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INITIATIVE/131: Germanwatch-Informationsdienst KlimaKompakt Nr. 65 (GW)


Germanwatch e. V.

KlimaKompakt Nr. 65 / September 2009

Montag, 14. September 2009


Editorial
Große Koalition von Moral mit Interessen

DIW-Studie zu Exportchancen bei weltweitem Klimaschutz
Deutschland kann von ambitioniertem Kopenhagen-Abkommen profitieren

Klimafinanzierung als Knackpunkt für ein Kopenhagen-Abkommen
Töten die Finanzminister den Kopenhagen-Deal?

Britische Regierung zu Klimafinanzierung Zusätzliche und automatische Mechanismen notwendig

Raute

Editorial

Große Koalition von Moral mit Interessen

Zwei Elemente sind von grundlegender Bedeutung in einem ambitionierten Kopenhagenabkommen. Erstens: Die Klimaschutzverpflichtungen der Industrie- und Schwellenländer. Zweitens: Die Finanzierungsleistungen der Industrieländer für Klimaschutz in Schwellen- sowie Entwicklungsländern, für den Schutz des Regenwaldes und die Anpassung an den unvermeidlichen Teil des Klimawandels.

Beim Klimagipfel in Bali Ende 2007 wurde die Grundarchitektur des Deals von Kopenhagen von allen Staaten akzeptiert: Das Ausmaß der bericht-, mess- und verifizierbaren Klimaschutzaktivitäten der Schwellenländer wird sich am Ausmaß der bericht-, mess- und verifizierbaren Finanz- und Technologiekooperation durch die Industriestaaten orientieren. "No money, no deal", bringt das die dänische Ratspräsidentschaft auf den Punkt. US-Präsident Obama hat das Thema "Finanzierung" auf die Agenda des G20-Gipfels in Pittsburgh gesetzt. Großbritannien hat in der EU die Debatte vorangetrieben. Die EU-Kommission hat jetzt einen, allerdings viel zu gering bemessenen Vorschlag vorgelegt. Das DIW hingegen hat gezeigt, dass für Deutschland eine milliardenschwere Finanzierung eine lohnende Investition wäre. Ein ehrgeiziges Klimaabkommen spielt mehr an Export- und letztlich Steuereinnahmen in deutsche Kassen als die Investitionen in Klimaschutz und -Anpassung kosten. Zugleich spart eine solche Strategie enorme Zukunftskosten. Das moralisch Notwendige lässt sich mit den Interessen der Menschen hier wie dort verknüpfen. Fehlt nur noch der politische Mut.

Christoph Bals


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DIW-Studie zu Exportchancen bei weltweitem Klimaschutz

Deutschland kann von ambitioniertem Kopenhagen-Abkommen profitieren

Im April 2009 hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die belegen, dass Deutschlands Exportwirtschaft von einem starken weit mehr als von einem schwachen Kopenhagen-Abkommen profitieren könnte. Zwar muss von der Bundesregierung auch ein substanzieller Finanzbeitrag für ein ambitioniertes Kopenhagen-Abkommen erwartet werden, in der Größenordnung von 6 bis 10 Mrd. Euro jährlich. Die nach der Studie zu erwartenden positiven ökonomischen Effekte würden diesen Betrag sehr wahrscheinlich um ein Mehrfaches übertreffen, sodass vermutlich die Steuereinnahmen sogar höher als die Kosten wären.

Germanwatch dokumentiert Auszüge eines Artikels des DIW-Wochenberichts mit zentralen Aspekten der Studie.

"Die weltweiten Ausgaben für Umweltschutzgüter und Investitionen in erneuerbare Energien beliefen sich im Jahr 2004 auf über 580 Milliarden US-Dollar ð konservativ gerechnet. Aufgrund des langfristigen Wachstums der Weltwirtschaft und zunehmender ökologischer Herausforderungen werden die Ausgaben in Zukunft stark wachsen. [...] Für ein technologisch führendes und exportorientiertes Industrieland wie Deutschland ergeben sich aus grünen Zukunftsmärkten erhebliche Chancen für Wachstum und Beschäftigung.

