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FISCHEREI/263: Fangverbot für akut vom Aussterben bedrohten Aal gefordert (DUH)


Deutsche Umwelthilfe e.V. - Pressemitteilung, 5. Dezember 2017

Deutsche Umwelthilfe fordert von Landwirtschaftsminister Schmidt nachhaltige Fangquoten und Fangverbot für akut vom Aussterben bedrohten Aal

Fangquoten müssen endlich mit wissenschaftlichen Gutachten übereinstimmen / Nur so kann Fischereireform von 2013 rechtskonform umgesetzt und Überfischung gestoppt werden / Fangverbot für Europäischen Aal im Interesse künftiger Fischereimöglichkeiten unumgänglich


Berlin, 6.12.2017: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert den für Fischerei zuständigen geschäftsführenden Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung Christian Schmidt und seine EU-Amtskollegen auf, bei der Sitzung des EU-Ministerrats am 11. und 12. Dezember keine über die wissenschaftlichen Empfehlungen hinausgehenden Fischfangquoten für 2018 in Nordsee und Nordostatlantik zu beschließen. Außerdem sollten die Minister unbedingt dem Vorschlag der EU-Kommission für ein Fangverbot des Europäischen Aals zustimmen, der nach katastrophalen Bestandsrückgängen in den letzten Jahren in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for the Conservation of Nature and the Natural Ressources) in der höchsten Kategorie als vom Aussterben bedroht gelistet wird.

"Nur, wenn die wissenschaftlichen Empfehlungen befolgt werden, sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Fischerei in der EU eingehalten und eine Erholung der Bestände bis 2020 ist möglich", sagt Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer. "Was den Aal angeht, ist es durch die von den Ministern in den letzten Jahren zugelassene dramatische Überfischung inzwischen fünf vor zwölf. Ohne Fangverbot wird es den Aal, den fast jeder kennt, in wenigen Jahren nicht mehr in unseren Flüssen und auf unseren Tellern geben."

Bei der Sitzung am 11. und 12. Dezember muss sich der Rat für Landwirtschaft und Fischerei für das Jahr 2018 auf Fangmöglichkeiten für den Atlantik, die Nordsee und andere Gebiete einigen. Bereits im Oktober 2017 wurden die Gesamtfangmengen für die Bestände in der Ostsee festgelegt. Seit einer umfassenden Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) 2013 sind inzwischen fast vier Jahre vergangen, und noch immer sind ihre Ziele bei weitem nicht erreicht.

Für den akut vom Aussterben bedrohten Europäischen Aal wurde von der EU-Kommission ein Fangverbot vorgeschlagen, nachdem wissenschaftliche Gutachten nachdrücklich darauf hingewiesen haben, wie wichtig es ist, alle gezielten Fischereien auf laichfähige Aale einzustellen, bis sich der Zustand des Bestands nachweislich klar verbessert hat. Aufgrund menschlicher Einflüsse hat sich der Zustand des Aalbestands zunehmend verschlechtert und gilt nun als kritisch: Der Bestand ist in den vergangenen 30 Jahren auf weniger als fünf Prozent geschrumpft. Die Fischerei soll nun dem Gutachten des ICES (International Council for the Exploration of the Sea) zufolge eingestellt werden, damit sich der Bestand durch Reproduktion wieder vergrößern kann.

"Nachdem Erhaltungsmaßnahmen in Form der auch vom Landwirtschaftsministerium favorisierten Managementpläne den Niedergang des Bestands bis hin zu dem derzeitigen kritischen Zustand nicht haben verhindern können, ist ein umfassendes und sofortiges Fangverbot für alle erwachsenen Aale das letzte Mittel, um diese außergewöhnliche, weit wandernde Art zu retten", sagt Ulrich Stöcker, DUH-Leiter Naturschutz. "Es ist besser, diese Art für einige Zeit gar nicht zu befischen als dies dann überhaupt nicht mehr zu können. Ein anderer Beschluss, der eine weitere Befischung erlaubt, käme nach derzeitigem Erkenntnisstand einer geplanten Ausrottung gleich, der sich die Minister sehenden Auges schuldig machen würden."

