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ERNÄHRUNG/086: Fleisch oder nicht Fleisch (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 2/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany


TITELTHEMA

Bewusste Ernährung
Fleisch oder nicht Fleisch

Von Reinhild Benning und Jochen Dettmer


Soll Fleisch auf den Tisch oder nicht? Was kochen, wenn Freunde zum Essen kommen? Was den Kindern vorsetzen, was in der neuen Saison grillen? Vegetarisch? Oder vegan, also ganz ohne tierische Zusätze? Oder doch wenigstens Geflügel, das als »leicht« und wenig klimaschädlich gilt?


Ob und welches Fleisch wir essen, ist zunehmend ein Indikator für Lebensstil und Bewusstsein. So wissen wir aus zahlreichen Studien, dass »der« Vegetarier mehrheitlich eine Frau und gut gebildet ist. Viele Menschen essen zudem aus Gründen des Tierschutzes kein Fleisch, weil sie die Tötung von Tieren ablehnen.

Die Fleischesser sind weniger gut eingrenzbar und daher weniger beschrieben. Bekannt sind dagegen die Gesundheitsprobleme unserer Gesellschaft in Folge des weitverbreiteten Überkonsums tierischer Proteine und Fette. Global übersteigt heute die Zahl der Übergewichtigen die Zahl der Hungernden. Eine makabre Bilanz. Zumal das Eiweißfutter für die Tierhaltung in unseren Ställen überwiegend aus Südamerika und Südostasien stammt, und damit aus Ländern, die - statt die lokale Lebensmittelversorgung zu sichern - lieber gut zahlenden internationalen Futterhändlern Sojaflächen in großem Stil zur Verfügung stellen.

Die Mehrheit der Hungernden lebt auf dem Land. Weil die Nachfrage nach Futtermitteln und Agrosprit weltweit wächst, reißen ihnen die vielen Konflikte um Land (bis hin zum Landraub) buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Neben ihrem Grund verlieren Kleinbauern auch Absatzmärkte für Milch und Fleisch wegen subventionierter Billigexporte aus Europa.


Sinnvoll: Weidefleisch

Vom Leid der Hungernden unbeeindruckt, fördert Agrarministerin Ilse Aigner die deutschen Fleisch- und Milchexporte 2010 mit zehn Mio. Euro - mehr denn je. Die Fleisch- und Milchmärkte in Europa sind gesättigt, die Überproduktion ist erheblich, entsprechend wenig erhalten die Bauern für ihre Ware. Wachstum ist aus Sicht der Industrie nur im Export möglich. Dazu sollen andere Länder ihre Zölle senken. Die strategisch dazu nötige Aufstockung der Agrardiplomaten und Messeauftritte finanziert Aigner mit ihrem Haushalt. Zudem fördern direkte Subventionen aus Brüssel die Dumpingexporte auf Kosten der Hungernden.

Also doch einem Antrag der BUNDjugend folgen, die auf der letzten Bundesdelegierten-Versammlung des BUND forderte, die Verköstigung ganz auf fleischlos umzustellen? Dafür spricht die Klimabilanz von Fleisch. Insgesamt stammt rund ein Fünftel der Treibhausgase, die jeder von uns im Schnitt verursacht, aus der Ernährung. Wer fleischlos glücklich ist, kann diese Klimaemissionen fast halbieren. Andererseits bekommen unsere Delegierten seit Jahren Fleisch von Neuland- und Biobauern serviert. Damit ist gesichert, dass die Tiere ohne Gentechnik und überwiegend mit heimischem Futter versorgt werden - und Auslauf meist auf Weiden genießen. Hier liegt der Knackpunkt: Wiesen und Weiden - kurz Grünland - speichern in ihrer Wurzelmasse enorme Mengen Kohlenstoff auf lange Zeit. Die FAO (UN-Organisation für Landwirtschaft) bezeichnet sie als mindestens ebenso wichtigen CO2-Speicher wie den Wald.

Wiesen und Weiden sind gleichzeitig die artenreichsten Agrarbiotope. Jedoch nur, wenn das Gras hin und wieder abgeweidet oder gemäht wird, denn sonst würde Grünland in unseren Breiten rasch verbuschen. Da wir Menschen Gras nicht direkt verwerten können, ist die artgerechte Haltung von Tieren auf Wiesen und Weiden eine höchst sinnvolle Nutzung. Wie Grünland energetisch zu nutzen ist, ohne die Artenvielfalt zu schmälern, wird noch erprobt. Klar, es gibt noch Kräuterwiesen, die gemäht und zu Kräuterheukissen oder Kaninchenfutter verarbeitet werden. Doch das ist für die rund sechs Millionen Hektar Grünland in Deutschland keine Perspektive.


