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MASSNAHMEN/305: Wie kommt der Lachs nach Basel - eine endlose Geschichte? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1146, vom 07. Aug. 2019 - 38. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Wie kommt der Lachs nach Basel - eine endlose Geschichte?


Wie schon viele Jahre zuvor stand auch auf der diesjährigen Plenarsitzung der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) die Frage im Mittelpunkt, wie man dem Lachs und anderen "Wanderfischen" den Weg in die Eidgenossenschaft ebnen könnte. Anstatt hierzu die noch notwendigen Fischtreppen an den Kraftwerken im Oberrhein zu bauen, hatte Frankreich Jahr für Jahr vorgeschlagen, den Lachs mittels eines "mobilen Fischpasses" nach Basel zu bringen (s. RUNDBR. 1133/1-4). Dazu sollten die Lachse an der Staustufe Rhinau abgefangen und in ein Tankschiff geladen werden. Im Tanker wäre es dann für die "Langdistanzwanderfische" über die Staustufe Marckolsheim (in Höhe des Kaiserstuhls) in den sogenannten "Restrhein" bei Breisach gegangen. Über den 45 km langen "Restrhein" hätten die Lachse dann die vier weiteren Staustufen im Grand Canal d'Alsace "umschwimmen" können, um schlussendlich über eine neu gebaute Fischtreppe am Stauwehr Märkt kurz unterhalb von Basel den Weg in die Schweizer Laichgewässer zu finden. Das einhellige Votum aller anderen Delegationen gegenüber dem französischen Vorschlag: Die Transportlösung habe nichts mit einer ökologischen Durchwanderbarkeit zu tun! Und im Übrigen sei der Eidgenossenschaft auf der letzten Internationalen Rheinministerkonferenz im Oktober 2013 mit Zustimmung Frankreichs erneut das Versprechen gegeben worden, dass der Lachs spätestens im Jahr 2020 ankommen werde.

Die französische Delegation hatte seither auf jeder IKSR-Plenarsitzung stoisch die »Klassenprügel« der anderen Delegation über sich ergehen lassen - aber weiterhin an der preisgünstigen Transportlösung festgehalten. Die IKSR-Plenarsitzung im Juli 2018 in Solothurn endete dann mit dem Zugeständnis der französische Delegation, vom "mobilen Fischpass" Abschied zu nehmen. Es war aber in Solothurn offen geblieben, welche Idee Frankreich an Stelle der Transportlösung aus dem Hut zaubern würde.

DAS Jahrhundertprojekt für den aquatischen Naturschutz am Rhein

Auf der IKSR-Plenarsitzung am 4. und 5. Juli 2019 hoch oben in den Liechtensteiner Alpen wurde das Geheimnis von der französischen Delegation gelüftet: Statt dem Bau von weiteren Fischtreppen favorisiere man in Frankreich eine Revitalisierung der sogenannten "Schlingenabschnitte" des Oberrheins zwischen dem Kaiserstuhl und Strasbourg: Die dortigen Restrheinstrecken sollen miteinander verbunden, mit einem deutlich höheren Mindestwasserabfluss dotiert und revitalisiert werden. Die Hochwasserdeiche sollen zurückgenommen und der Rhein wieder in die Breite gehen dürfen. Durch die zugelassene Seitenerosion könnte sich ansatzweise wieder die früher vorhandene Furkationsaue entwickeln. Die Furkationsaue als weitverzweigtes System von Rheinarmen und Inseln war durch die Tullasche Rheinbegradigung im 19. Jahrhundert beseitigt worden. Durch das in Liechtenstein vom französischen Wasserdirektor präsentierte Biodiversitätsprojekt könne ein naturnaher Rheinabschnitt von fast 100 km Länge entstehen. Eine Realisierung dieser "Schlingenlösung" wäre auch nach Auffassung der Umwelt-NGOs mit Beobachterstatus in der IKSR die Revolution im aquatischen Naturschutz.

Was ist der Haken am französischen Biodiversitätsplan am Oberrhein?

