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FORSCHUNG/453: Die ewige Pumpe (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 3/2013

Die ewige Pumpe

von Ute Kehse



Der hydrologische Kreislauf verteilt unermüdlich Wasser zwischen Land, Ozean, Atmosphäre und Kryosphäre. Wie das im Detail geschieht, erforschen Stefan Hagemann und seine Kollegen am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Dabei untersuchen sie Rückkopplungen zwischen Feuchtgebieten, künstlicher Bewässerung, Permafrost und Klima.

Wassermoleküle sind immer auf Reisen. Sie wandern vom Ozean in die Atmosphäre, verteilen sich in alle Winkel der Kontinente und kehren schließlich, nach Tagen, Monaten oder Jahrhunderten, in den Ozean zurück. Von allen Stoffen, die am Kreislauf der Elemente auf der Erde teilnehmen, haben sie vielleicht das abwechslungsreichste Dasein. Ein Wassermolekül kann sich auf der Erde im festen, im flüssigen oder im gasförmigen Zustand befinden. Es kann im Meer umhertreiben, in die Lüfte steigen, als Wolke über den Himmel tanzen, in einem Eisstrom langsam über die Erdoberfläche kriechen oder zügig durch ein Flussbett plätschern. Es kann im Boden versickern, von einer Pflanze aufgesaugt und wieder abgesondert werden oder sich als Grundwasser allmählich einen Weg durch den Untergrund bahnen.

Der von der Sonne angetriebene Wasserkreislauf ist gigantisch: Die Atmosphäre enthält zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine Menge an Wassermolekülen, die im flüssigen Zustand ein Volumen von 12 900 Kubikkilometern füllen würde. Diese Menge reicht, um den Erdboden weltweit 2,5 Zentimeter hoch zu bedecken. Doch insgesamt wälzt der hydrologische Kreislauf sogar ein Vielfaches dieser Feuchtigkeitsmenge um. Es ist, als ob der gesamte Wassergehalt der Atmosphäre etwa 40-mal pro Jahr komplett ausgetauscht würde.

Die Reise des Wassers spielt für das Klima auf der Erde eine wichtige Rolle. Doch für Klimaforscher ist sie eine Zumutung. Nicht genug damit, dass Wasser so viele unterschiedliche Reiserouten und Transportwege nutzt. Viele hydrologische Prozesse spielen sich zudem auf sehr kleinem Raum ab. Lokale Vorgänge wie Gewittergüsse, die Verdunstung in Feuchtgebieten oder der Abfluss von Gletschern fallen durch das übliche Raster, mit dem Klimaforscher die Erde in ihren Modellen überziehen.

Die wichtigsten Werkzeuge der Wissenschaftler, die Erdsystemmodelle der neuesten Generation, können zwar die Temperaturen auf der Erde recht gut berechnen. Doch wenn es darum geht, den Niederschlag in einer Region abzuschätzen, haben sie noch ihre Schwächen. "Der Fehler liegt teilweise bei 50 bis 100 Prozent", meint Stefan Hagemann. Der habilitierte Physiker arbeitet am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg hart daran, dass sich das ändert: Er leitet die Arbeitsgruppe Terrestrische Hydrologie. Ziel des Teams ist es, jene Teile des Wasserzyklus besser zu verstehen, die an Land ablaufen - und ihre Rückkopplung mit dem Klima zu untersuchen.


Niederschläge nehmen mit der Erderwärmung zu

Der wichtigste Zusammenhang besteht dabei in der Wechselwirkung zwischen Niederschlag und Temperatur. Wolken, Regen, Hagel und Schnee befördern nicht einfach nur einen lebenswichtigen Stoff über den Globus, sondern sie führen dabei auch Wärmeenergie mit sich - wenn auch versteckt, in latenter Form, wie Meteorologen das nennen. Wasserdampf zum Beispiel gibt Wärme ab, wenn er zu flüssigem Wasser kondensiert oder zu Eis erstarrt. Umgekehrt ist eine Energiezufuhr notwendig, damit Eis schmilzt oder sublimiert oder damit flüssiges Wasser verdunstet. Diese Energie holt sich das Wasser aus seiner Umgebung. Wo viel Wasser verdunstet, wird es folglich kühler. Dies ist auch der Grund, warum sich Regen auf der Haut kalt anfühlt oder warum Schweiß den Körper abkühlt.