Geflügel keine Alternative

Doch wie ist das mit Geflügel? Glaubt man der Werbung von Wiesenhof und anderen Anbietern, so sind »Chicken Nuggets« etc. der reinste Klimaschutz: Geflügelmast benötige weniger Fläche und verursache viel weniger Treibhausgase als etwa die Rindermast. Auf Markengeflügel prangen zudem viele »D«: Brüterei, Maststall, Futtermühle und Schlachthof sind demnach in Deutschland angesiedelt. Alles heimisch und also unbedenklich?

Leider nein. So werden bei Puten Zuchtlinien von EU-Nachbarn ausgebrütet, die unter das deutsche Qualzuchtverbot fallen. Die Aufzucht mit bis zu 24 Masthühnern pro Quadratmeter (etwa die Maße einer Duschwanne) ist nichts für Zartbesaitete. Viele Tiere liegen mit kranken Gelenken auf ihrem Mist, der gerade an der überzüchteten Brust Wunden und Blasen ätzt. Und auch wenn Wiesenhof sein Hühnerfutter hierzulande mahlt, stammen die Proteine zu über 70 Prozent von Plantagen in Urwaldgebieten. Dort trägt vor allem der Sojaanbau für Europas Massentierhalter zu Landkonflikten und zur Abholzung der Wälder bei. Die billigen Eiweißimporte verdrängten heimische Eiweißträger wie Kleegras, Ackerbohnen, Erbsen und Lupinen binnen weniger Jahrzehnte weitgehend von unseren Äckern. Fazit: (Konventionelle) Hähnchenbrust und Geflügelgrillwurst sind mitnichten geeignet, unser Gewissen beim Fleischessen zu entlasten.


Weniger Tiere - und die ins Grüne

Der BUND bietet auf die Frage nach dem Fleischkonsum kein einfaches Ja oder Nein. Unsere Botschaft lautet: Wir müssen viel weniger Fleisch essen - und wenn, dann das richtige. Gut für die Biodiversität und sehr gut vereinbar mit dem Klimaschutz sind Weidefleisch und Weidemilch. Achten Sie daher auf die Gütezeichen der Bio-Anbauverbände und von Neuland. Auch »faire Milch« ist zu empfehlen. Sie stammt zwar aus konventioneller Landwirtschaft, wird aber ohne Gentechnik und unter Nutzung von Grünland erzeugt. Dafür erhalten Faire-Milch-Bauern rund 40 Cent je Liter Milch statt der 26 bis 28 Cent, die Molkereien derzeit zahlen.

Weil mehr und mehr Milch und Fleisch für den Export produziert wird, reicht es nicht aus, allein unser Konsummuster zu ändern. So boomt hierzulande der Stallbau für Massentierhaltungen, obwohl unser Fleischkonsum stagniert. Viele unserer Gruppen wehren sich vor Ort gegen neue Megaställe. Der BUND setzt sich für eine tief greifende Agrarreform in Brüssel ein, mit weit höheren Standards für Umwelt und Tierschutz.

In Deutschland hat die CDU-geführte Bundesregierung seit 2005 wichtige Standards im Baurecht, in der Düngeverordnung und im Tierschutz aufgeweicht und den industriellen Tierproduzenten so den Weg geebnet. Der BUND fordert diese Standards wieder deutlich anzuheben.

Reinhild Benning (BUND-Agrarexpertin) und Jochen Dettmer (Sprecher des Arbeitskreises Landwirtschaft)


Übrigens: Jede Milchkuh bekommt ein Kalb pro Jahr, jedes zweite Kalb ist männlich. Weibliche Kälber werden als Milchkühe meist erst am Lebensende zu Fleisch gemacht; Bullenkälber dagegen mästet man 15 bis 20 Monate zur Schlachtreife. Daraus folgt: Die Produktion von Milcherzeugnissen und die Produktion von Fleisch sind zwei Seiten einer Medaille.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Weidekühe: In der Sude-Aue hält der BUND Niedersachsen neben anderen bedrohten Rassen das Deutsche Schwarzbunte Niederungsrind.


CO2-Emissionen im Bereich »Ernährung«

Verarbeitung (Industrie, Handwerk): 6%
Handel, Transport: 13%
Erzeugung tierischer Lebensmittel: 44%
Von der Kasse bis auf den Teller: 29%
Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel: 8%

Am meisten Treibhausgase sparen wir rund ums Essen, wenn wir weniger Fleisch verzehren. Die zweitgrößte Quelle von CO2 bilden wir Verbraucher: vom Einkauf übers Kühlen und Zubereiten der Lebensmittel bis zum Geschirrspülen und zur Heizung von Küche und Esszimmer. (aus Körber et al., 2007)


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Quelle:
BUNDmagazin 2/2010, S. 18-19
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2010