Dass Frankreich mit seinem grandiosen Biodiversitätsplan "Lebendiger Rhein" weiterhin auf Ablehnung aller anderen Delegationen von Liechtenstein und Österreich im Süden über Deutschland und Luxembourg bis zu den Niederlanden im Norden stößt, hat zahlreiche Gründe. Grundsätzlich loben alle Delegationen den Plan, die Restrhein-Abschnitte in den "Schlingen" wieder zu "entfesseln". Aber Frankreich liefere keine befriedigende Erklärung, wie denn damit die Durchgängigkeit des südlichen Oberrheins für die "Langdistanzwanderfische" gewährleistet werden könne. Grundsätzlich wurde moniert, dass der Biodiversitätsplan ignoriere, dass sich die Fische bei ihrer Wanderung flussaufwärts an der stärksten Strömung orientieren würden - und die gehe mit 1.500 Kubikmeter pro Sekunde durch die Kanalabschnitte, während in den parallel verlaufenden Restrheinabschnitten nur 15 Kubikmeter pro Sekunde herumschwappen würden. Die Kritik mündete in die drohende Andeutung eines maßgeblichen Delegierten: "Frankreich wird ein Problem bekommen, wenn der Lachs nicht nach Basel kommt!" Auch die deutsche Delegation pochte darauf, dass die klaren Vereinbarungen von "Bonn 2007" und von "Basel 2013" einzuhalten seien - ebenso wie die Verpflichtungen, die sich für die französische Politik aus der EG-Wasserrahmenrichtlinie ergeben würden. Frankreich würde an den innerfranzösischen Flüssen hervorragende Beispiele zur Schaffung der Durchgängigkeit abliefern. Dass müsse jetzt endlich auch am Oberrhein umgesetzt werden. Und die niederländische Delegation brachte die anstehende Rheinministerkonferenz am 13. Februar 2020 ins Spiel: "Für die Rheinministerkonferenz muss es ein klares Ziel bleiben, dass der Lachs ohne weitere Verzögerung nach Basel kommt!" Der Vertreter der EU-Kommission brachte seine Sorge zum Ausdruck, dass durch den französischen Kurs, die Vorgaben der WRRL nicht eingehalten werden könnten - und zwar nicht nur am französischen Oberrheinabschnitt, sondern auch an den südbadischen Rheinzuflüssen: "Es darf keine Planung geben, die zu Lasten der Umsetzung der WRRL in Deutschland gehen könnte!"

Die österreichische Delegation forderte ebenfalls die strikte Einhaltung politscher Vereinbarungen ein. Denn Kraftwerksbetreiber an anderen großen Europäischen Flüssen würden die Entwicklung am Oberrhein aufmerksam beobachten: "Es kann negative Auswirkungen über den Rhein hinaus haben, wenn der Lachs nicht nach Basel kommt", so die Mahnung des österreichische Delegationsleiters an seinen französischen Kollegen.

Die Luxemburger Delegation sprach den französischen KollegInnen ebenfalls ins Gewissen: "Am Rhein als dem europäischsten Fluss muss das richtige Zeichen gesetzt werden." Der französische Wasserdirektor wiederholte gleichwohl ungerührt seine Positionierung: Man sei in Frankreich nur dann bereit, 200 Mio. Euro in den Bau von weiteren Fischtreppen zu investieren, wenn man "absolut sicher" sei, dass die Fischtreppen auch hinreichend funktionieren würden. Daraufhin entgegnete der Schweizer Delegationsleiter, dass die französische Delegation mit der Geringschätzung der Lachse offensichtlich die Funktion der Lachse im oberrheinischen Ökosystem noch nicht so richtig verstanden habe. Es gehe nicht allein darum, dass der Lachs in Basel ankommt, sondern die Lachse würden eine Veränderung der Lebensgemeinschaften im Rhein triggern und prägen. "Der Lachs hat eine Funktion im Ökosystem", betonte der Delegationsleiter aus der Eidgenossenschaft. Er fügte hinzu, dass man in der Schweiz den Neubau und die Optimierung von rund 1000 Fischpässen schon in Angriff genommen habe bzw. plane - das alles, damit der Lachs und andere Langdistanzwanderfische künftig ihre Funktion in den schweizerischen Fließgewässerökosystemen wahrnehmen könnten.

Die niederländische Delegation plädierte für ein "learning by doing" - anstatt erst "1000 weitere Analysen" über die Funktionsfähigkeit und Effizienz von Fischtreppen an den großen Staustufen im Oberrhein abzuwarten.

Am Schluss der Debatte war man sich einig, dass man sich uneinig sei. Zwar würden alle Delegationen vordergründig sowohl die "Schlingenlösung" als auch die Durchgängigmachung des Rheinhauptstroms "zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität" unterstützen. Der Dissens bestehe aber darin, dass Frankreich zwar seine Verpflichtungen zur Rückkehr des Lachses nach Basel "bestätigen" würde, dass Frankreich aber "gleichzeitig die Wirksamkeit der Fischpässe im Rheinhauptstrom in den nächsten fünf Jahren [noch] genauer untersuchen" lassen wolle. Die unterschiedlichen Sichtweisen würden jetzt den weiteren Verhandlungen bis zur anstehenden Rheinministerkonferenz am 13. Febr. 2020 in Amsterdam zu Grunde gelegt.

