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WALD/156: Holzprodukte meist aus illegalen Quellen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. September 2014

Handel: Holzprodukte meist aus illegalen Quellen - Bericht sieht kommerzielle exportorientierte Landwirtschaft als das größte Problem

von Carey L. Biron


Bild: © Eskinder Debebe/UN

Illegal geschlagenes Holz aus dem Nationalen Tapajos-Wald in Brasilien
Bild: © Eskinder Debebe/UN

Washington, 15. September (IPS) - Mindestens die Hälfte der globalen Entwaldung ist illegal und dient dem Ausbau der kommerziellen Landwirtschaft. Darauf, und auf die Tatsache, dass die in ehemaligen Waldgebieten der Entwicklungsländer produzierten Agrarerzeugnisse für die Märkte der reichen Staaten bestimmt sind, hat eine neue Untersuchung hingewiesen.

Im letzten Jahrzehnt diente der illegale Holzeinschlag vor allem dazu, die ausländische Nachfrage nach Gütern wie Papier, Rindfleisch, Soja und Palmöl zu decken. Trotzdem ergreifen Regierungen der Zielmärkte USA und Europäische Union so gut wie keine Maßnahmen, die Unternehmen und Verbraucher dazu anhalten würden, solche Produkte abzulehnen.

Doch selbst wenn dies der Fall wäre, ließe sich der Trend angesichts der großen Verfügbarkeit dieser 'schmutzigen' Produkte kaum stoppen, warnt die Analyse von 'Forest Trends', einer Umweltgruppe mit Sitz in Washington, die die Studie in Auftrag gegeben hat. "Es ist davon auszugehen, dass in jedem normalen Supermarkt die meisten Produkte Rohstoffe enthalten, die aus Gebieten kommen, die illegal abgeholzt worden sind", meint Sam Lawson, der Autor des Berichts und Leiter von 'Earthsight', einer britischen Gruppe, die Umweltdelikten nachgeht.

"Das gilt für jedes Produkt, das in Papier oder Pappe eingepackt ist, sowie für Rind-, Geflügel- oder Schweinefleisch, da die Tiere mit Soja gefüttert werden. Und Palmöl wiederum ist überall drin - vom Lippenstift bis zum Speiseeis", fügt Lawson hinzu. "Solange es keine Gesetze gibt, die den Import und Verkauf solcher Erzeugnisse verhindern, wird das Risiko fortbestehen."

Dem Bericht zufolge könnten 40 Prozent des global gehandelten Palmöls und 14 Prozent des Rindfleischs von Plantagen und Weiden kommen, für die Wälder illegal vernichtet worden sind. Das Gleiche lässt sich über ein Fünftel des Sojas und ein Drittel aller tropischen Hölzer sagen, die häufig zur Herstellung von Papierprodukten verwendet werden.

Etwa drei Viertel des brasilianischen Sojas und indonesischen Palmöls sind zudem für den Export bestimmt. Ähnliche Trends zeigen sich verstärkt in Ländern wie Papua-Neuguinea und der Demokratischen Republik Kongo.

Während sich bisherige Fallstudien zu solchen Fragen meist auf konkrete Länder beschränken, ist die neue Untersuchung die erste, die das Problem global hochzurechnen versucht.


Nachfrage im Norden - Waldzerstörung im Süden

"Die Nachfrage der Verbraucher in Überseemärkten hat dazu geführt, dass mehr als 200.000 Quadratkilometer tropischer Regenwald während der ersten zwölf Jahre des neuen Jahrtausends abgeholzt wurden", schätzt der Report. "Das entsprach der Vernichtung von fünf Fußballfeldern Wald pro Minute."

Weil ein Großteil dieser illegalen Aktivitäten durch Korruption und den Mangel von Kapazitäten ermöglicht wird, sucht Lawson die Verantwortlichen woanders. "Es sind die Unternehmen, die hinter diesen Aktivitäten stehen und somit letztendlich die Verantwortung dafür tragen", meint er. Große Verbraucherländer müssten zudem endlich damit aufhören, die Waldschutzbemühungen von Entwicklungsländern zu unterminieren, indem sie solchen Produkten den ungehinderten Zugang zu ihren Märkten ermöglichten.

