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MASSNAHMEN/031: CDM-Watch - Klimaschutz nicht ohne die Menschen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 2/2009

Klimaschutz nicht ohne die Menschen
Clean Development Mechanism - alles Müll?

Von Eva Filzmoser


CDM-Projekte sollen beim Klimaschutz helfen. Aber sie werden zum Teil auf Kosten der lokalen Bevölkerung umgesetzt. So stellen z.B. CDM-Abfallverbrennungsanlagen eine existentielle Gefahr für weltweit über 60 Millionen wirtschaftlich schwache Menschen dar, deren Lebensunterhalt bislang durch Recycling von Abfällen gesichert war. CDM Watch hat sich zur Aufgabe gemacht auf problematische Projekte Einfluss zu nehmen um den Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in den Gastländern von CDM-Projekten zu verbessern.


Der im Rahmen des Kyoto-Protokolls beschlossene Clean Development Mechanismus (CDM) ermöglicht gemeinsame Klimaschutz-Projekte von Industrie- und Entwicklungsländern. Dabei wird ein Projekt, wie der Bau von Windparks oder die Errichtung von Biomassekraftwerken, vom Industrieland finanziert und im Entwicklungsland durchgeführt. Für jede in einem solchen Projekt eingesparte Tonne CO2 erhalten die Investoren ein Zertifikat, das sie zur Erfüllung ihrer Reduktionsverpflichtung anrechnen dürfen. CDM-Projekte müssen beim CDM-Exekutivrat ("Executive Board") registriert werden.

Obwohl der CDM tausende von Projekten mobilisiert hat, steht dieses zentrale Instrument des Klimaschutzes unter heftiger Kritik. Zum Aufbau einer umweltfreundlichen Energieversorgung in den armen Ländern hat der Mechanismus bislang wenig beigetragen. Stattdessen werden wettbewerbsfähige Sektoren in Schwellenländern subventioniert - und ungewollte neue Umwelt- und Sozialprobleme gefördert.

CDM Watch, eine Initiative von internationalen Nichtregierungsorganisationen wurde daher im April 2009 als Projekt des Forums Umwelt und Entwicklung ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Fähigkeiten der zivilgesellschaftlichen Gruppen in CDM-Gastländern zu stärken um auf die internationale Debatte zur Neugestaltung des CDM und auf Projektumsetzungen Einfluss zu nehmen.


CDM Abfallverbrennungsanlagen im Visier

Indische Organisationen beklagen, dass bis jetzt kein einziges der in Indien existierenden Projekte den Nachweis erbracht hat gut zu funktionieren. So berichtet zum Beispiel Dietmar Mirkes von Action Solidarité Tiers Monde (ASTM) über das Timarpur Okhla-Projekt im Nordosten Delhis. Als erstes Indisches Projekt, das Müll zur Stromgewinnung verbrennen sollte, wurde es Mitte der 80er Jahre errichtet. Nach vielen vergeblichen Wiederbelebungsversuchen soll der verbrannte Müll jetzt Strom und Emissionskredite erzeugen. Die Anlage wurde im November 2007 als CDM-Projekt registriert und sollte von 2009 bis 2019 rund 263 000 Kredite pro Jahr zu einem Preis von ca. 10 bis 13 EUR/t liefern.


Anwohner trotz Protestaktionen ignoriert

Die geplante Brenntechnologie der Müllverbrennungsanlage bringt den Ausstoß von giftigen Dioxinen, Furanen und Schwermetallen wie Quecksilber und Blei mit sich. Die krebserzeugenden Dioxine entstehen bei der Verbrennung von PVC oder gechlortem Kunststoff in Müllverbrennungsöfen.

2008 organisierten die Anwohner von Gaffar Manzil, Sukhdev Village und Hazi Colony Protestaktionen gegen den Bau der Müllverbrennungsanlage im dichtbesiedelten Wohngebiet Okhla. Trotzdem stellte der Validierungsbericht des Gutachters vom September 2007 fest, dass keinerlei negative ökologische oder soziale Nebenwirkungen vom Projekt zu erwarten seien. Ob die Dioxinschleuder Timarpur Okhla in einem Wohngebiet der indischen Hauptstadt durch CDM Profite mitfinanziert werden soll liegt nun in den Händen der Umweltminister von Industriestaaten, die letzten Endes für die Einkäufe von Emissionsrechten verantwortlich sind.


