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EUROPA/258: Eine Agrarwende ist möglich (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2013 Ziele(n) für nachhaltige Entwicklung - Wer hat noch Pfeile im Köcher?

Eine Agrarwende ist möglich!
Nach den Verhandlungen zur EU-Agrarreform steht jetzt die nationale Umsetzung der Beschlüsse an

von Iris Kiefer



EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament verhandeln derzeit über die Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP); 2014 soll die neue GAP in Kraft treten. Es zeichnet sich ab, dass den Mitgliedsstaaten bei der Verteilung der Agrarsubventionen in der nationalen Umsetzung größere Entscheidungsspielräume eingeräumt werden.


Daher werden vor der bayerischen Landtagswahl und der Bundestagswahl im September tausende Menschen auf die Straße gehen. Denn die neue Bundesregierung wird mitentscheiden: werden in Zukunft stärker bäuerliche Betriebe gefördert oder fließt das Geld weiter an die Agrarindustrie?

Mitte März stimmte das Europäische Parlament über sein Verhandlungsmandat zur Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik ab, gleich danach folgte das Mandat des Europäischen Rats. In beiden Abstimmungen wurden die Vorschläge der EU-Kommission zur EU-Agrarreform abgeschwächt. Zwar wurde grundsätzlich für ein »Greening« der Agrarsubventionen gestimmt, das heißt für eine Bindung eines Teils der Subventionszahlungen an Umweltmaßnahmen. Durch viele Ausnahmeregelungen wird ein »weiter wie bisher« jedoch ermöglicht. Auch in anderen Bereichen wurden die Vorschläge der Kommission verwässert oder abgelehnt. Im sogenannten Trilog müssen sich nun VertreterInnen von EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament auf Grundlage ihrer vorher beschlossenen Mandate zu den vier Bereichen der GAP - Direktzahlungen, Ländliche Entwicklung, Marktorganisation und Verwaltung - auf eine gemeinsame Linie einigen und die GAP für die Jahre 2014 bis 2020 final verhandeln.

Danach wird es auf die nationale Umsetzung der Reformbeschlüsse in den Mitgliedsstaaten ankommen: so soll die Möglichkeit eingeräumt werden, höhere Direktzahlungen für die ersten Hektare einzuführen, das sogenannte »top up«, um kleinere Betriebe stärker zu fördern. Auch die Reduzierung und Kappung der Zahlungen an die größten Betriebe könnte dann in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten liegen. Mit der Einführung dieser Regelungen hätten die Länder die Möglichkeit, trotz einer insgesamt schwachen Reform, die nationale Ausgestaltung sozialer und gerechter zu gestalten und eine bäuerliche Landwirtschaft gegenüber der Agrarindustrie zu fördern. Für Deutschland bedeutet dies, dass ein großer Teil dieser Entscheidungen von der im September neu gewählten Bundesregierung getroffen wird.

Vor der Landtagswahl in Bayern und der Bundestagswahl finden diesen Sommer daher zwei große Aktionen statt. Bei beiden steht die Forderung an die neue Bundesregierung im Vordergrund, sich für eine bäuerliche, tier- und umweltgerechte Landwirtschaft einzusetzen.


Auch Bayern hat es satt!

Anlässlich der Landtagswahl in Bayern findet am 13. Juli 2013 in München die »Mir hams satt!«-Demonstration statt. Unter dem Motto »Agrarindustrie und Flächenfraß stoppen!« hat sich in Bayern ein breites gesellschaftliches Bündnis zusammengeschlossen, das eine bäuerlich-nachhaltige Landwirtschaft fordert. Dafür braucht es eine Agrarpolitik, die Ressourcen schont, Bienen und VerbraucherInnen schützt und faire Preise für ErzeugerInnen ermöglicht. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch der Verlust von täglich 18 Hektar Land in Bayern für neue Straßen, Gewerbegebiete und den Großprojekte wie den Münchener Flughafenausbau.


Und danach: Auf nach Wietze!

Kurz vor der Bundestagswahl geht die »Wir haben es satt!«-Bewegung an einen Brennpunkt der Agrarindustrie und ruft am 31. August 2013 zur Demonstration und Umzingelung von Europas größtem Hühnerschlachthof in Wietze/Niedersachsen auf. In dem gigantischen Schlachthof, subventioniert mit 6,5 Millionen Euro aus Steuergeldern, sollen 430.000 Hühnchen täglich geschlachtet werden. Er ist ein Symbol für die verfehlte Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung und steht für die negativen Auswirkungen der Agrar- und Lebensmittelindustrie: für Exportdumping auf der einen Seite und Importe von gentechnisch veränderten Futtermitteln auf der anderen Seite, für Megaställe mit qualvoller Tierhaltung, hohe Umweltbelastungen und Bauern, die von der Agrarindustrie verdrängt werden. Mit dem Aktionstag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, eine grundlegende Agrarwende mit einer bäuerlichen Landwirtschaft als Leitsystem einzuläuten.

Begleitet wird der Aktionstag von einem Sommercamp (29. August bis 1. September 2013) mit vielfältigem Programm, mit Zukunftswerkstätten rund um das Thema Landwirtschaft und zahlreichen Workshops. Im Vorfeld wird es eine bundesweite Aktionswoche geben.


Die Autorin Iris Kiefer ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der »Wir haben es satt!«-Demonstration und der Kampagne »Meine Landwirtschaft« verantwortlich.


Weitere Informationen zur EU-Agrarpolitik unter
www.meine-landwirtschaft.de und zu den Aktionen in
Bayern und am Megaschlachthof in Wietze unter
www.wir-haben-es-satt.de.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2013, S. 30
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2013