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WALD/197: Kleinholz macht auch viel Mist! - Holzenergiegewinnung contra Nachhaltigkeit (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Kleinholz macht auch viel Mist
Holzenergieverbände contra Nachhaltigkeit

Von László Maráz



Dass der Einsatz Erneuerbarer Energien auch im Wald an natürliche Grenzen stößt, zeigt sich zum Beispiel an einem Streitfall in Baden-Württemberg. Wenn die Landesregierung den Staatswald nach den Richtlinien des FSC zertifizieren lassen wird, dürften vor allem die sogenannten "Waldresthölzer" knapper werden. Verschiedene Holzenergieverbände protestieren daher gegen die Auswirkungen einer FSC-Zertifizierung, die zu Engpässen bei der Versorgung der Hackschnitzelanlagen führen dürfte.


Bisher werden in vielen Wäldern dünne Stämmchen und Äste, aus denen sich keine Bretter sägen lassen, in etwa streichholzschachtelgroße Stücke kleingehackt und verfeuert. Im Rahmen einer vom FSC zertifizierten, naturverträglicheren Waldnutzung müssten ab sofort sämtliche Hölzer mit einem Durchmesser unter sieben Zentimeter im Wald bleiben.

Spart steigender Holzverbrauch Emissionen?

Das Ansinnen, noch mehr Holz aus unseren Forsten und Wäldern zu holen, wird mit immer neuen Argumenten begründet. Aktuell auch mit ökologisch-umweltpolitischen wie dem Klimaschutz. Wer mehr Holz verbraucht, spare Emissionen, da andere Baustoffe energieintensiver seien. Auch Heizöl ließe sich einsparen. Offen bleibt dabei, ob die stoffliche und energetische Holzverwendung überhaupt zu Energie- und Rohstoffeinsparungen führt. Noch ist nicht bekannt, ob irgendwo auf der Welt deswegen Kohleminen oder Ölfelder geschlossen worden wären.

Dürfen wir zur Rettung der Energiewende und etlicher Arbeitsplätze im ländlichen Raum weiterhin auch die dünnen Stämmchen und Äste aus dem Wald entfernen, die bisher unter die seit langem gültige Derbholzgrenze von sieben Zentimeter fallen? Gewiss, jede Tonne zusätzlicher Biomasse könnte einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Vorausgesetzt, wir würden Ernst damit machen. Davon ist aber wenig zu spüren: Neue Braunkohletagebaue, die Diskussion um Fracking-Gas und lasche Grenzwerte bei Automobilen zeigen, dass der Wille zum Klimaschutz nicht wirklich ausgeprägt ist. Nun sollen also Biokraftstoffe und eben das "Waldrestholz" verstärkt Verwendung finden. "Waldrestholz" - was für ein furchtbarer Begriff. Der Wald produziert doch keinen Müll.

Waldböden schonen statt düngen

Inzwischen ist immerhin bekannt, dass die uralte Derbholzgrenze einen positiven Effekt hat: in den dünneren Pflanzenteilen sind überdurchschnittlich viele Nährstoffe enthalten, die im Waldboden dafür sorgen, dass Pflanzen besser wachsen. Auch andere Biotophölzer geben die Nährstoffe ab und fördern das Wachstum nachfolgender Baumgenerationen. Dennoch beschränkt man sich im Rahmen der Fachdiskussion meist nur auf die Nährstoffbilanzen (in Kilogramm Kalium, Magnesium, Calcium, Stickstoff und Phosphor), die es gewiss zu beachten gilt. Eine Verringerung oder gar Abschaffung der Derbholzgrenzen erhöht aber das Risiko von Übernutzungen. Um deren Folgen zu reparieren, fordern einige Akteure die Düngung von Waldböden mit Holzasche. Ein anderer Vorschlag: Das Reisig, das zur Verringerung von Befahrungsschäden auf die Holzabfuhrwege der Wege gelegt wird, könnte wieder im Wald verstreut werden. Während die Aschedüngung im Wald aus gutem Grund verboten ist (Asche hat eine ähnliche Wirkung auf das Bodenleben wie Branntkalk!), würden sämtliche Maßnahmen vermutlich mehr Geld kosten, als der Verkauf des Kleinholzes einbringt. Leider wird die Option, Energie zu sparen und Holz besser zu recyceln, wenig diskutiert. Man darf nicht die Gesundheit von Waldböden riskieren, sondern sollte stattdessen die Geschäftsmodelle vieler Biomassekraftwerke überdenken.

