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ANBAU/132: Landraub - Palmölproduktion und Massenvertreibungen in Kolumbien (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 153 - Dezember 2009 / Januar 2010
Die Berliner Umweltzeitung

"Geben Sie uns das Land zurück, Herr Präsident!"
Palmölproduktion und Massenvertreibungen in Kolumbien

Von Martin Sprenger


Kolumbien ist ein Land in Bewegung. Ein Land im Aufschwung. Grund dafür ist die Elaeis guineensis, die Ölpalme. Das Besondere an dieser Palme sind die Früchte. Sie bieten eine hohe Ertragsquote und vielfältigste Nutzungsmöglichkeiten. Die Früchte der Ölpalme liefern das Palmöl, einen Rohstoff, der immer mehr an Bedeutung gewinnt und neben Kaffee, Tabak und Zucker zu den wichtigsten Exportgütern Kolumbiens zählt.

2005 importierte Deutschland 1,2 Millionen Tonnen an Palmölprodukten aller Art. Obwohl Kolumbiens Palmölproduktion auf dem Weltmarkt nur zwei Prozent ausmacht, werden bereits 800.000 Tonnen jährlich produziert - Tendenz steigend. Die wichtigsten Anbauländer sind Indonesien und Malaysia. Mit über 85 Prozent Marktanteil bilden sie das Monopol im Palmölgeschäft.

2009 wurden weltweit etwa 43 Millionen Tonnen des "roten Goldes" produziert. Wie aber ist die wachsende Nachfrage nach Palmöl zu erklären, die es Ländern wie Indonesien ermöglicht hat, ihre Produktion seit 2003 um 66 Prozent zu steigern? Der wohl am weitesten verbreite Irrglaube ist, dass das Palmöl ausschließlich oder zumindest zum großen Teil zur Produktion von sogenanntem Biosprit verarbeitet würde. Tatsächlich werden aber nur fünf Prozent der weltweiten Palmölerträge für die Produktion von Biokraftstoffen verwendet. 90 Prozent werden für Nahrungsmittel, die restlichen fünf Prozent für Nicht-Nahrungszwecke wie Kosmetika oder Reinigungsmittel genutzt.


Biodiesel für Deutschland

Doch im Fall von Kolumbien geht das Öl tatsächlich zum größten Teil in die Biosprit-Produktion. Die erste Biospritraffinerie an der Küste Kolumbiens produziert täglich 250 Tonnen Biodiesel. 35 Prozent des gesamten Palmöls werden in die westlichen Industrieländer exportiert, davon 25 Prozent allein nach Deutschland. Und die Nachfrage steigt jährlich - weltweit.

Der Lockruf des Geldes ertönt und die Regierung wie auch Agrarunternehmer und Großgrundbesitzer reagieren erwartungsgemäß. Produktionssteigerung und Gewinnmaximierung lauten die Devisen. Die Palme ist also gut für die kolumbianische Wirtschaft, ist gut für Kolumbien, ist ergo gut für das kolumbianische Volk, ist gut, ist gut, ist gut. Erst recht gut ist die Palme für den Westen.

Biokraftstoff soll Ökonomie und Ökologie vereinen und versöhnen. Umweltfreundliches Verschwenden von natürlichen Ressourcen ist möglich, so die Losung. Doch ist das Geschäft mit dem Biosprit tatsächlich ein so sauberes, wie es den Anschein hat? Kritische Stimmen werden laut. Im Zuge der Erschließung von neuen Flächen für Palmen-Großplantagen werden massive Verletzungen von Menschenrechten beobachtet. Sogar von Landraub, Vertreibung, Verschleppung und Morden ist die Rede.


Von Korruption und Vetternwirtschaft

"Wir nennen die Palme den Tod. Denn an ihr klebt das Blut unserer Brüder", sagt Uriel Armado, Vertriebener aus der im Nordwesten Kolumbiens gelegenen Provinz Chocó. Armado ist einer von Tausenden Afrokolumbianern, die von Paramilitärs unter dem Vorwand des Kampfes gegen die "FARC-Guerilla" gewaltsam aus ihren Dörfern vertrieben wurden. Auf dem Land der Vertriebenen legten Agrar-Unternehmen illegal Palmöl- und Bananenplantagen an. Derzeit sind 23 kolumbianische Palmöl-Firmen wegen Landraubs angeklagt. Doch zu Prozessen oder gar Verurteilungen kommt es so gut wie nie. Die Regierung schweigt, Verfahren werden blockiert, die Bauern fühlen sich im Stich gelassen und verkauft. Sie nennen ihren Präsidenten korrupt und sehen sich einer teilnahmslosen Politik ausgeliefert. 51 Staatsbeamte sind erwiesenermaßen in die planmäßigen Vertreibungen von Menschen verwickelt. Fragt man aber José Tobón vom kolumbianischen Agrarministerium, dann ist die Vertreibung "ein generelles Problem in Kolumbien und hat nichts mit der Palme zu tun."

