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GENTECHNIK/840: Mexiko - Transgene Baumwolle kontaminiert Wildart (epigen)


epigen - Wissenschafts- und Projektbüro - 29.02.2012

Mexiko: Transgene Baumwolle kontaminiert Wildart



Mexiko gilt als Herkunfts- und Vielfaltszentrum der Maispflanze. Als daher das Wissenschaftsmagazin Nature im Jahr 2001 eine Studie veröffentlichte, laut der transgener Mais aus den USA trotz eines landesweiten Anbauverbots in abgelegenen Gebieten der Provinz Oaxaca nachgewiesen werden konnte (Chapela & Quist, 2001), löste dies nicht nur in Wissenschaftskreisen ein Erdbeben aus.

Erst der Mais, ...
Die Studie schlug nicht zuletzt deshalb so hohe Wellen, weil sie die Eingrenzbarkeit gentechnisch veränderter Pflanzen im Freiland nachhaltig in Frage stellte: Die Region Oaxaka ist rund 1600 Autobahn-Kilometer weit entfernt von der nächsten US-Grenze.
In einer in der Geschichte der modernen Wissenschaft wohl beispiellosen Kampagne wurde zunächst versucht, Studie und Autoren zu diskreditieren. Wenige Jahre später schienen die Ergebnisse von Quist und Chapela durch eine Gegenuntersuchung von Forschern aus den USA und Mexiko sogar widerlegt (Ortíz-García et al. 2005). Erst im Jahr 2009 wurde der allgemein akzeptierte wissenschaftliche Nachweis erbracht, dass die Kontamination traditioneller mexikanischer Maissorten Realität ist (Piñeyro-Nelson et al. 2009).

.... jetzt die Baumwolle
Weitgehend unbeachtet blieb dagegen eine aktuelle Studie von mexikanischen Wissenschaftlern (Wegier et al. 2011). Sie zeigt, dass in Mexiko nicht nur traditionelle Maissorten kontaminiert sind, sondern auch die wilde Baumwollart Gossypium hirsutum, die der Ursprung fast aller heute genutzten Baumwollsorten ist. Auch das Herkunftszentrum von Gossypium hirsutum liegt in Mexiko. Obwohl transgene Baumwolle in Mexiko seit 1996 angebaut wird, handelt es sich um die erste Studie überhaupt, die die Einkreuzung der transgenen Varietäten in wilde Baumwolle in Mexiko untersucht.

In weiter Ferne, ....
Weigier et al. konnten die Wildvorkommen aufgrund von genetischen Analysen in acht Metapopulationen unterteilen, die hauptsächlich im Süden des Landes, entlang der Küsten, zu finden sind. Der Anbau von gentechnisch veränderter Baumwolle fand dagegen meist in nördlicheren Landesteilen statt. Bis zum Jahr 2008 wurden in Mexiko rund 6000 Genehmigungen für den Anbau transgener Baumwollsorten erteilt. Im Jahr 2009‍ ‍wurde Gentechnik-Baumwolle laut den Autoren auf einer Fläche von rund 172.000 Hektar angebaut. Fast alle Gentechnik-Felder befanden sich mehrere hundert Kilometer von den wilden Baumwollvorkommen entfernt. Nur 1,4 Prozent der Gentechnik-Äcker lagen in der Nähe von Gebieten, in denen auch die Wildart Gossypium hirsutum auftritt.

.... so nah
Dennoch fanden die Wissenschaftler in rund einem Viertel der Proben mindestens ein transgenes Konstrukt. Jede zweite Metapopulation war von Transgenfunden betroffen. In vielen Fällen handelte es sich dabei erwartungsgemäß um Fundorte, an denen Gentechnikanbau in relativer geographischer Nähe zu den Wildvorkommen stattgefunden hatte. Überraschenderweise wurden transgene Konstrukte jedoch auch in Wildbaumwoll-Populationen nachgewiesen, die sich mehr als 750 Kilometer entfernt vom nächsten Feld mit transgener Baumwolle befanden.
Es fanden sich nicht nur Anteile einer gentechnisch veränderten Baumwolllinie in den Wildpflanzen, sondern bis zu vier verschiedene: • Bt-Toxine wie Cry1Ac, das vermutlich aus Gentechnik-Baumwolllinie MON531 (vom US-Unternehmen Monsanto) stammt,
• das Glyphosatresistenz-Protein CP4EPSPS, möglicherweise aus MON88913 oder MON1445 (ebenfalls Monsanto),
• Mehrfachkonstrukte (so genannte gestapelte oder "gestackte" Gene), die z.B. von MON15985 x MON1445 (Monsanto) stammen könnten.

Alle genannten transgenen Events wurden laut den Autoren in Mexiko zwischen 1996 und 2003 für den kommerziellen Anbau freigegeben.

Ungewöhnliche Befunde
Zusätzlich wurden jedoch auch kontaminierte Wild-Baumwollpflanzen gefunden, die alle vier untersuchten transgenen Konstrukte enthielten. Da ein solches Mehrfachkonstrukt in keiner auf dem Markt verfügbaren Linie vorkommt, vermuten die Forscher, dass es sich nicht um ein primäres Einkreuzungsprodukt handeln kann. Vielmehr werten sie diese Pflanzen als Hybriden mit mehreren Transgeneinkreuzungen. Das würde bedeuten, dass sich die transgenen Konstrukte innerhalb der Vorkommen von Wildbaumwolle ausbreiten. Ein ähnliches Auftreten mehrerer transgener Konstrukte in einer Pflanze wurde bereits in gentechnisch verändertem Raps in Nordamerika nachgewiesen.
Auf der anderen Seite liefert die Studie auch Hinweise, dass es bei der Übertragung in die Wildart zu Aufspaltungen von Gentechnik- Konstrukten oder zum Abschalten von Genen (gene silencing) gekommen sein könnte. So wurde in einigen wilden Baumwollpflanzen das Bt-Toxin Cry2Ac als einziges Fremdgen festgestellt. Cry2Ac kommt jedoch als Einzelkonstrukt in keiner kommerziell zugelassenen Gentechnik-Baumwolllinie vor.