Wenn Klimaforscher die Temperaturen für die Zukunft korrekt prognostizieren wollen, müssen sie daher auch wissen, wie sich der Niederschlag entwickelt. "Generell kann man sagen, dass sich der Wasserkreislauf und die Niederschläge durch die globale Erwärmung intensivieren", sagt Stefan Hagemann. Denn eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasser speichern. Doch es gibt auch Gebiete, die trockener werden. "Regnet es in einer eher trockenen Region noch weniger, dann kann dort die Verdunstung abnehmen und damit auch die Kühlung. Es wird dort also noch wärmer", erläutert der Hamburger Forscher. Der sinkende Niederschlag verstärkt die Erwärmung mithin zusätzlich - eine positive Rückkopplung, wie sie im Buche steht.

Hagemann und seine sechs Kollegen konzentrieren sich auf drei ganz unterschiedliche hydrologische Prozesse, die in den derzeitigen Klimamodellen noch nicht realistisch wiedergegeben werden, die aber unter Umständen starke Rückkopplungen mit dem Klima eingehen können. Zum einen untersuchen sie die Folgen der künstlichen Bewässerung. Wo für die Landwirtschaft Wasser auf den Feldern ausgebracht wird, steigt die Verdunstung - ein Effekt, der nicht nur die Temperaturen, sondern auch großräumige Luftströmungen in der Atmosphäre beeinflussen kann.


Bewässerung beeinflusst die regionale Temperatur

Zum zweiten modellieren die Hamburger Forscher das Wachsen und Schrumpfen von Feuchtgebieten in Abhängigkeit vom Klima. Ihr dritter Forschungsschwerpunkt ist der Permafrost. In den ständig gefrorenen Gebieten der hohen Breiten laufen eine ganze Reihe komplizierter hydrologischer Prozesse ab, von denen es abhängt, inwieweit der Boden im Sommer auftaut und wie viel Wasser dort gespeichert wird. Darüber hinaus möchte die Gruppe herausfinden, wie groß die Fehler sind, die verschiedene Klimamodelle derzeit noch bei der Berechnung des terrestrischen Wasserkreislaufs machen.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür, wie wichtig hydrologische Prozesse für das regionale Klima sein können, untersuchte Fahad Saeed in seiner Doktorarbeit. Der Physiker, der mittlerweile vom Hamburger Max-Planck-Institut zum Climate Service Center in Hamburg gewechselt ist, befasste sich mit der Bewässerung in Indien und Pakistan.

"Der indische Subkontinent ist eine der am intensivsten bewässerten Regionen der Welt", sagt Saeed, der selbst aus dem Norden Pakistans stammt. Das Klima ist vom Monsun geprägt: Im Winter regnet es kaum, doch im Sommer strömt monatelang feuchte Meeresluft aus dem Arabischen Meer und dem Golf von Bengalen und regnet an den Hängen des Himalaja ab. An einigen Orten fallen im Durchschnitt 10 000 Millimeter Niederschlag pro Jahr - mehr als zehnmal so viel wie in Deutschland.

Die Ursache für den Monsun ist der starke Temperaturunterschied zwischen Land und Meer. In den Sommermonaten erwärmen sich die Landmassen viel stärker als der Ozean. Die heiße Luft über dem Subkontinent steigt auf und saugt dadurch vom Indischen Ozean feuchte Luft an, die ihre nasse Fracht über Land ablädt. Dämme und Stauseen fangen den üppigen Sommerregen auf, damit die Felder das ganze Jahr über bewässert werden können.