"Lachs 2020 in Basel": Die NGO-Front bröckelt

In der Schweiz engagiert sich der dortige WWF seit vielen Jahren mit Personal, Geld und Kampagnen für eine Rückkehr des Lachses nach Basel. Demzufolge erklärte auch der Vertreter des WWF Schweiz auf der Plenarsitzung der Internationalen Rheinschutzkommission (IKSR) am 4. Juli 2019 hoch oben in den Liechtensteiner Alpen, dass es nicht um ein "entweder-oder" gehen dürfe. Zulässig sei nur ein "sowohl-als-auch". Die "Schlingenlösung" und die Durchgängigmachung der Reinstaufstufen Rhinau, Marckolsheim und Vogelgrün müssten parallel angegangen werden. Hierzu müsse für die anstehende Rheinministerkonferenz ein "ehrgeiziges Ziel" mit strikten Zeitvorgaben erarbeitet werden. Dem hatten sich auch die deutschen Umwelt-NGO-VertreterInnen angeschlossen. Von uns wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Schlingenlösung die von Frankreich versprochene Durchgängigmachung der Schlingen nicht gewährleisen könne. Denn am Anfang jeder der drei Schlingen würde eine große Wehranlage stehen, die das Rheinwasser in den jeweiligen Kanalabschnitt ableiten würde. Für ein Durchgängigmachung müsse man an diesen zehn Meter hohen Wehranlagen ebenfalls Fischtreppen oder Umgehungsgerinne bauen. Die seien ähnlich teuer wie die bis jetzt geplanten Fischtreppen an den Kanalrkaftwerken - und man müsse mit ähnlichen Unwägbarkeiten bei der Effizienz rechnen. Die Wirksamkeit der Fischtreppen an den Wehranlagen werde darüber hinaus aber noch in Frage gestellt, weil im Vergleich zu den Kanalkraftwerken über die Schlingen deutlich weniger Rheinwasser abfließen würde. Eine andere Sichtweise wurde von Alsace Nature vertreten. Alsace Nature (AN) ist die mit Abstand größte Umweltvereinigung im Elsass und vertritt am Oberrhein auch die Positionierung der anderen französischen Umweltverbände. Der Vorsitzende von Alsace Natur erinnerte da-ran, dass auch die elsässischen Gewässerschützer sich über viele Jahre hinweg für den Bau von weiteren Fischtreppen an den Rheinstaustufen eingesetzt hätten. Aber die heutige Zeit sei geprägt von der Klima- und der Biodiversitätskrise. Beide Phänomene würden liebgewonnene Gewissheiten und tradierte Überzeugungen in Frage stellen (siehe Kasten) Die Forderung nach einer sofortigen Durchgängigmachung der drei Kanalkraftwerke müsse deshalb nochmals überdacht werden. Ebenso wie die französische Delegation stellte auch der AN-Vorsitzende die Effizienz der bisher gebauten Beckenpässe an den Kanalkraftwerken in Frage. Nicht das dogmatische Beharren auf "Lachs 2020 in Basel", sondern ein Quantensprung in der Biodiver-sität in Folge der "Schlingenlösung" sei jetzt das Gebot der Stunde.

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Hat der Lachs überhaupt noch eine Chance?

Die "Lachsskeptiker" gehen davon aus, dass der am Ende der Eiszeit ins Rheineinzugsgebiet eingewanderte Lachs als "Kaltwasserfisch" möglicherweise den zunehmend höheren Rheinwassertemperaturen im Gefolge des Klimawandels gar nicht mehr gewachsen sei. Hinzu käme, dass wegen der sich mehrenden Dürreperioden die ursprünglichen Laich- und Jungfischhabitate in den Rheinzuflüssen zunehmend austrocknen würden. Ferner sei die bis jetzt zu Grunde gelegte Effizienz der Fischtreppen von rund 90% illusorisch. Tatsächlich würden allenfalls 70 Prozent der Fische die Fischtreppen nutzen. Bei sechs oder sieben hintereinander folgenden Fischpässen würden an der rheinobersten Fischtreppe nur noch kümmerlich wenige Langdistanzwanderfische ankommen. Und bei der Abwärtswanderung der Smolts (der Junglachse) würde es bei sieben Turbinendurchgängen ebenfalls zu gravierenden Bestandseinbußen kommen. Insofern solle man sich die von der Vorstellung von sich selbst reproduzierenden Lachsbeständen im Einzugsgebiet des südlichen Oberrheins langsam mal verabschieden.
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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1146
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2019

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