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FISCHEREI/259: Fisch über Bord (WWF)


WWF Pressemitteilung - 3. Mai 2017

Fisch über Bord

WWF-Kritik: Mangelnde Seekontrollen verhindern nachhaltige Fischerei in Nord- und Ostsee / Anlandegebot wird nicht umgesetzt


"Deutschland kontrolliert seine Fischerei in Nord- und Ostsee nicht ausreichend. Illegale und nicht gemeldete Rückwürfe von Fisch von deutschen Kuttern gefährden daher weiterhin die Erholung der Bestände und eine nachhaltige Fischerei", sagt Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF. Die Kritik der Umweltschützer stützt sich auf eine aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke [1].

Seit zwei Jahren haben Fischer die Pflicht, jeden gefangenen Fisch quotierter Arten an Land zu bringen. Dieses sogenannte Anlandegebot wurde für die Ostsee bereits 2015 und für die Nordseefischerei schrittweise ab 2016 eingeführt. Nun wird laut WWF jedoch deutlich, dass die Fischer bei weitem nicht alles mit an Land bringen, was sie laut Gesetz müssten. Das ergibt eine wissenschaftliche Schätzung des Thünen-Instituts. So gehen die Wissenschaftler allein für die passive Fischerei in der westlichen Ostsee, zum Beispiel mit Stellnetzen, von rund zehn Tonnen gefangenen Jungdorschen aus. In den Logbüchern der Fischer tauchen jedoch nicht einmal 600 Kilogramm auf. Wo ist der Fisch geblieben? Die Jungdorsche gehen weiterhin größtenteils ungemeldet und somit illegal über Bord, da die Fischer mit ihnen keinen Gewinn machen.

Ein weiteres Problem sieht der WWF in den mangelhaften Kontrollen. So haben die Behörden lediglich 1,6 Prozent der betroffenen Fangfahrten in der Ostsee kontrolliert. Und in den vergangenen zwei Jahren wurde nicht ein einziger mutmaßlicher Verstoß registriert. "Die Überprüfungen auf See sind völlig unzulänglich. Eine Strafe müssen die Fischer offenkundig nicht fürchten", so Nemecky. Sich auf die Meldungen der Fischerei zu verlassen, hält der WWF für grob fahrlässig. Die jahrelange Praxis von Rückwürfen ins Meer schaffe sich nicht per Federstrich ab. Letztlich profitierten auch die Fischer, wenn nicht gemeldete Rückwürfe unterbunden würden. Denn nur so könne eine Übernutzung der Bestände verhindert und die Fischerei in Zukunft gesichert werden. "Mit den mangelhaften Seekontrollen verhindern die deutschen Behörden, dass die eingeführten Schutzmaßnahmen greifen. Wir brauchen dringend einen Kontrollmechanismus, der zur Einhaltung der Gesetze beiträgt. Hier wäre Kamera-Überwachung eine gute Lösung", fordert Nemecky.

Die Kontrollen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Behörde für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Im Jahr 2016 fanden rund 15.000 deutsche Fangfahrten in der Nordsee und 22.000 in der Ostsee statt. Dem stehen fünf Kontrollfahrzeuge in der Nordsee und zwölf für die Ostsee gegenüber. Auch für Kontrolle der deutschen Fischimporte ist die BLE laut WWF nicht gut gerüstet. Ein Rechtsgutachten [2], das der WWF zusammen mit anderen Umweltorganisationen in Auftrag gegeben hat, weist Verstöße gegen die europäische Kontrollverordnung nach. "Deutschland hat ein Problem mit der Kontrolle illegaler Fischerei, das gilt für die eigene Fischerei ebenso wie für Importe", bilanziert Stella Nemecky vom WWF.


[1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/120/1812096.pdf
[2] http://www.iuuwatch.eu/wp-content/uploads/2015/06/FINAL_IUU-legal_summf_DE_2pp_singles.pdf

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Quelle:
WWF Pressemitteilung, 03.05.2017
Herausgeber: WWF Deutschland
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Tel.: 030 311 777 - 0, Fax: 030 311 777 - 603
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Internet: www.wwf.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2017

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