Eine ausgeklügelte Bewässerungstechnik war vermutlich bereits die Grundlage für die frühe Hochkultur am Indus vor mehr als 5000 Jahren. Auch heute wird das Wasser des gewaltigen Stromes im Nordwesten des Subkontinents intensiv genutzt: Im Einzugsgebiet des Indus befindet sich das größte zusammenhängende Bewässerungsgebiet der Welt, bestehend aus unzähligen Talsperren, Dämmen und einem riesigen Netz aus Kanälen und Rohrleitungen. Lediglich ein Achtel des Niederschlags im Einzugsgebiet des Indus, so schätzen Experten, erreicht noch die Mündung im Arabischen Meer. Der Rest wird erst auf den Feldern verteilt und verdunstet anschließend wieder.

Die gewaltigen Wasserdampfmengen, die aus dem Boden des Indus-Beckens aufsteigen, so entdeckte Fahad Saeed, haben einen großen Einfluss auf das gesamte Monsunklima in Indien. "Die Tiefdruckgebiete aus dem Golf von Bengalen würden ohne Bewässerung nicht sehr tief ins Landesinnere vordringen", sagt der Physiker. Saeed verglich zwei verschiedene Versionen des regionalen Klimamodells REMO des Max-Planck-Instituts für Meteorologie. In die eine hatte er den Effekt der Bewässerung eingebaut, in die andere nicht. Wie er feststellte, entwickelte sich in dem Modell ohne Bewässerung stets ein zu starker Westwind vom Arabischen Meer in Richtung Golf von Bengalen, der die Monsuntiefs davon abhielt, nach Osten zu wandern. Im Modell mit Bewässerung war der störende Wind weniger stark ausgeprägt, sodass der Pfad der modellierten Tiefdruckgebiete besser mit den Beobachtungen übereinstimmte.

Durch die Berücksichtigung der Bewässerung gelang es auch, ein weiteres Defizit des regionalen Klimamodells zu beseitigen: Ein sogenanntes Hitzetief über Nordwestindien und Nordpakistan ließ sich mit dem veränderten Wasserhaushalt realistischer darstellen. In früheren Klimamodellen war dieses Hitzetief, ein stationäres Tiefdruckgebiet, das sich wegen der extremen Hitze im Sommer über der Thar-Wüste an der Grenze zwischen Indien und Pakistan bildet, zu stark ausgeprägt. Die von Modellen errechneten Temperaturen lagen dort zum teil fünf Grad Celsius über den tatsächlichen Werten, auch der modellierte Luftdruck war wesentlich niedriger als der beobachtete.


Tauen Gletscher ab, führt der Indus weniger Wasser

Doch in Saeeds Modell mit Bewässerung verschwand dieser systematische Fehler, das Hitzetief war weniger intensiv. "Offenbar muss man die Bewässerung berücksichtigen, um das Monsunklima realistisch zu simulieren", sagt Stefan Hagemann. Derzeit wirkt sich der menschliche Einfluss in der Region insgesamt positiv auf das Klima aus: Ohne das gigantische Bewässerungsgebiet am Indus wäre es in weiten Teilen Indiens nicht nur heißer, sondern auch deutlich trockener.

Möglicherweise aber wird die Quelle, aus der sich die Bewässerungsanlagen speisen, mit dem Klimawandel allmählich versiegen. Denn ein großer Teil des Induswassers stammt aus den Gletschern des Himalaja. Tauen die Eismassen ab, nimmt die Wassermenge ab, die für die Bewässerung zur Verfügung steht. Dann könnte die Verdunstung im Bewässerungsgebiet sinken und ihr positiver Einfluss schwinden. Künftige Klimamodelle müssen daher auch Änderungen der Landnutzung berücksichtigen, sagt Hagemann.

Einen mindestens ebenso wichtigen Einfluss auf das Klimasystem wie die Bewässerung haben Feuchtgebiete. Sümpfe, Moore, Auen und Marschländer speichern nicht nur Wasser, sondern nehmen auch Kohlenstoff auf. Da sich organisches Material in Feuchtgebieten nur sehr langsam zersetzt, sammelt sich der Kohlenstoff über die Jahre und Jahrtausende an. Moore gelten beispielsweise als effektivste Kohlenstoffspeicher an Land.

