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MELDUNG/085: Der Kater kommt nach der Party. Denn ab heute heißt es: Abschalten. Stehen lassen. Dämmen. (DNR)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände e.V.
Berlin, 14. Dezember 2015

Der Kater kommt nach der Party. Denn ab heute heißt es: Abschalten. Stehen lassen. Dämmen.

Stellungnahme des Deutschen Naturschutzrings zum globalen Klimaabkommen von Paris.


"Wir begrüßen, dass die Staatengemeinschaft sich mit dem Abkommen von Paris der Herausforderung Klimawandel stellt. Zwar sind viele Formulierungen hinter unseren Erwartungen zurück geblieben, auch hat der Vertrag zusehends an Substanz verloren. Aber der zentrale - und für die Zukunft der Menschheit entscheidende - Teil formuliert sehr deutlich: 1,5 Grad heißt das neue Ziel", so der Präsident des Deutschen Naturschutzrings Prof. Dr. Kai Niebert. Der Nachhaltigkeitsexperte weiter: "Das hätten wir uns vor zwei Wochen kaum zu hoffen gewagt. Großer Dank dafür gilt dem Verhandlungsgeschick des französische Außenministers Fabius, besonders aber der deutschen Delegation unter Leitung von Barbara Hendricks und ihrem Staatssekretär, dem ehemaligen Vorsitzenden unseres DNR-Mitgliedsverbands Nabu Jochen Flasbarth." Der Deutsche Naturschutzring hatte schon lange gefordert, dass der Klimawandel unter 2 Grad begrenzt werden müsse, da bei einer Erwarmung von 2 Grad bereits Regionen der Erde nicht mehr rettbar wären.


Nationale Klimapläne sind Anfang aber nicht ausreichend

Niebert weiter: "So mancher wird heute nach der Party mit einem Kater aufgewacht sein." Um die Folgen des Abkommens zu schätzen, braucht es einfache Mathematik: Seit Beginn der Industrialisierung ist die Temperatur um knapp 1 Grad gestiegen. Bleibt ein halbes Grad übrig, um nicht hinter das Abkommen zurück zu fallen. Die dem Vertrag von Paris zu Grunde liegenden nationalen Selbstverpflichtungen bedeuten allerdings eine Erwärmung auf 3 Grad. "Nimmt man das Abkommen in seinem zentralen Teil also ernst, sind die nationalen Beiträge ein Start, müssen aber deutlich ambitionierter werden."

Zwar ist die Dekarbonisierung aus dem Abschlussdokument gestrichen und durch die Formulierung ersetzt worden, dass "nicht mehr Treibhausgase emittiert werden dürfen, als wieder absorbiert werden", etwa durch eine nachhaltige Waldpolitik. Doch wird dies nur mit den natürlichen Emissionsraten vor der Industrialisierung zu schaffen sein. Die gefährliche Verpressung von CO2 im Boden ist keine Option. "De fakto heißt das, dass wir die Verbrennung von Öl, Kohle und Gas bis 2050 gestoppt haben müssen. Global. Ohne Ausnahme. Sonst sind die 1.5 Grad nicht haltbar", so der Nachhaltigkeitsexperte der Universitäten Zürich und Lüneburg Prof. Niebert.


1.5 Grad - was bedeutet das für Deutschland

Niebert weiter: "Ich bin gespannt, was die Kabinettssitzung am kommenden Montag bringen wird, nachdem sie zu Recht Barbara Hendricks und ihre Delegation für ihren Erfolg gefeiert haben. Den politischen Beschlüssen müssen nun wissenschaftlich abgesicherte Maßnahmen folgen. Den Klimawandel bei 1.5 Grad zu stoppen heißt für Deutschland:

1. Der Wirtschaftsminister muss sämtliche sich in Planung und Bau befindliche Kohlekraftwerke stoppen. Neue Kohlekraftwerke würden mit einer Laufzeit jenseits on 40 Jahren auch nach 2050 CO2 ausstoßen. Deutschland würde damit den gestern beschlossenen Vertrag verletzen.