Hintergrund:

Alljährlich schlägt die Europäische Kommission auf der Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen Fangmöglichkeiten für die von der EU bewirtschafteten Fischbestände vor. Maßgeblich sind hierfür die wissenschaftlichen Gutachten des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) und des die EU-Kommission beratenden Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschusses für die Fischerei (STECF).

Weiterhin bestehen große Mängel bei der Umsetzung nachhaltiger Fanggrenzen gem. Art. 2 Abs. 2 Grundverordnung für die GFP. Danach sollte die Überfischung "soweit möglich bereits bis 2015 beendet werden, was "nun spätestens und unter allen Umständen bis 2020" erfolgen soll. Die EU hat bereits das auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg (2002) international vereinbarte Ziel, den höchstmöglichen Dauerertrag (Maximum Sustainable Yield, MSY) für alle Bestände bis 2015 zu erreichen, verstreichen lassen. Dieser international vereinbarte Nachhaltigkeitsmaßstab für Fischbestände soll nicht nur aus Umweltsicht gesunde Größen der Fischpopulationen, sondern zugleich größtmögliche Erträge für die Fischereiwirtschaft ermöglichen. Mit Inkrafttreten am 1.1.2014 hat die EU die GFP reformiert und in deren sogenannten Grundverordnung das Jahr 2020 als neue Zeitgrenze für das Erreichen nachhaltiger Bestände festgelegt. Bis dahin sollen schrittweise weitere Kürzungen der Gesamtfangmengen pro Bestand erfolgen. Konkret sollen die Fischbestände in einem Umfang wiederhergestellt werden, der oberhalb des Niveaus der Biomasse liegt, das den MSY ermöglicht. Um sicherzustellen, dass die Fangquoten im Einklang mit diesem Nachhaltigkeitsziel festgelegt werden, sieht die GFP-Grundverordnung vor, dass sie auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten beruhen müssen.

Der Rat der für Fischerei zuständigen Minister der EU-Mitgliedstaaten hat allerdings in der Vergangenheit regelmäßig Fangmengen beschlossen, die jenseits dieser wissenschaftlichen Empfehlungen lagen. Laut einer aktuellen Studie des STECF werden 40 Prozent der wissenschaftlich untersuchten Bestände weiterhin oberhalb von MSY befischt. Das Tempo, in dem die Fanggrenzen in den vergangenen Jahren in Übereinstimmung mit MSY gebracht wurden, hält der STECF für unzureichend, um wie vorgeschrieben bis 2020 nachhaltige Nutzungsgrade für alle Bestände zu erreichen.

Aus dem Vorschlag der EU-Kommission: "Maßnahmen für Europäischen Aal"

Der Lebenszyklus des Europäischen Aals ist sehr komplex, da es sich um eine langlebige Art handelt, die geografisch weit gestreut ist. Neuere Daten deuten darauf hin, dass Aale in der Sargassosee laichen und dass ihre Larven mit den Meeresströmungen den europäischen und nordafrikanischen Festlandsockel erreichen und dort zu Glasaalen werden, bevor sie in Binnengewässer einwandern.

In wissenschaftlichen Gutachten hieß es bereits mehrmals: "... wenn für den Europäischen Aal das Vorsorgeprinzip angewendet wird, sollten alle anthropogenen Einflüsse (z. B. Freizeitfischerei und gewerbliche Fischerei auf allen Ebenen, Wasserkraftwerke, Pumpstationen, Verschmutzung), durch die die Entstehung und Abwanderung von Blankaalen eingeschränkt wird, möglichst auf Null reduziert oder gehalten werden."

Gemäß ICES-Gutachten ist es wichtig, dass alle gezielten Fischereien auf laichfähige Tiere eingestellt werden, bis sich der Zustand des Bestands nachweislich klar verbessert hat. Bis eine längerfristige Lösung gefunden wurde, ist es daher angesichts dieser strikten Aussage im ICES-Gutachten zweckmäßig, jegliche Befischung von Europäischem Aal in den Unionsgewässern des ICES-Gebiets und in der Ostsee im Jahr 2018 zu verbieten.

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Quelle:
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
Pressemitteilung, 08.12.2017
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: 030/25 89 86-0, Fax.: 030/25 89 86-19
Internet: www.duh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2017

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