Insgesamt enthalten Feuchtgebiete ungefähr so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre. Allerdings setzen sie auch Treibhausgase frei: Wenn das organische Material aerob abgebaut wird, dünsten sie Kohlendioxid aus. Wenn kein Sauerstoff vorhanden ist, entsteht das wesentlich wirksamere Treibhausgas Methan. Ob eine Sumpflandschaft Kohlenstoff aufnimmt oder abgibt und in welcher Form sie das tut, hängt vor allem vom Wasserspiegel ab. Einige Forscher vermuten, dass Feuchtgebiete sich durch die globale Erwärmung von Kohlenstoff-Senken in -Quellen verwandeln könnten, weil die Methanbakterien in sauerstoffarmen Faulschlämmen bei höheren Temperaturen aktiver werden.

Damit diese Zusammenhänge in Zukunft von Erdsystemmodellen berechnet werden können, hat Tobias Stacke aus der Hamburger Arbeitsgruppe in seiner Doktorarbeit ein Modell entwickelt, in dem das Wachsen und Schrumpfen von Feuchtgebieten simuliert wird. In den höheren Breiten dehnen sich kleinere Gewässer zum Beispiel im Frühjahr nach der Schneeschmelze zu regelrechten Seenplatten aus. Ändert sich das Klima in einer Region langfristig, hat dies ebenfalls Auswirkungen auf die Feuchtgebiete, die sich dort befinden.


Das Modell berechnet Seen an den richtigen Stellen

Stacke baute diese Prozesse zunächst in ein spezielles Hydrologiemodell des Instituts ein, ein Programm mit dem Namen MPI-HM. "Dieses Modell ist relativ einfach, liefert aber genauso gute Ergebnisse wie andere, wesentlich kompliziertere Hydrologiemodelle", betont Stefan Hagemann. Es ist daher ein ausgezeichnetes Werkzeug, um neue Programmteile wie das Feuchtgebietsmodul zu testen. Als Eingabe verwendet MPI-HM entweder beobachtete oder modellierte Niederschlagsdaten. Das Modell berechnet dann zum Beispiel die Verdunstung, den Abfluss und die Bodenfeuchte - entweder für eine bestimmte Region oder für die gesamte Erde.

Um herauszufinden, wie realistisch die Ergebnisse seines Modells sind, simulierte Stacke damit die Verteilung der Feuchtgebiete im mittleren Holozän vor 6000 Jahren. Damals fiel etwa in der Sahara wesentlich mehr Niederschlag als heute, auch in Südasien war das Klima feuchter. In Afrika gab es ausgedehnte Seen, etwa den Tschadsee am Südrand der Sahara. Das Gewässer bedeckte 400 000 Quadratkilometer - mehr als das Kaspische Meer heute. Auch im Modell entstanden solche Megaseen an den richtigen Stellen.

Für das heutige Klima lieferte das Modell ebenfalls die richtige Verteilung und Ausdehnung der Feuchtgebiete. Da es sich bewährt hat, arbeitet Tobias Stacke derzeit daran, sein Modell in das Landmodell JSBACH des Max-Planck-Instituts in Hamburg einzugliedern, das wiederum Teil des aktuellen Erdsystemmodells ist. Dabei arbeitet er eng mit Forschern aus Victor Brovkins Arbeitsgruppe Wechselwirkung Klima-Biogeosphäre zusammen, die vor allem an der Methanproduktion der Feuchtgebiete interessiert sind.