2. 20% des Klimawandels sind vom Verkehr verursacht. Der Verkehrsminister muss die Automobilindustrie dazu bringen, dem Öl den Rücken kehren. Wir dürfen dann nicht mehr über 120 oder 130 Gramm CO2 pro Kilometer reden. Es geht seit gestern um 0 Gramm pro Kilometer. Ohne eine Verkehrswende wird das nicht zu halten sein.

3. Der Landwirtschaftsminister - immerhin verantwortlich für 20% der CO2-Emissionen - muss die Landwirtschaft ergrünen lassen. Wir brauchen eine regenerative Landwirtschaft, die den Kohlenstoff aus der Atmosphäre holt statt ihn hineinpustet und dabei die Artenvielfalt zerstört.

4. Die Umweltministerin, die Bauministerin ist, muss sich nun ermutigt fühlen, die klima- und menschenfreundliche Stadtgestaltung ins Zentrum ihres Handels zu rücken. Wir brauchen nicht nur eine Energiewende im heizen der Häuser, sondern wir müssen Städte im Klimawandel insgesamt neu denken."


Fossile Subventionen zum Umstieg nutzen

Der große Schwachpunkt des Paris-Vertrags ist der Finanzteil. Das Versprechen der Industrieländer, den Schwellen- und Entwicklungsländern von 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar für die Umstellung auf Erneuerbare Energien und die Anpassung an den Klimawandel zu stellen, wird zwar bekräftigt. Doch wie es ab 2026 weiter geht - also dann, wenn der Klimawandellangsam spürbar wird - ist unklar. "Derzeit werden fossile Energieträger weltweit jedes Jahr mit 4.5 Billiarden (!) Euro subventioniert. Wir müssen diesen Betrag in den nächsten Jahren auf Null setzen. Dann bleibt genug übrig, um die Entwicklungsländer nicht nur beim Umbau zu helfen - sondern wir können auch die ihnen durch den Klimawandel entstandenen Schäden kompensieren", fordert der DNR-Präsident.


Umwelt-, Natur- und Tierschutzverbände werden Staaten antreiben

"Die Mehrheit der Staaten befindet sich derzeit nicht auf dem Weg zum Ziel die globale Erwärmung wie beschlossen auf 2 Grad, oder sogar 1,5 Grad zu begrenzen. Die Gräben zwischen dem in Paris vereinbarten Temperaturziel und der tatsächlichen Klimapolitik der Staaten ist tief. Wir müssen sie nun auf den richtigen Weg bekommen. Paris ist dazu ein Anfang", so Niebert. Die Verbände des Deutschen Naturschutzrings haben seit den 1970-er Jahren vor dem Klimawandel gewarnt und haben die Politik beim Atomausstieg, der Energiewende und beim Klimaschutz immer vor sich her getrieben. Auch in Paris haben unsere Mitgliedsverbände von Nabu, BUND, Germanwatch und Co., aber auch das Jugendbündnis Zukunftsenergie der Jugendumweltverbände den notwendigen Druck aufgebaut. Das Präsidium des DNR bekräftigt: "Wir werden auch weiterhin die treibende Kraft beim Weg Deutschlands in eine klimafreundliche Zukunft sein. Der DNR mit seinen 5.5 Millionen Mitgliedern wird der Bundesregierung und der Wirtschaft auf die Finger schauen - und sie auf dem Weg in eine klima-, umwelt- und menschenfreundliche Zukunft unterstützen."

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Quelle:
Pressemitteilung, 14.12.2015
Deutscher Naturschutzring
Dachverband der deutschen Natur-, Tier-
und Umweltschutzverbände e.V. (DNR) e.V.
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin-Mitte
Tel.: 030/6781775-70, Fax: 030/6781775-80
E-Mail: info@dnr.de
Internet: www.dnr.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2015

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