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AUEN/088: Auenmanagement in Zentralasien (AGORA - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ausgabe 2 - 2014

Auenmanagement in Zentralasien

Von Florian Betz u. Ümüt Halik



In einem von der VolkswagenStiftung geförderten Projekt untersuchen Geographen der KU, wie sich Auenökosysteme in Zentralasien ökologisch bewertet lassen und wie vor Ort ein nachhaltiges Auenmanagement durch Forscher und Entscheidungsträger implementiert werden kann.


In den Trockengebieten Zentralasiens haben die Binnenflüsse und ihre Auen eine besondere ökologische Bedeutung. Die Auenvegetation bildet dabei nicht nur einen Hotspot der Biodiversität, sondern erfüllt auch eine Reihe von Ökosystemfunktionen und -dienstleistungen. Abhängig ist diese Vegetation aufgrund der generell geringen Niederschläge vom Schmelzwasser der Gletscher in den Hochgebirgen die diese Region dominieren. Neben dieser Gemeinsamkeit können die Flüsse und die begleitenden Auen jedoch sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Das im Rahmen der Förderinitiative "Zwischen Europa und Orient - Mittelasien/Kaukasus im Fokus der Wissenschaft" von der Volkswagen-Stiftung geförderte Projekt "EcoCAR - Ecosystem Assessment and Capacity Building for Sustainable Management of Floodplains along the Central Asian Rivers Tarim (NW China) and Naryn (Kyrgyzstan)" wird zwei sehr unterschiedliche Flüsse mit durchaus verschiedenen Ökosystemen betrachten, den Naryn in Kirgistan und den Tarim in Xinjiang (NW-China). Entsprechend unterschiedlich sind auch Ökosystemdienstleistungen, die die lokale Bevölkerung in Anspruch nehmen kann.

Im Untersuchungsgebiet am Tarim herrschen hyperaride Bedingungen mit Niederschlägen von weniger als 50 mm/Jahr vor. Die Folge ist eine vollständige Abhängigkeit der natürlichen Auenvegetation, den sogenannten Tugai-Wäldern, vom Flusswasser. Die wichtigste damit verbundene Ökosystemdienstleistung ist der Schutz des dort verlaufenden National Highway 218 vor Sand- und Staubstürmen. Wassermangel aufgrund einer Übernutzung der Wasserressourcen durch die Landwirtschaft bedrohen allerdings heute die Tugai-Wälder in dieser Region. Am Naryn hingegen ist Wasserknappheit kein wesentliches Problem. Allerdings werden dort die Auwälder stark für die Gewinnung von Brennholz sowie als Weideflächen für das Vieh genutzt. Diese Nutzung kann zu Degradation der natürlichen Vegetation führen. Fehlt schließlich die stabilisierende Wirkung der Pflanzen, besteht die Gefahr, dass die Uferbänke erodiert und damit die Habitate der Auwälder zerstört werden. Die wichtigen Ökosystemdienstleistungen sind damit dauerhaft verloren.

Trotz dieser vielfältigen Bedrohungen für die Auenökosysteme gibt es bislang kein funktionierendes Netzwerk aus Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern verschiedener Fachrichtungen, die ihre Erkenntnisse austauschen und gemeinsam an Lösungen für eine nachhaltigere Nutzung der Flussauen erarbeiten. Genau an dieser Stelle setzt EcoCAR an und betrachtet die Auenökosysteme gemeinsam mit lokalen Entscheidungsträgern in einer umfassenden Perspektive. Hierzu arbeiten in den kommenden drei Jahren deutsche, chinesische und kirgisische Wissenschaftler und Entscheidungsträger gemeinsam an einem nachhaltigeren Management für Flussauen. Dabei werden in je einem Untersuchungsgebiet am Tarim (NW-China) und am Naryn (SOKirgistan) Untersuchungen zum Zustand der dort vorherrschenden Ökosysteme durchgeführt und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen bewertet. Basis für diese Forschung sind physiogeographische Untersuchungen im Gelände und sozio-ökonomischen Erhebungen in der Bevölkerung. Anschließend wird eine Kombination aus Fernerkundung und geoinformatischen Methoden für die Übertragung auf eine größere Skala verwendet. Um die Ergebnisse zu implementieren, sind in dem partizipativ angelegten Vorhaben auch die lokalen Entscheidungsträger, wie etwa die Dorfvorsteher von Gemeinden, von Anfang an mit in den Forschungsprozess eingebunden.