Als Quellen des Treibhausgases Methan sind auch die nördlichsten Landflächen der Erde gefürchtet - jene Regionen in Nordamerika oder Sibirien, in denen der Boden permanent gefroren ist. Permafrostgebiete speichern wie Feuchtgebiete große Mengen Kohlenstoff in organischer Materie; sie sind sozusagen tiefgefrorene Sümpfe. Taut der Boden dort auf, könnte sich der angesammelte Kohlenstoff schnell zersetzen. Es gelangten zusätzliche Mengen Methan und Kohlendioxid in die Atmosphäre, die die Erwärmung verstärken würden. Schon lange fragen sich Klimaforscher daher, wie der Permafrost auf die globale Erwärmung reagieren wird - wo, wie schnell und wie tief der Boden auftauen wird.

Allerdings sind diese Fragen nicht so leicht zu beantworten, da die Hydrologie des Permafrostes viel komplizierter ist als die von gewöhnlichem Boden. Schuld daran ist die dünne, aktive Schicht, die im Sommer auftaut und die dann über der weitgehend wasserundurchlässigen gefrorenen Schicht liegt. Die oberste Schicht ist oftmals recht sumpfig, selbst in Gebieten mit geringem Niederschlag. Im Winter fließt nur extrem wenig Wasser ab, im Frühling, zur Schneeschmelze, dagegen wesentlich mehr.

Da das Tauwasser nicht tief in den Boden eindringen kann, fließt es viel schneller ab als in gemäßigten Breiten. Zudem wachsen in Permafrostböden häufig metergroße Eiskeile heran, die zum Beispiel nach heftigen Regengüssen plötzlich kollabieren können. Dann bilden sich sogenannte Thermokarst-Seen, welche wiederum die Erosion des Bodens fördern.


Der Boden wirkt wie ein Gedächtnis

Wie Vergleichstests zeigen, versagen die derzeitigen Erdsystemmodelle noch dabei, das spezifische hydrologische Verhalten der Permafrostböden im heutigen Klima korrekt wiederzugeben. "Die meisten Erdsystemmodelle beziehen nicht einmal die einfachsten Prozesse ein, die im Permafrost ablaufen, etwa das Gefrieren und Tauen des Bodenwassers", bemängelt Stefan Hagemann. Seine Gruppe will das ändern: Die Forscher sind am EU-Projekt PAGE21 beteiligt, das die Verwundbarkeit der Permafrostgebiete durch den Klimawandel untersucht.

Tanja Blome beschäftigt sich derzeit mit den Permafrost-typischen hydrologischen Prozessen. Sie kooperiert in diesem Projekt eng mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, die diese Prozesse in das Max-Planck-Landsystemmodell JSBACH eingebaut haben, um die Methanproduktion der Dauerfrostböden zuverlässiger zu simulieren.

Sei es in Permafrostböden, in Feuchtgebieten oder in der künstlich bewässerten Kulturlandschaft des indischen Subkontinents - der Wasserhaushalt an Land und folglich die Bodenfeuchte können für mittelfristige Vorhersagen regional eine zentrale Rolle spielen. Daher engagiert sich Stefan Hagemanns Gruppe auch im BMBF-Projekt MiKlip (Mittelfristige Klimaprognosen). Dabei geht es darum, Klimaprognosen für die nächsten Jahre bis hin zu Dekaden zu verbessern.

Ein detailliertes Verständnis der hydrologischen Prozesse an Land kann dabei helfen: Da der Boden Wasser über lange Zeit speichern kann, wirkt er wie ein Gedächtnis. Eine Trockenzeit oder eine Überschwemmung können sich noch nach Monaten auf Temperaturen und Niederschlag auswirken. Wie stark die Pflanzen wachsen und wie viel Wasser sie durch ihre Poren abgeben, ist ebenfalls von der Bodenfeuchte abhängig.

Bislang ging die Bodenfeuchte allerdings nur sehr vereinfacht in das Erdsystemmodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie ein: "Der Boden wurde als eine einzige Schicht dargestellt", berichtet Hagemann. Modellpflanzen und Verdunstung saugten das Regenwasser nach und nach wieder aus dem Boden heraus. In Trockenzeiten sank die Bodenfeuchte in den Modellen schnell auf null, sodass kein Wasser mehr verdunsten konnte. "Das ist aber unrealistisch", sagt Hagemann. Dieser Fehler zeigt sich in einigen Gegenden, etwa an der Donau oder am Amazonas, wo das Modell regelmäßig höhere Sommertemperaturen errechnet, als in Wirklichkeit auftreten.


