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WALD/086: Mit Wäldern das Klima schützen? Schwieriger Weg zu verringerter Entwaldung (ARA Magazin)


ARA Magazin 1/09 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V. - www.araonline.de

Mit Wäldern das Klima schützen?

Der schwierige Weg zu verringerter Entwaldung


Zwanzig Prozent der weltweiten Treibhausgase stammen aus Entwaldung. Doch während sich fast alle einig sind, dass die Klimaschutzziele ohne eine deutliche Verringerung des Waldverlustes nicht zu erreichen sind, gibt es intensive Diskussionen über den richtigen Weg.

Vor zweieinhalb Jahren hat der Stern-Report die Emissionsvermeidung im Waldbereich als eine kostengünstige und schnell wirkende Möglichkeit für den Klimaschutz beschrieben. Seitdem ist das Interesse an diesem Modell rasch gewachsen. Unter dem Kürzel REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) wird intensiv diskutiert, ob und wie die Verringerung der Entwaldung Teil der jetzt angestrebten neuen UN-Klimavereinbarung werden, die das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll ersetzen soll. Bis zur nächsten, entscheidenden Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen sollen dazu Vorschläge ausgearbeitet sein.

Die Idee scheint einfach: Wenn die von Zerstörung bedrohten Wälder geschützt werden, bleiben sie als gewaltige Kohlenstoffspeicher erhalten. Wenn der auf jährlich 13 Millionen Hektar geschätzte Waldverlust verringert werden kann, bleibt der Kohlenstoff in den Pflanzen gebunden und gelangt nicht in die Atmosphäre, wo er zum Treibhauseffekt beitragen würde. Als Anreiz für die Tropenwaldländer sollen die Industrieländer den wirtschaftlichen Verlust kompensieren, den ein Verzicht auf den Holzeinschlag und auf die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftliche Flächen bedeutet. Doch wie das im Detail funktionieren kann und soll, ist noch weitgehend offen.


Waldschutz messbar machen

Die Grundidee eines REDD-Mechanismus besteht darin, auf der Basis historischer Daten die durchschnittliche Entwaldung in einem Referenzzeitraum (zum Beispiel den 1990erJahren) zu berechnen und als "Baseline" festzulegen: Sind Staaten in der Lage, ihre Entwaldungsrate unter diesen Wert zu senken, erhalten sie Zahlungen, die nach einem noch zu entwickelnden Schlüssel zugewiesen werden.

Einige plädieren allerdings auch für kleinflächigere REDD-Projekte. Regionale Maßnahmen, zum Beispiel der verbesserte Schutz eines Nationalparks, führen aber möglicherweise nur dazu, dass Holzfäller oder Siedler in weniger gut kontrollierte Gebiete ausweichen. Jeder wirksame Mechanismus muss deshalb sicherstellen, dass Entwaldung verringert und nicht nur von einem Ort an einen anderen verlagert wird. "Leakage" ist hier das Stichwort, das die Schlupflöcher beschreibt - die undichten Stellen im Gesetzestext.

Voraussetzung für einen wirksamen REDDMechanismus ist ein verlässliches Kontrollsystem, bestehend aus Überwachung (Monitoring) und Nachweisführung (Verifizierung). Die Auswertung von Satellitendaten liefert mittlerweile gute Ergebnisse bei der Überwachung der Waldflächen. Die Degradierung von Wäldern lässt sich so aber nicht messen. Auch die Berechnung des auf einer Waldfläche gebundenen Kohlenstoffs orientiert sich in erster Linie am Holzvolumen der Bäume. Der im Boden gespeicherte Kohlenstoff wird dagegen bestenfalls geschätzt. Für die verschiedenen Waldtypen wurden deshalb Größenordnungen für das Verhältnis von oberirdischem zu unterirdischem Kohlenstoff vorgeschlagen, die von 1:1 für die Wälder der gemäßigten Zonen bis zu 1:5 für Tieflandregenwald auf Torfböden reichen.


Zertifikatehandel oder Fonds?

