BUNDmagazin - 3/2017
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany
Rheinzufluss Sieg
Gebt ihr mehr Raum!
von Severin Zillich
Die Sieg zählt zu den letzten naturnahen Nebenflüssen des Rheins. An vielen Stellen ihres Unterlaufs setzt sich die Kreisgruppe Rhein-Sieg dafür ein, Fluss und Aue wieder in einen vielfältigen und dynamischen Lebensraum zu verwandeln.
Es ist einer der ersten richtig heißen Tage im Jahr. Achim
Baumgartner bietet sich das erwartete Bild: Alle Kiesflächen im
Mündungsbereich der Sieg sind dicht belegt. Beinahe Schulter an
Schulter liegen die Leute in der Sonne, kaum ein Fleckchen Kies bleibt
ungenutzt. Viele Menschen suchen Abkühlung im Fluss, dazu treiben
Schlauchboote und Kanus vorbei.
Wer wollte es den Leuten verübeln? Die flachen Uferpartien der Sieg laden ja wirklich zum Baden ein. Es ist schön grün hier, eine der wenigen Oasen im Rheintal nördlich von Bonn.
Doch die Sieg bietet auch eine der letzten naturbelassenen Flussmündungen im gesamten Rheinverlauf. Hier stehen noch Reste eines Auwaldes mit Eichen, Ulmen und Eschen - von dem in ganz NRW nur noch 200 Hektar existieren. Flussaufwärts bis Siegen ist der Fluss als europäisches Fauna-Flora-Habitat-Gebiet ausgewiesen, auf über 2220 Hektar. Schwarzmilan und Gänsesäger brüten hier, und für den Schutz von Wanderfischen wie Lachs und Aal ist die Sieg mit ihren Nebengewässern der landesweit bedeutendste Fluss. Zudem bildet sie einen natürlichen Verbund zwischen Bergischem Land und Rheintal.
Dennoch ist es um den Naturschutz an der Sieg schlecht bestellt: So blockieren Kommunen und Landwirte eine Verlegung der Deiche, die dem Fluss mehr Raum gäbe. Zudem fördert das Land mit Millionen Euro die Wasserkraft. Die Kreisverwaltung forciert neue Brückenbauten, und in der Flussaue sind sogar neue Gewerbeflächen geplant.
Nicht der Naturschutz, sondern touristische Bauprojekte werden vorangetrieben. Entsprechend steht der FFH-Managementplan noch immer aus. Einziger Lichtblick sind erste Renaturierungen nach Maßgabe der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Doch im Zweifelsfall ist jeder sumpfige Sportplatz, jeder Maisacker oder Spazierweg wichtiger als das Großschutzgebiet.
An schönen Sommertagen verwandelt sich die Sieg gerade am Unterlauf in ein einziges (illegales) Strandbad, Schlauchboote und Kanus dringen bis in die letzte Flussschlaufe vor. Viele besondere Arten, denen die Sieg einst Lebensraum bot, sind bereits verschwunden: Vögel wie Blaukehlchen und Flussregenpfeifer, aber auch Libellen und andere spezialisierte Kleintiere.
Die Kreisgruppe Rhein-Sieg des BUND wehrt sich seit Jahren gegen die notorischen Mängel und Rechtsverstöße. Als mitgliederstärkste Kreisgruppe Nordrhein-Westfalens (mit über hundert ehrenamtlich Aktiven) ist sie sehr gut aufgestellt. Ihr Sprecher, der Landschaftsarchitekt Achim Baumgartner, hadert mit der Ignoranz und Trägheit der kommunalen Verwaltung, was die »Gemeinwohlaufgabe Naturschutz« betrifft. Er pocht darauf, dass die FFH-geschützte Sieg endlich einen Managementplan erhält. »Wir müssen das natürliche Potenzial der Sieg ausschöpfen und als Kernqualität in den Fokus rücken.« Dürfe sie ihre Dynamik erst auf größerer Fläche entfalten, ließe sich auch der Andrang der Badegäste besser steuern und verkraften.
Die Kreisgruppe fordert nicht nur, sie packt selbst an. So widmet sie sich seit Jahrzehnten dem Schutz von zwei extrem raren Tagfaltern, dem Hellen und Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Gemeinsam mit der privaten Maculinea-Stiftung betreut und optimiert sie deren Lebensraum, feuchte Wiesen in der Siegaue.
Seit vergangenem Herbst lässt sie (gefördert von der Bezirksregierung Köln) zwölf Hektar Auwiesen von Gallowayrindern beweiden. Um der bäuerlichen Landwirtschaft eine Perspektive zu geben und die natürliche Vielfalt zu fördern, unterstützt sie weitere Beweidungsprojekte entlang der Sieg. Am 1. Juli hat sie ein eigenes »Wiesen- und Weidenzentrum« gegründet.
Zudem sammelt sie alle Beobachtungen von Weiß- und Schwarzstörchen und schafft neue Nistmöglichkeiten. Aktiv ist sie auch für die Gelbbauchunke, die sich an der Sieg noch in größerer Zahl findet. Sie erwirbt deren Lebensräume und beteiligt sich am Schutz der Art. Auch arbeitet sie daran, isolierte Vorkommen zu verbinden. Etwa das in der ehemaligen Tongrube Niederpleis, das sie über eine Grünbrücke wieder an die Siegaue anschließen will. Weitere Seltenheiten würden davon profitieren, wie Kreuzkröte, Kammmolch und Zauneidechse.
Für die europarechtlich geschützte Sieg gilt ein »Verschlechterungsverbot«. Doch regelmäßig missachten Bauvorhaben dieses Verbot. Oft bleibt es bei Nadelstichen, mitunter sind die Pläne aber auch hochbrisant. So klagt der BUND derzeit gegen den Neubau einer Radwegebrücke in Hennef. Sie droht auf 210 Meter Länge die Aue zu durchschneiden, mitten in einer großen Entwicklungszone für die Renaturierung der Sieg. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlt bisher.
Schon seit zehn Jahren wehrt sich die BUND-Gruppe gegen eine andere geplante Brücke. In Windeck droht sie einen der ruhigsten Rückzugsorte der Vögel an der Sieg zu zerstören. Gegen alle Argumente des Naturschutzes hält die Kreisverwaltung in Siegburg bisher an ihrem Plan fest.
Hier wie dort werden die europäischen Naturschutzrichtlinien ihre Wirksamkeit beweisen müssen - um eine der wichtigsten grünen Oasen im Ballungsraum Köln-Bonn für die Zukunft zu bewahren.
»Lebendige Gewässer erst 2027? - Neue Impulse braucht das Land!« Unter
diesem Titel veranstaltet der BUND am 15./16. September in Köln die
dritten Naturschutztage am Rhein. Sie sollen für neuen Schwung in der
Gewässerschutzpolitik sorgen. Mehr zur Tagung (plus Exkursion):
www.naturschutztageamrhein.de
Die Konflikte an der Sieg und mögliche Lösungswege skizziert
der BUND Rhein-Sieg in einer Ausstellung.
Mehr dazu: www.bund-rsk.de
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Quelle:
BUNDmagazin 3/2017, Seite 20 - 21
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
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Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Redaktion: Severin Zillich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2017
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