Wie feucht ist der Boden in grösserer Tiefe?

Um das Problem zu beheben, stellt Stefan Hagemann den Boden in der neuesten Modellversion in Form von fünf übereinanderliegenden Schichten dar. "Besonders in mitteltrockenen Gebieten, wo ein Teil des Bodens nicht von Vegetation bedeckt ist, bekommen wir dadurch eine bessere Beschreibung", sagt der Forscher.

Da es schwierig ist, die Bodenfeuchte flächendeckend zu messen, arbeitet Hagemann auch daran, die Modelldaten mit Satellitendaten abzugleichen. "Der Satellit sieht nur die obersten paar Zentimeter des Bodens", berichtet er. Daher lässt sich bislang kaum sagen, wie feucht der Boden in größerer Tiefe ist. Hagemanns Ziel besteht nun darin, dies mithilfe seines neuen Modells aus den Satellitendaten zu errechnen. Diese Forschungsarbeiten interessieren auch die europäische Raumfahrtagentur ESA, erklärt der Physiker: "Dort will man das Modell nutzen, um die Satellitendaten zu evaluieren."

Die Zusammenarbeit mit anderen Forschern innerhalb und außerhalb der Max-Planck-Gesellschaft ist für Hagemanns Arbeitsgruppe sehr wichtig, zumal sich das Team komplett aus Drittmitteln finanziert. Neben dem BMBF-Projekt MiKlip und dem EU-Projekt Page21 sind die Forscher derzeit auch am EU-Projekt Embrace (Earth system Model Bias Reduction and assessing Abrupt Climate changE) beteiligt, in dem es darum geht, Erdsystemmodelle zu verbessern. In diesen umfassenden Forschungsvorhaben tragen die Hamburger Meteorologen Kenntnisse bei, die bisher kaum berücksichtigt wurden: Detailwissen von der ewigen Pumpe, die Wasser durch das Erdsystem bewegt.

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Auf den Punkt gebracht

• Zwischen Land, Ozeanen, Atmosphäre und Kryosphäre wird ständig Feuchtigkeit in gigantischen Mengen bewegt - so viel, als würde das gesamte Wasser in der Atmosphäre 40-mal pro Jahr ausgetauscht. Dabei ist der Wasserkreislauf an Land eng mit dem regionalen und globalen Klima gekoppelt.

• Wie Simulationen der Forscher am Max-Planck-Institut für Meteorologie zeigen, führt die massive Bewässerung auf dem indischen Subkontinent dazu, dass es in der Region weniger heiß und trocken ist als in einem Klima ohne Bewässerung. Mit der Erderwärmung könnte dafür weniger Wasser zur Verfügung stehen.

• Ob Feuchtgebiete Kohlendioxid oder Methan abgeben, hängt vom Wasserspiegel in den Ökosystemen ab. Simulationen des Wasserhaushalts von Sümpfen, Mooren, Auen und Marschländern helfen somit dabei, deren Rolle im Klimasystem genauer zu bestimmen.

• Auch für Vorhersagen, ob Permafrostböden im Zuge des Klimawandels mehr Treibhausgase freisetzen, ist die Kenntnis des Wasserhaushalts in diesen Gebieten nötig. Denn die bisher ganzjährig gefrorenen Böden könnten künftig desto mehr Kohlendioxid und Methan emittieren, je weiter sie auftauen.


Den Artikel mit Abbildungen können Sie als PDF-Datei herunterladen unter:
http://www.mpg.de/7540971/W005_Umwelt-Klima_072-079.pdf

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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 3/2013, Seite 72-79
Herausgeber: Wissenschafts- und Unternehmenskommunikation der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2013