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INITIATIVE/311: Interview - Regenwaldzerstörung auf Borneo für Palmöl (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

tropenwald

(Alb)traum Indonesien

von Nick Meendermann


Für Palmöl wird der tropische Regenwald in Indonesien zerstört. Karolin Welsch hat 2008/2009 fünf Monate auf Borneo gelebt und den Raubbau hautnah miterlebt. Sie hat dort im Rahmen eines Praxissemesters für die Menschenrechtsorganisation "Save our Borneo" (SOB) gearbeitet. Karolin studiert Landschaftsnutzung und Naturschutz an der Fachhochschule Eberswalde.

? Warum hast du dein Praxissemester in Indonesien bei einer Menschenrechtsorganisation absolviert?

! Weil ich gerne in ein Land wollte, das für seine tropische Artenvielfalt bekannt ist. Das gleichzeitig aber auch große Probleme hat, weil diese Artenvielfalt mit dem Lebensraum schwindet. Besonders dichter, unerschlossener Urwald, in dem noch indigene Völker leben und Orang-Utans zu Hause sind, hat mich seit langem schon aus der Ferne beeindruckt.

Ich wollte mich bei einer Menschenrechtsorganisation engagieren, die regelmäßig in Kontakt mit den wirklich betroffenen Menschen steht. Denn für mich steht der Schutz der Rechte der Menschen in direktem Zusammenhang mit dem Schutz der Natur. Die Menschen haben ganz andere Möglichkeiten ihre Umgebung sinnvoll und nachhaltig zu nutzen und damit Habitate und Arten zu erhalten, wenn man ihnen nicht ihr Land unter den Füßen weg zieht.

? Was macht "Save our Borneo" genau?

! Die Organisation recherchiert wie Palmöl produzierende und verarbeitende Betriebe rapide wachsen. Save our Borneo lädt Menschen - auch aus abgelegenen Regionen - ein, damit sie ihre Geschichten erzählen können. Die Mitarbeiter sammeln und veröffentlichen alle Informationen, besuchen nationale und internationale Tagungen, um sich und andere auf dem Laufenden zu halten. Im Vordergrund steht dabei stets die Aufdeckung dubioser Machenschaften wie Landraub und unbegründete Anklagen gegen Menschen, an deren Land die Palmölkonzerne kommen wollen. Dabei ist ihre gängige Praxis, durch Menschen verachtende Maßnahmen Gegner auszuschalten. Das kann zum Beispiel Gefängnisstrafen ohne Verurteilung bedeuten. Wenn die betroffene Person dann wieder frei gelassen wird, ist ihr Land in der Regel bereits gerodet und mit Palmölpfanzen bestellt. SOB versucht in diesen Fällen Rechtsbeistand zu leisten und die Fälle publik zu machen. Es werden auch regelmäßig Workshops abgehalten. Dabei wird zum Beispiel die Jugend oder eine ganze Dorfgemeinschaft eingeladen, um sie mit den Problemen und möglichen Auswegen vertraut zu machen.

? Was hat dir besonders an Borneo/Indonesien gefallen?

! Die Menschen und wie herzlich sie miteinander umgehen, ... und dass sie auch mich ab dem ersten Moment mit dieser Herzlichkeit aufgenommen haben.

? Welches sind die Hauptprobleme dort?

! Das Hauptproblem ist die Korruption. Die Zerstörung der Wälder für den Palmölanbau, die Bereicherung der Reichen und Ausbeutung der -rmsten wird erst in diesem Ausmaß möglich, weil Politik, Polizei und Militär auf so unfaire Weise zusammen arbeiten. Außerdem ist die Aufklärung über Umweltprobleme praktisch nicht vorhanden.

? Wie ist die Situation der Menschen in Indonesien?

! Sie haben sich wohl oder übel mit ihren neuen Lebenssituationen arrangiert. Viele haben keine Wahl. Aber ihre Lage ist sehr traurig. Menschen werden dort ihres Landes und damit ihrer Lebensgrundlagen beraubt, im Tausch gegen eine Tagelöhnerarbeit. Besonders auf den gerodeten Flächen der Moorgebiete hat sich herausgestellt, dass sie oft nicht zum Anbau der geplanten Kultur geeignet sind und dann brach liegen.

? Welche Konzerne sind dort aktiv?

! Vor allem Wilmar. Das ist weniger ein einzelner Konzern als vielmehr ein Zusammenschluss vieler Palmölfabriken. Sie haben den weitaus größten Marktanteil und beliefern namhafte Hersteller wie Unilever und Nestlé, die überall auf der Welt produzieren und vermarkten.

Wilmar rodet Land, pfanzt auf Millionen Hektar Ölpalmen, erntet die Früchte, verarbeitet sie und liefert das Öl als Grundbestandteil für zahlreiche Produkte in alle Welt (z.B. Rama, Langnese, Pfanni, Lätta, Dove, Signal, Coral, Knorr).

Viele der Palmölfirmen bauen Schulen. Gerade Oberschulen gäbe es ohne die Konzerne so gut wie gar nicht. Ich habe den Verdacht, dass diese Institutionen vor allem dazu dienen, die Eltern und letztlich die Kinder und Jugendlichen an ihren potentiellen Arbeitgeber zu binden. Die Schüler müssen Praktika in den Ölfabriken absolvieren und werden so frühzeitig auf ihre Arbeit in den Firmen vorbereitet, die ihnen und ihren Familien zuvor die Lebensgrundlage, sprich Wald und Land, geraubt haben.

? Welche Vorschläge für die Lösung der Probleme hast du?

! In erster Linie müssen die Menschen umfassend aufgeklärt werden - und zwar sowohl in Indonesien als auch in den Industriestaaten. Ich glaube, dass vor allem jene Staaten die größte Verantwortung tragen, die Produkte aus Indonesien kaufen. Ich kann zum Beispiel nicht begreifen, dass Deutschland den viel diskutierten "Biosprit" einkauft und sogar gesetzliche Mindestanteile festlegt und damit direkt Raubbau am Tropenwald betreibt. Dem "Biosprit" würde ich den Hahn zudrehen. Weiter ist es sehr wichtig, den Menschen in Indonesien einen verbesserten Zugang zu unabhängiger Bildung zu ermöglichen sowie Korruption und Armut zu bekämpfen.

? In welcher Hinsicht haben dich die Erlebnisse in Indonesien verändert?

! Ich glaube, dass ich jetzt offener aber auch kritischer durch die Welt gehe. Nach meinem Aufenthalt in Indonesien sind mir jetzt ganz andere Dinge wichtig geworden.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich nach meinen Erlebnissen in Indonesien wenig Hoffnung habe, dass der Regenwald und mit ihm seltene Arten wie der Orang Utans langfristig überleben können. Wenn sich jetzt nicht ganz schnell etwas ändert, dann wird die Holzlobby viel schneller den Tropenwald zerstören als die Proteste und das Engagement der Umweltorganisationen etwas dagegen tun können. Ich möchte auf keinen Fall sagen, dass alles Engagement vergebens ist. Ich bin dankbar für jeden Einsatz der engagierten Organisationen, aber ich habe häufg einfach Angst, dass die Welt bei der Verfolgung von Priorität Nummer 1, der Gewinnmaximierung, vergisst, was wirklich wertvoll ist.

Nick Meendermann studiert Landschaftsnutzung und Naturschutz in Eberswalde


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Plantagen fressen sich in den Tropenwald
- Save our Borneo-Mitarbeiter nach einem Workshop
- Karolin Welsch (Mitte) engagiert sich bei Save our Borneo


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009, S. 34-35
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2009