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FORSCHUNG/263: "Fußabdrücke" von Pestiziden in Gewässern - SPEAR spürt sie auf (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter September 2009

"Fussabdrücke" von Pestiziden in Gewässern - SPEAR spürt sie auf


Wenn Pflanzenschutzmittel in Gewässer gelangen, hinterlassen sie Spuren - unter anderem bei den dort anzutreffenden Tieren. Diesen Umstand haben sich die Forscher des UFZ-Departments System-Ökotoxologie zu Nutze gemacht und ein Instrument entwickelt, mit dem der Einfluss von Pestiziden auf Lebewesen und die Qualität des Wassers, in dem diese ihren Lebensraum haben, nachgewiesen werden kann. "SPEAR - das ist die Abkürzung für SPEcies At Risk - spürt die 'Fußabdrücke' auf, die Pestizide dadurch hinterlassen, dass sie charakteristische Änderungen in der Zusammensetzung der jeweils betroffenen Lebensgemeinschaft bewirken", erklärt PD Dr. Matthias Liess.

Mit ihrem Ansatz haben die UFZ-Wissenschaftler Neuland betreten und stellten fest, dass kein Riesenaufwand nötig ist, um die Wirkung von Pestiziden auf das Ökosystem darzustellen. "Man muss lediglich ermitteln, welche und wie viele Tiere wie etwa Insekten und Krebse an einer bestimmten Stelle des Flusslaufs zu finden sind", veranschaulicht Liess. Mit Hilfe dieser Daten kann leicht nachgewiesen werden, wieviel Pflanzenschutzmittel in die Gewässer gespült worden sind und wie die ökologischen Auswirkungen zu bewerten sind. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die UFZ-Forscher endlich ein Werkzeug in der Hand haben, mit dem auch Langzeitfolgen von solchen Pestizideinträgen aufgezeigt werden können. "Bisher war es sehr schwierig nachzuweisen, welche chronischen Wirkungen auftreten", so Liess.

Bislang standen nämlich weist nur Verfahren zur Verfügung, mit denen auf einzelne Probleme aufmerksam gemacht werden konnte. Selbst wenn zum Beispiel ein negativer Effekt von Pestiziden auf einzelne Lebewesen im Laborversuch nachweisbar war, so war die Vorhersage der Auswirkung auf komplette Populationen und Artgemeinschaften schwierig. Außerdem fanden biologische Interaktionen dabei bisher kaum Beachtung. Mit SPEAR ist dies nun anders: Ist erst einmal ermittelt, welche und wie viele Tiere wie Insekten und Krebse an einer bestimmten Stelle des Flussläufe zu finden sind - das sind Daten, die den mit der Wasserwirtschaft befassten Ämter in der Regel vorliegen - , kann mithilfe des SPEAR-Rechners sofort die Wasserqualität im untersuchten Gebiet in Bezug auf Pflanzenschutzmittel bestimmt werden. Dazu wird die Datentabelle einfach in den frei zugänglichen Online-Rechner geladen. (Weitere Informationen zum Projekt, vorbereitete Excel-Tabellen zum Download und der SPEAR-Rechner sind im Internet unter www. systemeco/ogy.eu/SPEAR/Start.html zu finden.) Die im Hintergrund ablaufenden Berechnungen beruhen auf den ökologischen Eigenschaften der Organismen. Grundlage des Systems sind regionale Datensätze aus Deutschland, Frankreich, Finnland und West-Sibirien; es wurde aber auch schon in Großbritannien und Australien erprobt. Werden Auffälligkeiten festgestellt, können unmittelbar Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um den weiteren Eintrag von Pflanzenschutzmitteln zu verhindern. "Aber SPEAR geht noch einen Schritt weiter: Es lässt sich außerdem überprüfen, ob unbelastete Gewässerabschnitte die Wirkung der Belastung kompensieren und sich Lebewesen wieder angesiedelt haben", umreißt Liess. Dies sei deshalb von großer Bedeutung, weil so gezeigt werden könne, ob Schutzmaßnahmen gegriffen haben. Zusätzlich hat das neue Werkzeug nach den Worten des Wissenschaftlers einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil: Aufwändige und teure chemische Analysen sind häufig nicht mehr notwendig, und zugleich ist SPEAR nicht nur schnell, sondern obendrein kostenlos.   Jörg Aberger


PD Dr. Matthias Liess
Department Systemökotoxologie

Telefon: 0341/235-1578
e-mail:
matthias.liess@ufz.de
mehr Informationen:
www.ufz.de/index.php?en=3 714

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Das Bachneunauge (Lampetra planeri) ist die einzige in Deutschland vorkommende Neunaugenart der Gattung Lampetra. Das Neunauge ist Symbol für klare Bäche und Flüsse, ist in vielen Regionen Europas verbreitet und gilt als stark gefährdet. Foto: Dieter Florian


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Quelle:
UFZ-Newsletter September 2009, S. 12
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2009