Besonders kontrovers wird die Frage diskutiert, wo das Geld für REDD herkommen soll. Einige Länder - und auch internationale Organisationen wie die Weltbank - bevorzugen einen marktbasierten Mechanismus, also den freien Handel mit CO2-Minderungszertifikaten aus verringerter Entwaldung. Mit dem Kauf von REDD-Zertifikaten im Rahmen des internationalen Emissionshandels könnten Staaten und Industrie aber das Recht erwerben, den eigenen Ausstoß von Klimagasen nicht verringern zu müssen. Damit würde ein weiteres Schlupfloch für jene entstehen, die mit kostengünstigen Investitionen in Waldschutz die fortgesetzte Nutzung veralteter, aber gewinnträchtiger Technologien rechtfertigen wollen. Die meisten Umwelt- und Entwicklungsorganisationen fordern deshalb, Zertifikate für den Walderhalt aus dem Emissionshandel herauszuhalten. Denn die Bindung von Kohlenstoff in Wäldern ist reversibel, sei es durch natürliche Katastrophen oder durch vorsätzliche Zerstörung. Der Ausstoß von Klimagasen bei der Verbrennung fossiler Energieträger ist dagegen irreversibel. Jeder Marktmechanismus, der ein Aufrechnen von "grünem Kohlenstoff" (aus Walderhalt) gegen "schwarzen Kohlenstoff" (aus fossilen Quellen) erlaubt, kann de facto zu einem Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre führen - und damit zu einer Beschleunigung des Klimawandels.

Außerdem ist der Emissionshandel keine verlässliche Quelle für die Finanzierung von Waldschutz. Die notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Wäldern müssen langfristig geplant und unterstützt werden, der Kohlenstoffmarkt dagegen unterliegt starken Schwankungen. Wenn kurzfristig billige Waldzertifikate in direkter Konkurrenz zu anderen Kohlenstoffzertifikaten stehen, droht eine Destabilisierung des Marktes. Mit einem Verfall des Kohlenstoffpreises würde auch der Anreiz sinken, in erneuerbare Energien und saubere Technologien zu investieren. Darüber hinaus würde sich Naturschutz zunehmend am Kohlenstoffgehalt der Wälder orientieren statt an ihrer biologischen Wertigkeit oder ihrer Bedeutung für traditionelle Nutzungssysteme.

Eine Alternative zu Marktmechanismen sind Fonds, in die zum Beispiel Abgaben auf Treibhausgasemissionen oder die Erlöse aus der Versteigerung von Emissionsrechten eingezahlt werden. Sie könnten genutzt werden, um schnelle und kosteneffektive Maßnahmen zum Schutz der Wälder zu finanzieren, wie die Beendigung der kommerziellen Holznutzung in Primärwäldern und die Sicherung von Landrechten indigener und lokaler Gemeinschaften, die in und von Wäldern leben.

Ein weiterer Vorteil eines Fonds ist die Möglichkeit, auch Länder mit einer geringen Entwaldungsrate in das Programm einzubeziehen. Ein Marktmechanismus würde sich dagegen zwangsläufig auf die Länder mit dem höchsten Waldverlust konzentrieren. Allein auf die vier Spitzenreiter Indonesien, Brasilien, Malaysia und Myanmar (Burma) würden bereits zwei Drittel aller REDD-Zertifikate entfallen.


Wälder sind mehr als Kohlenstoffspeicher

Sollte REDD zu einem Teil des Kyoto-Folgeabkommens werden, besteht die Gefahr, dass Wälder einseitig auf ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher reduziert werden. Deshalb muss in den kommenden Verhandlungen sichergestellt werden, dass die ökologischen und sozialen Funktionen von Wäldern den Klimaschutzaspekten nicht untergeordnet werden: Die Aufrechnung von Waldzerstörung gegen Wiederaufforstung, die zu Unworten wie "Netto-Entwaldung" führt, muss ebenso ausgeschlossen werden wie die Umwandlung von Naturwäldern in Ölpalmen- oder Eukalyptusplantagen oder die Verdrängung lokaler Bevölkerung von "marginalem" oder "ungenutztem" Land durch großflächige Aufforstungsprojekte.

REDD könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den fortschreitenden Waldverlust zu verringern. Erfolgversprechend wird der Mechanismus aber nur, wenn es gelingt, eine Verringerung von Treibhausgasemissionen mit dem Schutz der biologischen Vielfalt und einer umfassenden Beteiligung der lokalen Bevölkerung zu verbinden.


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Quelle:
ARA Magazin 1/09
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2009