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WALD/082: Waldschutz als wichtige Säule des Klimaschutzes - Chancen für REDD (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Waldschutz als wichtige Säule des Klimaschutzes
Chancen und Herausforderungen für REDD

Von Thomas Spencer und Christoph Bals


Entwaldung und Walddegradierung verursachen ca. 20% der jährlichen, anthropogenen Treibhausgasemissionen - mehr als die gesamten Emissionen des globalen Verkehrsektors.(1) Daher gilt der Waldschutz als eine der Hauptsäulen des globalen Klimaschutzes, dessen grundlegendes Ziel es ist, den globalen Temperaturanstieg möglichst weit unter 2°C zu begrenzen. Zur Zeit wird daher innerhalb der UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC) mit zunehmender Intensität und Erwartung über ein künftiges Post-2012-Klimaabkommen verhandelt, welches das 2012 ablaufende Kyoto Protokoll fortsetzen und ergänzen soll. Eine zentrale Stütze dessen muss ein neuer, globaler Mechanismus zur Verringerung globaler Emissionen aus Entwaldung und Walddegradation sein (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation - REDD)

Um den Klimawandel unter 2°C zu begrenzen, müssen die Emissionen der Industriestaaten um mindestens 30% bis 2020 gegenüber 1990 und die der Entwicklungsländer um mindestens 15% bis 2020 im Vergleich zu einem "Weiter-so"-Szenario verringert werden, wenn zusätzlich die globale Entwaldungsrate bis 2020 halbiert wird.(2) Die Industrieländer haben sich beim Klimagipfel in Bali verpflichtet, den Klima- und Waldschutz in den Schwellen- und Entwicklungsländern mitzufinanzieren.

Diese drei Säulen des globalen Klimaschutzes sind getrennt zu betrachten. Wenn also die nötige Halbierung der Entwaldung bis 2020 durch den Emissionshandel erreicht werden sollte, müssten die Ziele aller Industrieländer von 30% bis auf 38% bis 2020 (1990 gegenüber) erhöht werden, damit die nötige Menge Reduktionen gleich bleibt. Schon in der EU ist dies politisch nicht durchsetzbar, in Russland, Japan, Kanada und Australien umso weniger: Eine derartige Strategie zu REDD in den Verhandlungen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Wenn es doch ohne diese Zielerhöhung erlaubt wird, REDD-Ziele gegen die eigenen Reduktionsziele gegenzurechnen und in den Emissionshandel einzubeziehen, führt dies zur Überschwemmung des Marktes und zum Ausfall des Preisanreizes, Maßnahmen in den Industrie- und in den Schwellenländern zu ergreifen. McKinsey macht die Konsequenzen hiervon deutlich: Um den globalen Temperaturanstieg unter 2 Grad zu begrenzen, hängen mehr als 50% der dazu nötigen Reduktionen bis 2030 davon ab, dass die richtigen Entscheidungen beim Bau neuer Infrastruktur getroffen werden. Insbesondere geht es darum, wie viele neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Der Kohlenstoff-Preis ist der wichtigste Treiber dafür, die notwendigen Anreize zu setzen, dass Investitionen im Sinne des Klimaschutzes erfolgen. Der Einbezug von REDD in den Emissionshandel wäre ein Freifahrschein für den Neubau von Kohlekraftwerke in den Industrie- und Schwellenländern. So könnten zwar die Klimaschutzziele bis 2020 erreicht werden, die zukünftig nötigen Reduktionen aber nicht.


Drei Pfeiler des Waldschutzes

Die Entwaldung und Degradierung in den Tropen ist eine sehr komplexe, globale Herausforderung - für die Biodiversität, das Klima und eine gerechte sowie nachhaltige Entwicklung. Zugleich stellt der Klimawandel für die Biodiversität, den Wald, und die die darauf angewiesenen Menschen eine Existenzgefahr dar.(3) Der REDD-Mechanismus muss diese Überschneidung reflektieren und sowohl dem Klima, der Biodiversität als auch den Waldvölkern zugute kommen.


Die wichtigen Treiber der Entwaldung anpacken

Entwaldung hat verschiedene direkte und indirekte Ursachen. Zu den direkten Ursachen gehören z.B. die Ausdehnung der Viehwirtschaft und Landwirtschaft, Holzernten, sowie die Entwicklung neuer Infrastruktur; zu den indirekten Ursachen gehören Bevölkerungswachstum, steigende landwirtschaftliche Preise, neue Infrastruktur sowie institutionelle und politische Rahmenbedingungen. Verschiedene Länder verfügen über sehr unterschiedliche Kapazitäten zum Waldschutz, verschiedene historische Entwaldungsraten sowie verschiedene Bedingungen vor Ort. REDD muss aber möglichst viele Länder einbeziehen, um zu vermeiden, dass reduzierte Entwaldung im einen Land zu vermehrtem Raubbau im Anderen führt. Stattdessen könnte eine innovative Fondlösung, die dadurch ziert würde, dass Staaten einen Teil ihrer immer stärker begrenzten Emissionserlaubnisse nicht mehr kostenlos zugeteilt bekämen, die notwendigen Gelder und den nötigen Wettbewerb für eine effiziente an den Kriterien der Artenvielfalt und globalen CO2-Minderung ausgerichtete Entwicklung sowie einen Anreiz zum Einbezug der indigenen Völker in die Waldschutzstrategien schaffen.


Der Weg nach Vorne

Die verbleibenden Wälder dieser Welt sind Lebensgrundlage für Mensch, Tier und Pflanzen. Der ungebremste Klimawandel kann schon zwischen 2040 und 2060 zum Kollaps des Amazonas-Regenwaldes führen. Zugleich ist die Abholzung einer der starken Treiber des Klimawandels. Eine umfangreiche, globale Strategie zur dessen Begrenzung ist eine Chance, über bisherige Waldschutzstrategien hinaus zu gehen, und Wälder, ihre Biodiversität, sowie das globale Klima in Kooperation mit den in und mit ihnen lebenden Menschen für die Zukunft zu erhalten.

Thomas Spencer arbeitet zum Thema REDD bei Germanwatch e.V., Christoph Bals ist politischer Geschäftsführer bei Germanwatch. e.V.

(1) IPCC, AR4.
(2) Michel den Elzen, Niklas Höhne, "Reductions of greenhouse gas emissions in Annex I and non Annex I countries for meeting concentration stabilisation targets: An editorial comment", 2008.
(3) European Commission, COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT accompanying the COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS Towards a comprehensive climate change agreement in Copenhagen - Extensive background information and analysis - PART 1, 2009.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2009