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JAGD/035: Jagd reformieren - Wald vor Wild (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Jagd reformieren
Wald vor Wild

Von Ulrich Mergner


Viele Wälder werden zu stark von Rehen oder Hirschen verbissen. Sie können sich kaum noch natürlich verjüngen, ihre biologische Vielfalt sinkt, sie werden instabil. Eine Änderung des Bundesjagdgesetzes ist deshalb überfällig.

Grundlage für das Leben ist die grüne Pflanze. Je mehr Pflanzenarten, umso größer der Artenreichtum. Stirbt eine Pflanzenart aus, verschwinden auch die Arten, die an ihr leben. Dass unsere Wälder unter starkem Wildverbiss leiden, belegen Jahr für Jahr einschlägige Inventuren. Selektiver Verbiss von Eichen, Edellaubbäumen und Tannen führt dazu, dass diese Baumarten schleichend aus den Wäldern verschwinden.

Besonders an der Eiche leben viele Arten. Über 400 Schmetterlings- und andere Insektenarten tummeln sich in ihrer Krone. Auch für Käfer, die im Holz leben, sind Eichen wichtig. In ihrem Stamm können sich Großhöhlen ausbilden, mit Raritäten wie dem Eremit.

Die bodennahe Flora leidet ebenfalls unter dem Verbiss. Fehlt die Strauchschicht, verschwinden Waldvögel wie die Gartengrasmücke, deren Nest vom Unterwuchs geschützt wird. Und Hasenlattich oder Weidenröschen können nur bei voller Entwicklung Stickstoff aus der Luft binden. Doch weil die Waldkräuter den Rehen so gut schmecken, bleiben sie oft klein oder sterben ab.

Kein Wunder, dass starker Wildverbiss Wälder instabil werden lässt. Artenarmut lässt das ökologische Netz löchrig werden. Monokulturen sind das Ergebnis. Kann sich ein Wald nicht mehr von selbst verjüngen, ist dies in Zeiten des Klimawandels besonders fatal: Die nötige Umwandlung in Richtung Laubwald gelingt dann nur noch im Schutz teurer Zäune.


BUND fordert andere Jagd

»Wald vor Wild« fordert deshalb der BUND. Der Bayerische Landtag hat diesen Grundsatz inzwischen ins Gesetz geschrieben. Wobei es weniger um das Wild als um die Jagd geht - eine Jagd, die sich im Selbstverständnis etlicher Jäger noch immer nicht von der Tradition der Feudaljagd gelöst hat. Eine Jagd, die einzelne Arten auf Kosten Tausender anderer hegt. Eine Jagd, die am Trophäenkult festhält und den Abschuss von Rehböcken ohne Gehörn mit Bußgeld ahndet. Eine solche Jagd gehört dringend reformiert.

Und tatsächlich gibt es hoffnungsvolle Entwicklungen. Seit über 20 Jahren organisieren sich verantwortungsbewusste Jäger im ökologischen Jagdverband (ÖJV). Zunächst von den Jägerkollegen belächelt, ist der ÖJV heute ein Gesprächspartner, der von der Politik ernst genommen und von den Umweltverbänden unterstützt wird.

Es gilt nämlich noch mehr Relikte der Feudaljagd aus dem Jagdrecht zu streichen. So finden sich über 100 Tierarten im Jagdgesetz. Dazu gehören Wisent, Fischotter oder Luchs, obwohl sie keine Jagdzeit haben und bei uns bereits vor Jahrhunderten ganz oder fast ausgerottet wurden.


Neue Strategie überfällig

Die herkömmliche Jagd muss deshalb gründlich hinterfragt werden. Störungen durch die Jagd müssen verringert, Einzel- und Bewegungsjagd effektiver werden. Unsere langen Jagdzeiten gehören auf den Prüfstand. Solange bei einem toten Rehbock im Winter die Polizei ermittelt, wird die Bewegungsjagd uneffektiv bleiben. Weitere Ungereimtheiten sind zu klären: Warum veranstaltet der Staat Trophäenschauen? Sind Bezahljagden mit angepassten Wildbeständen vereinbar?

Auch das Bundesamt für Naturschutz hat sich jüngst in den seit vielen Jahren schwelenden Wald-Wild-Konflikt eingeschaltet. Eindrucksvoll dokumentiert sein Gutachten die Schäden durch zu hohe Schalenwilddichten und macht detaillierte Lösungsvorschläge.

Der BUND setzt sich für eine Jagdreform ein. Verweigern sich die traditionellen Jagdverbände einer Weiterentwicklung der Jagd, werden Gesellschaft und Politik die Jagd nach und nach ohne die Jäger neu regeln. Besser wäre es, diese würden die Jagdpraxis mitgestalten und gemeinsame Lösungen entwickeln.

Ulrich Mergner ... ist der Sprecher des BUND-Arbeitskreises »Wald« und Forstbetriebsleiter im fränkischen Ebrach.

Mehr über die Position des BUND zur Jagdreform unter www.bund.net/jagd


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Rehe sind Kulturfolger. Reichliche Nahrung auf den Feldern, Hege und fehlendes Raubwild haben ihre Zahl stark anwachsen lassen.


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Quelle:
BUNDmagazin 3/2010, S. 19
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2010