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WIRTSCHAFT/025: Brasilien - Konzernpolitik mitbestimmen, Sozialaktivisten kaufen Unternehmensaktien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. April 2013

Brasilien: Konzernpolitik mitbestimmen - Sozialaktivisten kaufen Unternehmensaktien

von Fabíola Ortiz


Bild: Fabíola Ortiz/IPS

Protest gegen das Bergbauunternehmen Vale
Bild: Fabíola Ortiz/IPS

Rio de Janeiro, 19. April (IPS) - Brasilianische Sozialaktivisten haben Aktien des Bergbauunternehmens Vale gekauft, um ihre Interessen besser vertreten zu können. Nach dem Vorbild zivilgesellschaftlicher Bewegungen in anderen Teilen der Welt wollen sie die jährlichen Aktionärssitzungen nutzen, um auf Missstände in dem Unternehmen aufmerksam zu machen und sich ein Mitspracherecht bei den Firmenaktivitäten zu sichern.

Auf diese Weise haben Mitglieder der Internationalen Vertretung der Vale-Betroffenen zum vierten Mal an solchen Jahresversammlungen teilgenommen. Die letzte fand am 17. April in Rio de Janeiro statt. Auch diesmal hat sich die Anwesenheit der Aktivisten gelohnt, wie der Anwalt Danilo Chammas betonte. "Wir konnten auf die Festlegung der Tagesordnung Einfluss nehmen und in dem Zusammenhang das Wort ergreifen", sagte er.


Auch die dunkle Seite zeigen

"Es geht uns hauptsächlich darum, auch die andere Seite der Medaille zu zeigen. Dass wir das Unternehmen dazu bringen können, seine Politik zu verändern, glauben wir eigentlich nicht", erläuterte Chammas.

Zivilgesellschaftliche Organisationen beschuldigen die brasilianische Firma, die 1997 privatisiert wurde, ein Gebiet von 741,8 Quadratkilometern Größe verseucht zu haben. Seitdem demonstrieren Aktivisten der Internationalen Vertretung immer wieder vor dem Hauptsitz der Firma in Rio de Janeiro. Dem Zusammenschluss gehören Organisationen aus zehn von 38 Ländern an, in denen Vale aktiv ist.

Als Aktionäre haben Aktivisten einen größeren Spielraum. "Wir können die Risiken verdeutlichen und darauf aufmerksam machen, wie die Übertritte der Firma den Lebensraum der ländlichen Gemeinschaften zerstören", schilderte Sandra Quintela vom Institut für politische Alternativen im Südkegel (Südamerikas) gegenüber IPS. Dadurch könne der Druck auf die Firma erhöht werden. "Es ist geradezu grausam, wie sich Vale in den betreffenden Gebieten aufführt. Das ist nicht Entwicklung, das ist Zerstörung."

Die sechs Aktivisten, die dieses Jahr an der Aktionärsversammlung teilnahmen, waren auch im vergangenen Jahr dabei gewesen. Sie stammen aus dem kleinen Dorf Piquiá de Baixo in der Gemeinde von Açailândia im Nordosten des brasilianischen Bundesstaates Maranhão. Dort leben 380 Familien.


'Keine Chance auf Überleben'

Das Unternehmen Vale baut dort Eisen ab. Die Familien klagen, dass der Eisenstaub Luft, Wasser und Boden verschmutzt. Seit fünf Jahren schon fordern die Bewohner des kleinen Dorfes, dass sie auf sicheres Gebiet umgesiedelt werden. "Über kurz oder lang wird Piquiá de Baixo vom Erdboden verschwinden. Wir müssen umziehen, weil wir hier keine Chance auf ein Überleben haben", sagte Seu Edvard Dantas, einer der Bewohner, gegenüber IPS. "Die fünf Eisenhütten befinden sich praktisch genau oberhalb unserer Gemüsegärten."

Der 69-jährige Dantas lebt seit 26 Jahren in Piquiá de Baixo. Bevor Vale mit dem Abbau von Eisen begann, war die Region unberührt, die Bewohner betrieben lediglich kleinbäuerliche Landwirtschaft und bauten Reis, Mais und Maniok für den Eigenbedarf an. Heute leben nur noch seine Ehefrau und eine Tochter bei ihm. Seine fünf anderen Kinder haben das Dorf wie viele andere verlassen.

Viele Bewohner klagen über Krankheiten. Lungenkrebs ist verbreitet, auch andere Lungenkrankheiten sowie Allergien. "Über meinem Gemüsebeet und auf dem Dach meines Hauses liegt eine permanente Pulverschicht", sagt Dantas. Er hofft nun, dass die Familie noch innerhalb der nächsten zwei Jahre umgesiedelt wird, um nicht länger leiden zu müssen. Zwar sei eine Umsiedelung tatsächlich angedacht, doch die dafür geplanten Häuser seien noch nicht einmal im Bau.

Sprecher der Firma Vale erklärten gegenüber IPS, das Unternehmen sei offen für Kritik. Darüber hinaus hieß es, dass sich die Firma für eine Umsiedelung der übrigen Familien in Piquiá de Baixo einsetze. Im Juli 2012 habe sie mit der Regierung von Açailândia ein Abkommen unterzeichnet, in dem sie 200.000 US-Dollar für den Bau der neuen Siedlung versprochen habe. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://atingidospelavale.wordpress.com/
http://www.vale.com/pt-BR/Paginas/default.aspx
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102716

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2013