[...] In zwei Szenarien wird eine plausible Spannweite der in Zukunft denkbaren Entwicklungen aufgezeigt. Nach den Abgrenzungen dieser Untersuchung wachsen die globalen Ausgaben in Preisen und Wechselkursen von 2004 von 584 Milliarden US-Dollar im Jahr 2004 auf 1209 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 (Szenario "Niedrige Umweltschutz ausgaben") beziehungsweise 1902 Milliarden US-Dollar (Szenario "Hohe Umweltschutzausgaben"). Deutsche Anbieter profitieren von den sich neu eröffnenden Exportchancen. Im Szenario mit weltweit niedrigem Anstieg der Ausgaben für den Umweltschutz und mit einem konservativen globalen Wachstum der erneuerbaren Energien erhöht sich die in Deutschland wirksame Nachfrage auf 105,7 Milliarden US-Dollar (um jahresdurchschnittlich 2,3 Prozent.). Dieser Anstieg ist deutlich durch das Exportwachstum von jährlich rund 6,3 Prozent getragen. Im Szenario mit weltweit hohem Anstieg der Ausgaben für den Umweltschutz und der Investitionen in erneuerbare Energien ergibt sich für Deutschland im Jahr 2020 eine deutlich höhere Nachfrage nach Umwelt- und Klimaschutzgütern von 171,3 Milliarden US-Dollar (Anstieg 5,4 Prozent jährlich). Die deutschen Exporte wachsen mit rund 9,4 Prozent besonders kräftig."

Quelle:
J. Blazejczak, F. Braun und D.Edler in:
DIW-Wochenbericht Nr. 18/2009, S. 294-301,
www.diw.de/sixcms/detail.php/237602


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Klimafinanzierung als Knackpunkt für ein Kopenhagen-Abkommen

Töten die Finanzminister den Kopenhagen-Deal?

Eine ausreichende und verlässliche Klimafinanzierung für die Entwicklungsländer ist ein zentraler Knackpunkt für die Kopenhagen-Verhandlungen.

Germanwatch dokumentiert Auszüge aus einem Papier des Oxford-Wissenschaftlers Benito Müller, der die Rolle der Finanzministerien in den Mittelpunkt rückt.

"Im Dezember, wenn die Regierungen der Welt in Kopenhagen mit der Entscheidung über einen neuen globalen Umgang mit dem Klimawandel hadern werden, besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Chancen des Abkommens durch die Staatskassen und Finanzministerien der reichen Industrieländer blockiert werden.

Es gibt eine Reihe von Konfliktpunkten in diesen Verhandlungen. Einer davon ist, dass die Entwicklungsländer nicht länger bereit sind, sich ins Abseits stellen zu lassen. In der Vergangenheit wurden sie mit dem Versprechen auf finanzielle Unterstützung geködert, doch alles, was sie bekamen, war die Errichtung einiger Fördertöpfe, die mehr oder weniger leer blieben. Diese Tatsache blieb nicht unbemerkt und deshalb ist klar, dass sich die Entwicklungsländer in Kopenhagen nicht mit weiteren 'Placebo-Funds' zufrieden geben werden.

Die Gesamtsumme, die weltweit benötigt wird, liegt in der Größenordnung der derzeitigen Entwicklungshilfe (ODA), die wiederum geringer als die Ausgaben für den Irakkrieg sind. England zum Beispiel müsste nicht mehr als 6% davon zur Verfügung stellen [...]. Die fraglichen Summen sind erheblich ð besonders im Vergleich zu dem, was bisher als Angebot zur Unterstützung der Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel zur Debatte stand ð aber sie wären für die Industrieländer nicht gravierend. Es ist wahr, dass der Fiskus in Zeiten ökonomischer Krisen normalerweise weniger Steuereinnahmen ins Ausland fließen lässt, egal wie wichtig und erstrebenswert die Gründe dafür sind. Aber es gibt Möglichkeiten, dieses Hindernis zu überwinden.

