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BERICHT/034: Australien - Überschwemmung und Dialektik (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 2 vom 14. Januar 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Überschwemmung und Dialektik
Dürreperioden und Flutkatastrophen treffen Australien

Von Hans-Peter Brenner


Alarmiert durch die Überschwemmungskatastrophe in Nordostaustralien, bei der ein Gebiet von der Größe Deutschlands und Frankreichs überflutet wurde, und der Frage nachgehend, was bzw. ob dies mit dem globalen Klimawandel zu tun hat, ist die Fülle der Informationsmöglichkeiten für den Einzelnen kaum zu verarbeiten.

Dass das australische Klima immer seine Besonderheiten aufwies, nämlich häufige, aber regional eingrenzbare, teilweise aber extreme Dürreperioden und riesige Brände, ist nichts Neues. Doch immer beunruhigender ist die Ausbreitung und damit auch der "Umschlag von Quantität in Qualität". der damit verbunden ist. Zwischen 2002 und 2008 traf den Kontinent eine Dürre, die zu diesem Zeitpunkt als schlimmste seiner Geschichte gilt. In fast allen großen Städten musste das Trinkwasser rationiert werden. "Außergewöhnlich heiße" Jahre kamen bis dahin etwa nur alle 20 bis 25 Jahre vor. In einem Bericht des "Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO), der obersten australischen Forschungsbehörde, hieß es im Juli 2008, dass künftig solche Temperaturen wahrscheinlich jedes oder jedes zweite Jahr auftreten würden. Dieses Szenario könnte schon im Jahr 2010 einsetzen. Die Gebiete, die von extremer Hitze betroffen würden, könnten von 5 auf 95 Prozent der Fläche Australiens wachsen.

Diese Prognose bewahrheitet sich jetzt. Am Ende des gerade vergangenen Jahres erlebte Australien den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen überhaupt. Der Umschwung auf die Hitze habe sich diesmal zudem besonders schnell und heftig ereignet, erklärten die Experten des australischen Wetterdienstes in ihrem Jahresbericht 2010. Das Besondere an dieser Großraumwetterlage: Je stärker sich aber die Temperaturen im östlichen Teil des Pazifischen Ozeans von der in den westlichen Gebieten unterscheiden, desto mehr Regen fällt demnach an der australischen Ostküste.

Laut Jahresbericht 2010 war das vergangene Jahr deshalb - trotz des Jahrzehnts der Dürre und Hitze - zugleich das kühlste seit neun Jahren. Im zweiten Halbjahr 2010 regnete es dazu in Australien so viel wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung. Das gesamte Jahrzehnt bis Ende 2010 war jedoch dennoch das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen.


Erneut grüßen "La Niña" und "El Niño"

Grund dafür ist nach australischen Angaben das Wetterphänomen "La Niña", (Spanisch: das kleine Mädchen), das sich seit Juli 2010 in einer besonderen Stärke entwickelt hat. (Vgl. UZ vom 24. 9. 10. "Wenn das ´kleine Mädchen´ zuschlägt") "La Niña" werde noch bis in den Herbst der südlichen Hemisphäre, also noch etwa drei Monate, anhalten und damit weitere Stark-Schauer bringen, prognostizierten die Meteorologen. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahres hatte sein Pendant "El Niño" (Span.: der kleine Junge) dagegen noch für die Fortsetzung der ausgeprägten Dürre gesorgt. Nach Angaben des australischen Wetteramts lag der "Southern Oscillation Index" zur Messung der Intensität von "La Niña" und "El Niño", im Dezember so hoch wie noch nie. Nur auf den ersten Blick sind die derzeitigen ungeheuren Wasserfluten und Überschwemmungen etwas ganz anderes. In Wirklichkeit ist dies ist nur die andere Seite derselben Medaille namens Klimawandel, wenngleich selbst solche großflächigen Wetterphänomene allein noch nicht als Beleg für den Klimawandel gedeutet werden können.