Abfallsammler konfrontieren Politiker während UNFCCC Klimaverhandlungen

Während der Klimaverhandlungen in Bonn Anfang Juni 2009 trafen sich erstmals Abfallsammler aus Indien, Kolumbien und Peru um gegen CDM-Abfallverbrennungsanlagen zu protestieren. Vertreter von Tausenden von Abfallsammlern warnten vor der existentiellen Gefahr für weltweit über 60 Millionen wirtschaftlich schwacher Menschen, deren Lebensunterhalt bislang durch Recycling von Abfällen gesichert war. Überdies trügen CDM-Abfallverbrennungsanlagen kaum zur Emissionsvermeidung bei weil thermische Behandlung des festen städtischen Mülles mit niedrigem Energiewert schlecht funktioniere.

Kleine Abfallvermeidungsprojekte trennen organischen Müll durch Recycling und Kompostierung von Deponien und vermeiden so Methanemissionen. Eine Umsetzung solcher Projekte ist im Rahmen des CDM möglich und würde überdies 10mal mehr Arbeitsplätze per Abfalltonne als Abfallverbrennungs- und Deponiegasanlagen schaffen.


Der CDM-Exekutivrat und seine Gutachter: schlechte Noten

Im Brennpunkt steht auch der CDM-Exekutivrat, der innerhalb der UN-Klimakonvention unter anderem für die Registrierung von neuen CDM-Projekten zuständig ist. Als verlängerter Arm dienen hierzu Gutachter, sogenannte Designated Operational Entities (DOE), die im direkten Kontakt mit Projektentwicklern stehen und sicherstellen sollen, dass dem Regelwerk des CDM entsprochen wird. Auf deren Empfehlung soll der Exekutivrat über die Registrierung von CDM-Projekten entscheiden. Eine Ende Mai 2009 veröffentlichte WWF-Studie bemängelt die Qualität und die fehlende Unabhängigkeit von Gutachtern. Die Ursache dafür wird mit einem Interessenkonflikt seitens der Gutachter begründet. Einerseits sollen die Gutachter die Projektanträge unabhängig bewerten, andererseits werden sie von den Projektentwicklern selbst ausgesucht und auch bezahlt. Dieser Wettbewerb zwischen den DOEs hat zur Folge, dass Projekte oft mangelhaft geprüft und die Meinung der zivilen Bevölkerung ignoriert wird. So werden CDMProjekte auch trotz massiver Proteste der Zivilgesellschaft durchgeführt. "Ein wichtiger Schritt wäre es, die Unabhängigkeit der Gutachter sicherzustellen. Deshalb sollten sie von den UN bezahlt werden", sagt Studienleiter Lambert Schneider. "Ziel der Studie ist es, Druck auf DOEs ausüben zu können, damit die Gutachter ihre Qualität verbessern."


CDM Watch - Fazit

Um den gefährlichen Anstieg der Treibhausgase zu begrenzen, dürfen Industrieländer nicht länger in zweifelhafte Ausgleichprojekte investieren. Stattdessen werden verbindliche Reduktionsziele innerhalb der entwickelten Länder und darüber hinaus hochwertige Projekte zur Reduktion von Emissionen in Entwicklungsländern benötigt.

Die Ergebnisse der letzten Klimaverhandlungen in Bonn im Juni 2009 senden leider ein negatives Signal. Das zuletzt von Japan verkündete Ziel, Emissionen in 2020 um 8% verglichen mit den 1990er Emissionen zu kürzen bringt sogar das 30% Ziel der Europäischen Union ins Wanken. Der fehlende Wille von Industrieländern, eigene Emissionsreduzierungsmaßnahmen anzukurbeln statt günstige CDM-Kredite zu erwerben, stellt ein enormes Hindernis für die Einführung von strengeren Kriterien die höhere Kosten mit sich bringen, dar. Solange Offsetting Teil der internationalen Klimapolitik bleibt stehen die Chancen für erhöhte Qualität und strengere soziale Kriterien von CDM Projekten schlecht.


Die Autorin ist Koordinatorin von CDM Watch.

CDM Watch ist eine internationale NGO-Initiative, die vom Forum Umwelt & Entwicklung federführend betreut wird, mit der dazu beigetragen werden soll, die Zulassung von CDM-Projekten schärfer zu prüfen und NGOs in den CDM-Zielländern unterstützt werden sollen, auf solche Projekte qualifiziert und erfolgreich einzuwirken.
www.cdm-watch.org


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2009, S. 18-19
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65, 53173 Bonn
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2009