Ursachenforschung
Über die Ursachen der Kontamination gibt es bislang nur Spekulationen. Pollenflug wird von den Forschern weitgehend ausgeschlossen, da die Pflanzenart als Selbstbestäuber gilt. Anders als das Autorenteam aus Mexiko kamen Forscher aus den USA und Frankreich jedoch zu dem Ergebnis, dass z.B. Honigbienen, die bekanntlich einen Flugradius von mehreren Kilometern haben, bei der Verbreitung von transgener Baumwolle eine beträchtliche Rolle spielen (Heuberger et al. 2010). Die mexikanischen Wissenschaftler vermuten dagegen, dass Baumwollsamen aus den USA, der in Mexiko als Futtermittel verwendet wird, beim Transport von LKWs geweht wurden. Die Baumwollsamen werden beim Import nicht gemahlen, ihre Vermehrungsfähigkeit bleibt daher voll erhalten. Importe aus den USA waren laut Aussage einer Arbeitsgruppe der zwischenstaatlichen nordamerikanischen Umweltkommission ursprünglich wohl auch für die Kontamination traditioneller Maissorten in Mexiko verantwortlich (CEC, 2004).

Ausblick
Sowohl die Kontamination der wilden Baumwollpopulationen als auch die Erfahrungen mit Transgen-Auskreuzungen in mexikanische Maissorten zeigen, wie groß die Herausforderungen beim Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen gerade für Staaten ohne ausreichende finanzielle und adminstrative Ressourcen in diesem Bereich sind. Dies lässt sich schon an den Unklarheiten über den Zulassungsstatus von transgenen Baumwollsorten festmachen. So sind in den einschlägigen internationalen Datenbanken für Mexiko lediglich eine (MON531) bzw. zwei (MON531 und MON88913) zum Anbau zugelassene Baumwolllinien geführt. Laut den Autoren der Studie existieren jedoch weitere Zulassungen für MON1445, sowie die gestapelten Linien MON531 x MON1445 und MON15985 x MON1445.
Nur wenige Monate nach Veröffentlichung der neuen Ergebnisse zu Kontamination der wilden Baumwolle wurde übrigens, wie erst kürzlich bekannt wurde, der uneingeschränkte kommerzielle Anbau von transgenem Mais in Mexiko freigegeben [1]. Der US-Konzern Monsanto will in der nördlichen Provinz Sinaloa die ersten 63 Hektar Land mit gentechnisch veränderten Maislinien bestellen. Insgesamt soll transgener Mais im Jahr 2012 auf rund 1000 Hektar wachsen. Geplant ist eine Ausweitung auf bis zu zwei Millionen Hektar.


Quellen

CEC, Commission for Environmental Cooperation of North America (2004) Maize and Biodiversity-The Effects of Transgenic Maize in Mexico: Key Findings and Recommendations, Article 13 Report (North American Commission for Environmental Cooperation, Montreal).[2]

Heuberger, S., Ellers-Kirk, C., Tabashnik, B.E., Carrière, Y. (2010) Pollen- and Seed-Mediated Transgene Flow in Commercial Cotton Seed Production Fields. PLoS ONE 5(11): e14128.[3]

Ortíz-García, S., Ezcurra, E., Schoel, B., Acevedo, F., Soberón, J., Snow, A.A. (2005) Absence of detectable transgenes in local landraces of maize in Oaxaca, Mexico (2003-2004). Proc Natl Acad Sci USA 102: 12338-12343.[4]

Piñeyro-Nelson, A., Van Heerwaarden, J., Perales, H.R., Serratos-Hernández, J.A., Rangel, A., Hufford, M.B., Gepts, B., Garay-Arroyo, A., Rivera-Bustamante, R., Álvarez-Buylla, E.R. (2008)‍ ‍Transgenes in Mexican maize: molecular evidence and methodological considerations for GMO detection in landrace populations. Molecular Ecology 18: 750-761.[5]

Quist, D. & Chapela, I. H. (2001) Transgenic DNA introgressed into traditional maize landraces in Oaxaca, Mexico, Nature 414: 541-542.[6]

Wegier, A., Piñeyro-Nelson, A., Alarcón, J., Gálvez-Mariscal, A., Álvarez-Buylla, E. R. and Piñero, D. (2011), Recent long-distance transgene flow into wild populations conforms to historical patterns of gene flow in cotton (Gossypium hirsutum) at its centre of origin. Molecular Ecology, 20: 4182-4194.

[1]‍ ‍http://www.jornada.unam.mx/2012/02/13/politica/002n1pol (auf spanisch)
[2]‍ ‍http://www.cec.org/Storage/56/4837_Maize-and- Biodiversity_en.pdf
[3] http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0014128
[4]‍ ‍http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1184035/
[5]‍ ‍http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3001031/
[6] http://www.gentechnologie.ch/cms/images/stories/pdfs/diverse%20pdf/studie_ausbreitung_1.pdf

http://www.epi-gen.de/themen/oekologie/mexiko-im-windschatten-des-mais-transgene-baumwolle-kontaminiert-wildvorkommen

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Quelle:
epigen, 29.02.2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2012