Der "große Gorilla"

Das Ganze ist nicht überraschend gekommen: Unter anderem stößt man bei google auf eine bereits recht betagte Meldung aus dem Jahre 2004 (www.spiegel.de/wissenschaft/erde/0,1518,30060) mit dem Titel: "Abnehmendes Sonnenlicht. Die Erde verfinstert sich". Darin wird ausgehend von der auffälligen Abnahme der Sonneneinstrahlung seit den 50ger Jahren über eine Tagung der "Canadian Geophysical Union" und ihre Schwestervereinigung aus den USA in Montreal berichtet. Das Fazit der Veranstaltung lautete: Seit den fünfziger Jahren sinkt die Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche im Schnitt um 2 bis 4 Prozent pro Jahrzehnt, in Europa und Asien tendenziell noch stärker. In manchen Metropolen wie etwa Hongkong wurde gar eine Abnahme des Sonnenlichts um 37 Prozent gemessen: Weiter hieß es: Das Phänomen ist entgegen früherer Annahmen nicht auf die Nordhalbkugel beschränkt, sondern hat sich weltweit ausgebreitet: Eine der damals in Montreal vorgestellten Expertisen besagte, dass in Australien die Wasserverdunstung in den vergangenen 30 Jahren stark gesunken ist - was als Beweis dieser verminderten Sonnenstrahlung gewertet wurde. "Das beweist, dass es ein globales Phänomen ist", sagte damals Michael Roderick von der Australian National University dem Online-Wissenschaftsdienst "Nature Science Update". Die Forscher sprachen deshalb von einem "Global dimming". Über die Auswirkungen dieses "Global dimming" waren sich die Experten aber nicht einig. "Es könnte ein großer Gorilla am Esstisch hocken, von dem wir bisher nichts wussten", sagte V. Ramanathan von der University of California in San Diego damals der "New York Times".

Nachträglich müssen besonders die folgenden Bemerkungen aus dem Konferenzbericht aufhorchen lassen: "Der australische Klimaforscher Roderick ist dagegen alles andere als beunruhigt - und gab der australischen Regierung gar den Rat, die Verdunkelung positiv zu bewerten."


Eine Frage der Dialektik

Roderick glaubte, dass die globale Verdunkelung zu einem "negativen Feedback" gehört, einem Mechanismus, mit dem sich die vom Menschen verdreckte Atmosphäre selbst reguliert. So sei etwa das "Standard-Dogma", wonach Australien wegen der Klimaerwärmung austrocknen werde, "schlicht falsch": In Wahrheit werde die Welt immer feuchter.

Überraschend an dieser Aussage war erstens, dass "Global dimming" offenbar dazu führt, dass Pflanzen der Atmosphäre größere Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid entziehen, da das Licht durch den Verdunkelungseffekt nicht nur geschwächt, sondern auch gestreut wird. Da das Licht vermehrt einen Zickzack-Kurs nehme anstatt in grader Linie auf die Erdoberfläche zu treffen, werden Blätter von allen Seiten bestrahlt. Selbst bei insgesamt abnehmender Lichtintensität, so die Theorie, werde die Photosynthese und damit die Bindung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre verstärkt. Verschmutzung der Atmosphäre eine Bremse gegen den CO2-Anstieg?

Irritierend war zweitens das Ausmaß der Einseitigkeit des australischen Experten. Denn woher stammt das ungeheure Maß der jetzigen "Feuchtigkeit"? In seiner Rechnung trat dies nicht auf.

Marxisten fällt in diesem Zusammenhang der Begriff "Dialektik" ein. Dürre und Überschwemmung sind kein absoluter Widerspruch; sie sind das in vielen Regionen auftretende gemeinsame Ergebnis des vom "Menschen", d. h. von der kapitalistischen Produktions-, Austausch- und Lebensweise beschleunigten Klimawandels. Die Extreme auf beiden Enden des Kontinuums verschärfen sich.


Gluthitze plus Überschwemmungen

Darauf verweist auch eine andere Meldung auf "Spiegel Online" von Januar 2007: "Forscher sagen für Sydney Klima-Katastrophe voraus." Die damaligen Klimaberechnungen prophezeiten der australischen Metropole Sydney zum einen den Anstieg der Durchschnittstemperatur bis 2070 um fast fünf Grad sowie einen deutlichen Anstieg der Zahl der Hitzetoten, verheerende Buschfeuer und Riesenwellen, die Strände abtragen und Häuser zerstören, voraus.

