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UNO/079: Hintergrund - UN-Klimaverhandlungen in Bangkok (GW)


Germanwatch e.V. - Hintergrund zur Germanwatch-Pressemitteilung vom 9.10.09

Durchbruch oder Scheitern?

Weit mehr politischer Wille gefragt, um nach Bangkok das Klimaabkommen von Kopenhagen zu retten


Bangkok, 09.10.09. Die UN-Klimaverhandlungen sind nach den Verhandlungen von Bangkok in der kritischen Phase vor dem Klimagipfel in Kopenhagen angekommen. Ein Scheitern steht im Raum. Zwar wurde der Verhandlungstext so weit entwickelt, dass ein Kopenhagen-Abkommen grundsätzlich möglich ist. Aber alle großen Fragen bleiben dennoch unbeantwortet. Wie ernsthaft und in welchem Umfang reduzieren Industrie- und Schwellenländer ihre Emissionen? Mit wieviel Geld und welchen Institutionen unterstützen Industrieländer den Klimaschutz, die Anpassung an die wachsende Zahl von wetterbedingten Katastrophen sowie den Schutz des Regenwaldes?

Auf nationaler Ebene hat sich in so unterschiedlichen Staaten wie China, Indien, Indonesien, Mexiko, Südafrika, Japan, oder USA in den letzten zwei Jahren eine beachtliche Klimaschutzdynamik entwickelt. Und Norwegen erklärt sich in Bangkok bereit, seine Emissionen bis 2020 um 40% zu verringern. Doch noch ist keineswegs klar, ob sich diese Dynamik in ein neues ambitioniertes internationales Abkommen überträgt. "Nach Bangkok ist ein Scheitern von Kopenhagen wahrscheinlicher als je zuvor. Jetzt müssen die Regierungs- und Staatschefs zeigen, dass sie ihren großen Ankündigungen während der UN-Generalversammlung in New York Taten folgen lassen." kommentiert Christoph Bals, der das Germanwatch-Team in Bangkok leitete.


Hürden auf dem Weg zu einem Kopenhagen-Abkommen

Grundlegende Gegensätze auf dem Weg zu einer neuen Klima-Architektur

Der Ausgangspunkt dieses Problems sind die USA, die das Kyoto-Protokoll von 1997 zwar unterschrieben, aber niemals ratifiziert haben. Um nicht zu riskieren, dass auch die Ratifizierung eines ehrgeizigen Kopenhagen-Abkommens am Senat scheitert, will die US-Regierung zunächst ein eigenes nationales Reduktionsziel einschließlich konkreter Umsetzungsmaßnahmen beschließen und dieses dann nach dem Prinzip "Friss oder stirb" in den internationalen Verhandlungsrahmen einbringen. Die Reduzierungsverpflichtungen der USA würden hierbei völkerrechtlich nur den Grad an Verbindlichkeit haben wie die Ziele der Schwellenländer.

Die übrigen Industriestaaten, die derzeit unter dem Kyoto-Protokoll zu Emissionsreduzierungen verpflichtet sind, verfolgen das Ziel, die USA wieder in das internationale Klimaschutzregime zurückzuführen, ohne ihnen dabei aber eine Sonderrolle zuzugestehen. Daher lehnen sie Vorschläge ab, nach denen sie sich in einer weiteren Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls neuen, ehrgeizigeren Reduktionszielen verpflichten müssten, während die USA die von ihnen gewünschte "Extrawurst" bekommen. Stattdessen streben sie ein gemeinsam mit den USA und den Entwicklungsländern auszuhandelndes völlig neues Abkommen an, welches das Kyoto-Protokoll ersetzt. Dadurch entsteht allerdings eine doppelte Gefahr: Zum einen würden dann auch für die anderen Industrieländer in Zukunft weniger verbindliche internationale Reduzierungsverpflichtungen gelten. Die Verlässlichkeit der Klimaschutzzusagen wäre damit in Frage gestellt. Zum anderen sehen die Schwellenländer das Risiko, dass sie dann die gleichen Verpflichtungen und Sanktionsmaßnahmen akzeptieren sollen wie die Industrieländer.

Vor diesem Hintergrund sind die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht bereit, das Kyoto-Protokoll zu beenden und ein neues gemeinsames Abkommen zu verhandeln. Sie fürchten, dabei in jedem Fall der Verlierer zu sein. Entweder, weil die Ambition des Gesamtabkommens sinkt oder weil von ihnen - entgegen den vor zwei Jahren auf dem Bali-Klimagipfel getroffenen Absprachen - ähnliche Ziele wie von den Industrieländern verlangt werden. "Der Zug nach Kopenhagen ist in Gefahr", beschwor der chinesische Delegationsleiter die Industrieländer, doch am Kyoto-Protokoll festzuhalten. "Die EU muss jetzt in bilateralen Gesprächen mit den Schwellenländern und der USA einen Ausweg aus dem Dilemma finden. Sie muss zeigen, wie sie die gesetzlich verbindlichen Reduktionsziele des Kyoto-Protokolls für Industrieländer retten will." so Bals.

Klimaschutz- und Finanzzusagen der Industrieländer reichen nicht

Die Klimaschutzziele, die bislang von den Industrieländern auf dem Tisch liegen, würden uns eher zu einem Temperaturanstieg von drei bis vier Grad - nicht aber unter die Großgefahrenschwelle von zwei Grad führen. Und die Finanzvorschläge der Industrieländer sind nicht geeignet, die notwendige Dynamik in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu unterstützen sowie für die Absicherung der besonders Betroffenen zu sorgen.

Vor diesem Hintergrund blieben die Verhandlungen über die zentralen politischen Fragen in Bangkok stecken. Die Verhandler haben gute Arbeit geleistet - im Rahmen der existierenden Mandate. Aber der fehlende politische Wille verhindert bislang weiterführende Mandate, die die notwendigen Fortschritte bei Klimaschutzverpflichtungen, Finanzarchitektur und Finanzziele bringen können. "Für die neue deutsche Regierung liegt hier eine große Bewährungsprobe. Sie ist eine der wenigen Regierungen, die die jetzt dringend notwendige Führungsrolle übernehmen kann. Wird sie tun, was die Welt von ihr erwartet?" fragt Christoph Bals.


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Quelle:
GW-Hintergrund, 09.10.2009
Herausgeber: Germanwatch e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2009