin, 29. Jahrgang - Nr. 4, Nov. 2015 bis Jan. 2016, S. 30-33
Herausgeber: Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
Naturschutzfonds Brandenburg/Naturwacht
Natur & Text GmbH
Redaktion: Natur & Text GmbH
Friedensallee 21, 13834 Rangsdorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2016

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