Der offiziellen Regierungsstudie zufolge werde die Durchschnittstemperatur in der Stadt bis 2030 um 1,6 Grad und bis 2070 um 4,8 Grad Celsius steigen - von 26 auf dann 31 Grad. Im australischen Sommer, in dem damals oft mehr als 35 Grad erreicht werden, könne es noch bis zu sieben Grad heißer werden. Sollten die Bewohner ihren Wasserverbrauch in den nächsten 20 Jahren nicht halbieren, könnte Sydney nicht mehr zu versorgen sein. Die Zahl der Hitzetoten unter Sydneys vier Millionen Einwohnern werde von zuletzt 176 pro Jahr auf über 1300 im Jahr 2050 steigen. Ohnehin bereits gefährdete Pflanzen und Tieren im Umland könnten aussterben; in neun von zehn Jahren werde Trockenheit herrschen - bisher gab es im Schnitt alle drei Jahre eine Dürre.

Zugleich aber (!) würden der Studie zufolge die mittleren Niederschlagsmengen bis 2070 um 40 Prozent fallen und der Meeresspiegel um 20 Zentimeter steigen. Die Folgen seien gewaltige Wellen von mehr als 20 Metern Höhe die über die Küsten des Bundesstaats New South Wales hereinbrechen, die Strände abtragen und Luxusvillen am Strand zerstören würden.

Die Erwärmung bringe zudem mehr Stürme mit sich, die unter anderem die alljährlich auftretenden Buschfeuer kräftig anfachen und stärker als bisher in die Vorstädte treiben würden.

Die prognostizierten Hitze-Werte für Sydney lagen damit deutlich über den Vorhersagen der Vereinten Nationen für die Entwicklung der weltweiten Temperatur. Das "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) der UNO, hatte in seinem damaligen Bericht einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um bis zu 4,5 Grad bis 2100 vorhergesagt. Mindestens gebe es einen Anstieg um drei Grad. Dabei handelt es sich jedoch nur um den globalen Durchschnittswert.


Profitdenken ignoriert Warnungen

Australische Umweltschützer hatten damals angesichts der CSIRO-Studie heftige Kritik an der australischen Regierung unter Ministerpräsident John geübt, der das Klimaprotokoll von Kyoto nicht unterzeichnet hatte und auch trotz der aktuellen Bedrohungsanalyse - mit Verweis auf die "Boom-Länder" China und Indien, die nicht an das Abkommen zur Verminderung des CO2-Ausstoßes gebunden seien - für seine Regierung ebenfalls eine verbindliche Kurskorrektur abgelehnt.

Ökonomischer Hintergrund: Australien gehört zu den weltweit größten Produzenten und Exporteuren von Kohle, einem der wichtigsten Verursacher der klimafeindlichen CO2-Emissionen.Howard sagte damals, er trete für eine Energiepolitik mit "sauberer Kohle und Atomkraft" ein. Damit übernahm er die Positionen einer Studie der Energieversorger Australiens, die nahezu zeitgleich mit der CSIRO-Bedrohungsanalyse vorgelegt und von Howard mit den dummdreisten Worten begrüßt worden war: "Es ist einfach nicht machbar, Kraftwerke in diesem Land mit Sonnen- und Windenergie zu betreiben."

Australiens Energiemonopolisten zufolge würde es umgerechnet 45 Milliarden Euro kosten, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 30 Prozent zu senken - weil alternative Energien "so teuer" seien.

Die CSIRO widersprach dem damals jedoch vehement: "Die Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes hätte keinen negativen Effekt auf den Lebensstandard in Australien." Auch das "Australian Business Council of Sustainable Development", ein Verband der Gasindustrie für erneuerbare Energien, griff die Kostenrechnung der Energieversorger an. In den Preis für Kohlestrom seien nicht die Folgekosten des Treibhausgas-Ausstoßes eingerechnet, kritisierte der Verband.

Die Rechnung wird jetzt, drei Jahre später, präsentiert.

Abgesehen von bislang "nur" einem Dutzend Menschenleben addieren die Schäden sich nach Behördenschätzungen auf mehrere Milliarden australischer Dollar. Rund drei Viertel der Kohlebergwerke von Queensland mussten wegen der Überschwemmungen ihren Betrieb einstellen, nach Angaben der Regierung belaufen sich allein die Verluste der Kohleindustrie auf derzeit 100 Millionen Australische Dollar (75,5 Millionen Euro) pro Tag.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 42. Jahrgang, Nr. 2 vom 14. Januar
2011, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2011