Bereits aus dieser kurzen Schilderung wird deutlich, dass EcoCAR über ein reines Forschungsvorhaben hinausgeht und den Schritt zu einem nachhaltig ausgerichteten, transdiziplinären Projekte vollzogen hat. Dabei sollen die Methoden, die für ein nachhaltiges Management der Flussauen notwendig sind, nach Zentralasien gebracht werden. Eine zentrale Rolle hierbei spielen Nachwuchswissenschaftler - also Masteranden und Doktoranden - gemäß dem Leitsatz: "Die Studenten von heute sind die Entscheidungsträger von morgen". Um diese Vision zu verwirklichen, wird ein intensiver Austausch zwischen Kirgistan, China und Deutschland stattfinden. So werden zum Beispiel in den nächsten drei Jahren mehrere Doktoranden aus diesen Ländern zu Gast an der KU Eichstätt-Ingolstadt sein und hier im Bereich der Gastprofessur für Ökosystemforschung, der Angewandten Physischen Geographie sowie im Aueninstitut Neuburg mit an Fragestellungen der Auenforschung arbeiten und dabei modernde europäische Methoden und Sichtweisen kennenlernen. Daneben wird eine Sommerschule in Urumqi (NW-China) noch einmal gezielt für ein Training von Masterstudenten und Doktoranden dienen. In der gemeinsamen Arbeit am Naryn und am Tarim kann dann das Gelernte angewendet und in Erkenntnisse umgesetzt werden. Die Angewandte Physische Geographie und die Gastprofessur für Ökosystemforschung sind schon länger im Bereich der nachhaltigen Bewirtschaftung von Flussauen in Zentralasien aktiv. Dies zeigt sich unter anderem in dem deutsch-chinesischen Projekt SuMa-RiO, das ebenfalls in der Tarim-Region stattfindet, sowie dem Engagement bei der Zentralasieninitiative der VolkswagenStiftung.

Die Förderinitiative von der VolkswagenStiftung "Zwischen Europa und Orient - Mittelasien/Kaukasus im Fokus der Wissenschaft" wurde im Jahr 2000 eingerichtet. Ende November 2011 wurde eine Modifizierung der Förderinitiative hin zu einer Kombination aus thematisch fokussierten Ausschreibungen und strukturell orientierten Einzelvorhaben beschlossen. Als einer der Sachverständigen wurde Prof. Ümüt Halik bereits im Jahr 2012 zu einem von der Volkswagen-Stiftung organisierten Experten-Gespräch nach Hannover (14. Feb. 2012) eingeladen, und hat dann an dem durch die VolkswagenStiftung initiierten Themenworkshop zum Arbeitsfeld "Natürliche Ressourcen, Energie und Umwelt" in Georgiens Hauptstadt Tiflis (03.-07.03.2013) teilgenommen. Diese Veranstaltungen dienten der Vorbereitung einer Ausschreibung für kooperative Forschungsvorhaben, die unter partnerschaftlicher Beteiligung von Forschern aus der Region durchgeführt werden und die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftler(inne)n beinhalten sollen. Mit der Ausschreibung zu "Umwelt, natürliche Ressourcen und Erneuerbare Energien - Interdisziplinäre grenzüberschreitende Forschung zu Mensch-Umwelt-Beziehungen" Anfang Mai 2013 verlangte die VolkswagenStiftung zunächst die Einreichung von Skizzenanträge, die von einem Gutachtergremium begutachtet werden mussten. Nach einer positiven Begutachtung des Skizzenantrags wurde der Antragsteller zur Ausarbeitung eines Vollantrags aufgefordert. Nach einer Vorbereitungsreise Anfang Januar 2014 nach China und Kirgistan wurde der umfangreiche trilaterale Forschungsantrag fristgemäß eingereicht und nach einer 5-monatigen Begutachtungszeit bewilligt.

Das Gesamtprojekt wird gemeinsam von Prof. Dr. Ümüt Halik und Prof. Dr. Bernd Cyffka koordiniert und geleitet. Zudem sind die Naryn State University in Kirgistan, die Xinjiang University sowie die Chinese Academy of Science in China als Projektpartner beteiligt. Das Projekt erreicht eine Gesamtfördersumme von rund 498.000 Euro.


Florian Betz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Bereichen Angewandte Physische Geographie und Ökosystemforschung.
Prof. Dr. Bernd Cyffka ist Inhaber der Professur für Angewandte Physische Geographie und Leiter des Aueninstituts Neuburg.
Prof. Dr. Ümüt Halik (Xinjiang University in Urumqi/China) ist Gastprofessor für Ökosystemforschung an der Mathematisch-Geographischen Fakultät der KU.

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Quelle:
AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 2/2014, Seite 28-29
Herausgeber: Der Präsident der Katholischen Universität
Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsreferat der KU, 85071 Eichstätt
Telefon: 08421 / 93-21594 oder -21248, Fax: 08421 / 93-21594-0
E-Mail: pressestelle@ku.de
Internet: www.ku.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2015


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