Natürlich stünden die Finanzministerien wesentlich besser da, wenn ihre Regierungen sich nicht dafür entschieden hätten, so viele Emissionszertifikate zu verschenken ð so wie es die EU bei der Reform des Emissionshandelssystems (ETS) Dezember wieder gemacht hat und wie der US-Kongress es nun wohl ebenfalls machen wird. Dennoch könnte ein Teil der Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate, der den Staatskassen zur Verfügung steht, zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer zurückgestellt werden. Genau das ist der Vorschlag der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, aber sie wurden bisher von den EU-Finanzministerien mit der Begründung, dass eine solche Zweckbestimmung (oder Verpfändung) eine schlechte Finanzpolitik wäre, zurückgewiesen. Das ist merkwürdig, und zwar deshalb, weil die Zweckbestimmung von Staatseinkünften entgegen dieser puritanischen Einwände üblich ist. Der Trick dabei war bisher nur, diese Einnahmen zu sogenannten 'off budget'-Einnahmen zu erklären, so wie es schon im Kontext der Sozialen Sicherheit, staatlichen Lotterien und Entschädigung bei Umweltzerstörung [in Großbritannien, Anm.d.Red.] geschehen ist. Es gibt keinen Grund, warum das nicht auch bei den ETS-Versteigerungen der Fall sein sollte [...].

Es hat alternative 'innovative Finanzierungsvorschläge' gegeben, die den staatlichen Fiskus umgehen könnten. Die Regierung Norwegens brachte die Idee vor, einen Teil der Emissionszertifikate auf einem internationalen Level einzubehalten mit dem Auftrag, sie international zu versteigern und den Erlös direkt an die Entwicklungsländer weiterzureichen.

Ein anderer Vorschlag war, vorgebracht von der Gemeinschaft der ärmsten Entwicklungsländer (LDCs), eine Passagiersteuer für den internationalen Flugverkehr ins Auge zu fassen, die wiederum international erhoben und an ärmere Länder abgegeben wird. Diese beiden Mechanismen könnten einen signifikanten Anteil der finanziellen Unterstützung für die Entwicklungsländer in einem neuen Klimaabkommen generieren. Wie zu erwarten, fanden diese Vorschläge keinen großen Anklang bei den Finanzministerien (der Industrieländer), die das Argument der finanzpolitischen Reinheit gegen diese Zweckbestimmung von Geldern vorbrachten, doch ist in diesem Zusammenhang 'fiskalische Purität' eher als 'fiskalische Gier' zu verstehen. Wenn man in Kopenhagen zu einem Entschluss kommen will, muss man etwas dafür tun ð und das liegt in der Hand der Finanzministerien der reichen Staaten. Das Geld, das zur Unterstützung der Entwicklungsländer benötigt wird, muss aufgetrieben werden, damit sie ihre Emissionen verringern und sich an die unvermeidbaren Klimaveränderungen anpassen können. Dazu müssen wir jedes mögliche Hilfsmittel, das uns zur Verfügung steht, nutzen - je früher desto besser. Ansonsten werden wir unseren Enkelkindern erklären müssen, dass wir versuchten, die globale Erderwärmung auf 2°C zu beschränken ð und unsere Staatskassen erklärten, sie könnten nur 4°C schaffen."

Quelle:
Oxford Energy and Environment Comment, Juni 2009:
Are Treasuries killing the climate deal?
www.oxfordenergy.org/pdfs/comment_06_01_09.pdf


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Britische Regierung zu Klimafinanzierung

Zusätzliche und automatische Mechanismen notwendig

Am 26. Juni hat die britische Regierung ihre Vorschläge zur Finanzarchitektur eines Kopenhagen-Abkommens vorgestellt.

