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MASSNAHMEN/214: Wer schwimmt denn da? Die Renaturierung hilft der Fischwelt der Havel (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/15
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Wer schwimmt denn da?
Die Renaturierung hilft der Fischwelt der Havel.

von Nele Rißmann


In einem Fluss sind Fische, klar. Anhand des Flussabschnitts, von Größe und Struktur des Flusses kann man sogar recht gut einschätzen, welche Fischarten sich wo tummeln. Aber wie bekommt man Fische zu Gesicht, bekommt Gelegenheit, sie näher kennenzulernen? Wer nicht gerade Taucher ist, hat es da schwer. Rapfen, Bach-Neunauge oder Schlammpeitzger sagen deshalb vielen Naturfreunden nur wenig. Dabei sind dies wie Großes Mausohr, Luchs, Kammmolch oder Hirschkäfer sogenannte FFH-Arten. Sie genießen EU-weit besonderen Schutz und als Arten "von gemeinschaftlichem Interesse" müssen für sie ausreichend Schutzgebiete geschaffen werden. An der Havel erhalten sie durch die Renaturierung wieder eine Chance.

Nachts im Museum

Wie war das mit dem alten Spruch "Nur was man kennt, das schützt man"? Da hilft ein Besuch im Naturkundemuseum Potsdam, denn dort lässt sich nicht nur ausgestopfte Natur bewundern, sondern in einem 30.000-Liter-Aquarium quicklebendig auch 40 heimische Fischarten. Nicht alle sind Havelfische, aber viele davon.

Star des Aquariums ist "Weline", ein 1,75 Meter langer Wels. Weline ist also eine Verwandte von Wilma Wels, dem BUGA-Maskottchen, und schon mehr als 25 Jahre alt. Welse, auch Waller genannt, sind die heimlichen Unterwasserherrscher der Havel. Sie können bis zu drei Meter groß werden.

Welse sind Raubfische, die sich gerne am Flussgrund aufhalten, aber nicht nur, wie auch die Potsdamer Museumsbiologen erfahren mussten. Vor einigen Jahren setzten sie einen Schwarm von Binnenstinten, eine einst häufige und heute seltene Art, zu Weline. Am nächsten Morgen gab es von den Kleinen keine Spur mehr.

Reichlich Hechte und Barsche

Für Welse ist die Untere Havel ein idealer Lebensraum. Ihre Strukturansprüche sind ohnehin nicht allzu hoch. Durch die reduzierte Gewässerunterhaltung haben sich zudem bereits jetzt an vielen Stellen Sandbänke und Untiefen gebildet, auch die Verkrautung hat zugenommen. Auch andere Raubfische wie Hecht und Flussbarsch profitieren bereits, ihre Bestände sind deutlich gestiegen. Mit dem teilweisen Entfernen der Uferbauwerke wird sich der Effekt verstärken, Flachwasser mit Schilfstreifen werden entstehen. Viele Arten benötigen nicht nur den Fluss, sondern auch die angrenzende Aue. Überschwemmte Wiesen sind wichtige Fortpflanzungsorte. Im idealerweise einen halben Meter hoch stehenden, sauerstoffreichen und sich rasch erwärmenden Wasser wächst der Nachwuchs gut heran - muss dann aber wieder in den Fluss zurück. Durch die Verbauung ist den Fischen bei sinkendem Hochwasser aber oft der Weg versperrt. Der NABU wird mit seinem Projekt zahlreiche Flutrinnen öffnen, so dass die Durchgängigkeit wieder gewährleistet ist. Der Anschluss von Altarmen wird zudem ruhige Fließgewässer abseits des Hauptstroms schaffen, die vielen Fischarten lange vermisste Nischen bieten.

Frühjahrs-Wassermangel

Ein Faktor am Anfang der Nahrungskette setzt allerdings Grenzen. Denn - Fluch der guten Tat - der Nährstoffgehalt hat aufgrund der modernen Kläranlagen stark abgenommen. Das führt zu einer Reduzierung der Kleinlebewesen. Die Menge der Wasserflöhe etwa liegt in den hochwassergespeisten Auengewässern noch bei einem Tausendstel früherer Werte. Erhebliche Probleme haben zudem Fische, die im Laufe ihres Lebens den gesamten Fluss entlang wandern, Arten wie Aal oder Lachs schwimmen sogar ins Meer und nach Jahren wieder zurück. Doch zahlreiche Wehre versperren ihnen den Weg, und an der Havel sind diese Wehre heute im Frühjahr wesentlich länger geschlossen als früher. Die Havel hat weniger ein Hochwasser- als ein Niedrigwasserproblem. Im Frühjahr führt sie inzwischen rund 40 Prozent weniger Wasser als noch 1990. Das mag teils klimatische Ursachen haben, jedenfalls bringt die Spree als dominanter Neben immer weniger Wasser heran. Hochwässer wie 2013 sind an der Havel heute die Ausnahme - zumal dies primär ein Elbhochwasser war, bei dem die Havel als Rückstauraum diente.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/15, Seite 36-38
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2015

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