Die kolumbianische Menschenrechtsorganisation CODHES hingegen spricht von mehr als vier Millionen Flüchtlingen im eigenen Land infolge von Vertreibungen und massivem Landraub. Derzeit sind etwa 300.000 Hektar mit der Ölpalme bepflanzt. Präsident Alvaro Uribe plant die Ausweitung der Plantagen auf das Zwanzigfache! Menschenrechtlich wie ökologisch wäre das ein Desaster.

Da die Palme nämlich zumeist in Monokultur angepflanzt wird, hinterlässt sie nach etwa 20-jähriger Ertragsspanne einen ausgezehrten, unfruchtbaren Boden. Um Platz für die Plantagen zu schaffen, wird zudem großflächig Regenwald gerodet. Dass zur Bekämpfung von Schädlingen Unmengen Spritzmittel und Pestizide zum Einsatz kommen, die oft in Grundwasser und Flüsse gelangen, sei hier nur am Rande vermerkt. Fraglich ist auch, ob der sogenannte Biosprit überhaupt ökologisch ist, wie es Mineralölkonzerne und Politik immer noch propagieren. Doch nicht die ökologischen Missstände rund ums Palmöl sollen hier im Vordergrund stehen, sondern die grobe Missachtung der Menschenrechte.


Justitia, wer hat Recht?

Menschenrechtsorganisationen und Umweltverbände befassen sich schon seit Langem mit den aus dem Palmölgeschäft resultierenden Konflikten. So überreichten am 12. November in Berlin die Organisationen Inkota netzwerk, kolko, Brot für die Welt, Misereor, FIAN und Pax Christi über 10.000 Unterschriften an die kolumbianische Botschafterin Victoriana Meja-Marulanda. Mit der Aktion "Geben Sie uns das Land zurück, Herr Präsident!" soll Druck auf die kolumbianische Regierung ausgeübt und der Öffentlichkeit die Problematik des Palmölanbaus näher gebracht werden. Die Botschafterin lehnte es zwar ab, die Unterschriften direkt vor der Botschaft im Beisein von Presse und Fotografen entgegenzunehmen. Sie betonte jedoch bei der internen Übergabe durch eine Delegation aus Vertretern der beteiligten Vereine und Organisationen die Wichtigkeit der Aktion. Auch versprach sie, die Protestpostkarten an Präsident Uribe weiterzugeben.

Zeitgleich fand in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá die Übergabe einer großformatigen, symbolisch für die 10.000 Unterschriften stehenden Protestpostkarte an den Menschenrechtsbeauftragten der kolumbianischen Regierung, Carlos Franco, statt. Dieser bekräftigte anschließend den festen Entschluss der Regierung, die Besitzverhältnisse der Ländereien zu klären und die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Ob tatsächlich diejenigen Recht bekommen, die Recht haben, bleibt abzuwarten.

Tatsache ist: Der kolumbianische Palmölboom bedeutet wenige Gewinner und viele Verlierer. Im Vergleich zu den vertriebenen Bauern zähle man an dieser Stelle auch die einfachen Erntearbeiter zu den Gewinnern. Sie verdienen etwa sechs Euro am Tag. Großgrundbesitzer, die kolumbianische Regierung und an vorderster Stelle die westlichen Mineralöl-, Pharma- und Lebensmittelkonzerne sind die großen Gewinner dieses Geschäfts.

Manuel Davila, Geschäftsführer der ersten Biospritraffinerie Kolumbiens bringt es eigentlich sehr genau auf den Punkt, wenn er sagt: "Es liegt an euch Konsumenten. Denn euer Geld entscheidet doch, was hier in Kolumbien angebaut wird."

www.inkota.de
www.ila-web.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Protestaktion vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin am 12. November
Grafik: Inkota


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 153, Dezember 2009/Januar 2010, S. 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2010