Germanwatch bringt Auszüge aus dem Dokument "The Road to Copenhagen".

"Nur ein internationales Abkommen kann die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen, kein Land kann sich dem im Alleingang stellen: ein globales Problem erfordert eine globale Lösung. [...]

Das Ausmaß der Bemühungen und des Einsatzes von Entwicklungsländern wird ihre nationalen Begebenheiten berücksichtigen müssen, aber dennoch müssen sie ð mit angemessener Unterstützung durch die Industrieländer ð handeln, um einen Weg des geringeren CO2-Ausstoßes zu wählen. [...]

Großbritannien möchte eine Übereinkunft in Kopenhagen sehen, die angemessene, zusätzliche, verlässliche und zeitnahe internationale Finanzierung liefert für die, die sie am meisten benötigen. Die für Anpassung, Emissionsvermeidung, Waldschutz und Technologie benötigten Finanzsummen werden nach 2013 ansteigen, wenn die Kapazität der Entwicklungsländer in Klimamaßnahmen zu investieren wächst. Jüngste Schätzungen sehen einen Bedarf von ca. 100 Mrd. USD pro Jahr in 2020. Wir erwarten, dass der Privatsektor die Hauptquelle sein wird, mit einem reformierten Kohlenstoffmarkt, der einen signifikanten Anteil der zusätzlichen Kosten in 2020 tragen wird. [...] Aber internationale öffentliche Finanzierung wird eine wichtige Rolle spielen müssen, insbesondere für Anpassungsmaßnahmen [...]

Um eine Finanzierung sicherzustellen, die ausreichend ist, um dem Klimawandel zu begegnen und gleichzeitig die Millennium-Entwicklungsziele zu erreichen, sollte ein Teil der Klimafinanzierung zusätzlich zu den langfristigen Verpflichtungen der Entwicklungshilfe (ODA) sein. Großbritannien wird versuchen zu garantieren, dass alle Industrieländer sich zu neuer Finanzierung zusätzlich zu den ODA-Versprechungen verpflichten. Großbritannien verspricht, neue Finanzierung zusätzlich zu unserem ODA-Ziel, bis 2013 0,7% des Bruttonationaleinkommens beizusteuern, zu liefern.

Um den Entwicklungsländern die notwendige Sicherheit zu geben, dass die versprochene Finanzunterstützung auch wirklich gewährt wird, wird im Rahmen eines umfassenden Kopenhagen-Abkommens, bei dem alle Länder ihren Beitrag leisten müssen, irgendeine Form eines automatischen Mechanismus notwendig sein. Norwegen hat einen internationalen automatischen, marktbasierten Ansatz vorgeschlagen [Versteigerung von nationalen Emissionserlaubnissen, Anm.d.Red.]. Wo es Ländern nicht möglich ist, daran teilzunehmen, könnten sie vergleichbare nationale Gesetze beschließen, um die angemessene Finanzierung vorhersagbar zu liefern. Wir bleiben auch offen, andere Finanzierungsquellen zu untersuchen, wie die Kohlenstofffinanzierung, die durch den Einbezug des Flugverkehrs und von Schifffahrtsemissionen in ein Kopenhagen-Abkommen, erbracht werden könnte. [...]

Zusammengenommen glauben wir, dass diese Vorschläge in einem neuen 'Finanzpakt' münden könnten, der, im Kontext ambitionierter Emissionsvermeidungsangebote von Entwicklungsländern, angemessene, zusätzliche, vorhersagbare und zeitnahe Finanzierung für Entwicklungsländer für Anpassung, Emissionsvermeidung, Waldschutz, Technologie und Kapazitätenaufbau bringen könnte."

Quelle:
Department of Energy and Climate Change (2009):
The Road to Copenhagen.
www.tinyurl.com/uk2009road


Redaktion:
Sven Harmeling (V.i.S.d.P.), Lena Reuter, Christoph Bals, Gerold Kier

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KlimaKompakt Nr. 65, 14. September 2008
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2009