Bioenergie droht schlechtes Image

Wenn sich nun Bioenergieverbände gegen elementare Nachhaltigkeitsregeln im Wald aussprechen, setzen sie ihr noch halbwegs gutes Image aufs Spiel. Zwar kann man ein gewisses Verständnis für die Interessen der Kraftwerksbetreiber aufbringen, die ihre Anlagen unter den bisher günstigen Rahmenbedingungen gebaut und betrieben haben. Durchaus möglich wäre es, Übergangslösungen für Versorgungsengpässe zu suchen. Doch der Wald und die Waldböden sind für unser Geschäftsgebaren nicht verantwortlich. So wird bei solchen Diskussionen meist übersehen, dass liegengebliebenes Holz viele wertvolle, unersetzbare Funktionen hat: Zahllose Organismen bauen die Biomasse ab und sorgen damit für ein reichhaltiges Bodenleben. Die meisten von ihnen verlören ihren Arbeitsplatz, wenn wir alles aus dem Wald schafften. Holzige Pflanzenteile speichern Wasser, bilden Humus und fördern so eine gesunde Bodenstruktur, die beispielsweise die Versickerung von Regenwasser erleichtert. Aus dickerem Biotopholz (stehenden oder liegenden großen Baumstämmen) werden Nährstoffe viel langsamer in den Boden rückgeführt. Dies alles ist durch Düngung mit Holzasche oder Ausbringung von zerhacktem Reisig nicht möglich.

Die Derbholzgrenze von 7 Zentimetern sollte nicht abgesenkt werden. Auch das auf den ersten Blick sinnvolle Ansinnen, je nach Bodengüte auch mal mehr Waldholz rauszuholen, birgt die Gefahr, dass letztlich alle Waldböden auf eine Art Magerrasen-Niveau heruntergewirtschaftet würden. Waldböden sind mehr als nur ein nährstoffhaltiges Haltesubstrat für Bäume. Bei der Findung von Nachhaltigkeitsgrenzen müssen wir uns am Wald, am Standort selbst orientieren, und nicht an der Auslastung von Biomassekraftwerken oder dem Brennholzbedarf von Ofenbesitzern. Würden VerbraucherInnen, Industrie und Märkte mit ihren nimmersatten und wachsenden Begehrlichkeiten darüber bestimmen, wie viel Holz wir dem Wald entnehmen, dann müssten wir uns von der forstlichen Nachhaltigkeit verabschieden, so wie es in Zeiten schweren Raubbaus und großer Holznot schon einmal vorkam. Wir sind es, die ihr Verhalten an der ökologisch tragfähigen Leistungsfähigkeit der Wälder und Forsten ausrichten müssen. Nicht umgekehrt! Beim Klimaschutz und der Energiewende gibt es ohnehin bessere Sparpotenziale. Die minimale Steigerung der Biomassenutzung kann den Raubbau an Wäldern ebenso wenig rechtfertigen wie die Schaffung einiger Arbeitsplätze.

Das Problem ist auch drei Jahrhunderte nachdem die Forstwirtschaft die Nachhaltigkeit für sich entdeckte nicht neu: Denn schon damals prägte der griechische Philosoph Epikur den Grundsatz: "Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug".


Autor László Maráz ist Koordinator der Dialogplattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014, Seite 31-32
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2014