Die Auswirkungen, die die Zerstörung der Wälder haben, sind sowohl lokal als auch global spürbar. Der Waldschwund wirkt sich negativ auf die Lebensgrundlagen, Ökosysteme und den menschlichen Wohlstand aus. Bäume sind nicht nur statische CO2-Speicher, sie holen sich kontinuierlich die schädlichen Klimagase aus der Erdatmosphäre.

Zwischen 2000 und 2012 entsprach die Menge der Emissionen, von denen angenommen wird, dass sie durch die illegale Rodung von Wäldern für kommerzielle landwirtschaftliche Zwecke freigesetzt wurden, einem Viertel der jährlichen, durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe freigesetzten CO2-Emissionen der EU.

Die neuen Untersuchungsergebnisse wurden im Vorfeld von zwei großen Klimagipfeln veröffentlicht: Ende September lädt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Staats- und Regierungschefs zu Gesprächen nach New York, und im Dezember findet die nächste Runde der internationalen Klimagespräche in Peru statt, die im nächsten Jahr ein internationales Abkommen ermöglichen sollen. Die Lima-Gespräche werden sich um das Thema 'Wälder' drehen, die nach Ansicht einiger Experten das größte Potenzial bergen, um die CO2-Emissionen global zu verringern.

Der zunehmende Konsens über die Bedeutung, die dem Schutz der Wälder mit Blick auf den Klimawandel zukommt, hat durchaus zu bedeutsamen internationalen Bemühungen geführt, den illegalen Einschlag zu unterbinden. Doch Lawson von Earthsight weist darauf hin, dass einige derjenigen Unternehmen, die zuvor in den illegalen Einschlag tropischer Harthölzer verwickelt waren, inzwischen an der Zerstörung von Wäldern zugunsten landwirtschaftlicher Tätigkeiten beteiligt seien. "Die größte Bedrohung geht inzwischen von der kommerziellen Landwirtschaft aus. Wir müssen nun die Anstrengungen, die wir unternommen haben, um den illegalen Holzeinschlag zu stoppen, auf die Agrargüter anwenden."


Für eine lückenlose Kontrolle der Wertschöpfungskette

Die Europäische Union befindet sich derzeit in einem Prozess, ein bilaterales Lizenzsystem umzusetzen, durch das es möglich werden soll, legal geschlagenes Holz bis zu seinem Herkunftsort zurückzuverfolgen. Ähnliche bilaterale Arrangements könnten nach Ansicht von Lawson auch auf andere relevante Rohstoffe angewandt werden.

Ein solches Verfahren würde Regierungen und multinationale Unternehmen in die Pflicht nehmen, sicherzustellen, dass global gehandelte Rohstoffe nicht aus illegal abgeholzten Wäldern stammen. Auf diese Weise würde eine Situation geschaffen, in der Legalität zur Voraussetzung wird, dass Produkte Zugang zu den großen Märkten erhalten.

Natürlich ist es heute eine Sache der Verbraucher, über den Kauf von Produkten zu entscheiden, die möglicherweise aus Komponenten hergestellt wurden, die aus illegal gefällten Wäldern stammen. Doch geht das nur, wenn solche Informationen verfügbar sind. Ein solches neues Arrangement würde die Zuständigkeitsfrage von Grund auf ändern.

"Dass eine solche nur schwer zu treffende Entscheidung dem Verbraucher aufgebürdet wird, stört mich. Es sollte uns allen leichter gemacht werden, die richtige Wahl zu treffen", meint Danielle Nierenberg, die Vorsitzende von 'Food Tank', einer Denkfabrik in Washington, die sich mit Fragen der Nachhaltigkeit befasst.


Unternehmen und Regierung gefragt

"Tatsache ist, dass die Verbraucher immer noch weitgehend ahnungslos sind - trotz der erstarkenden Bewegung, die für den Verzehr lokaler Erzeugnisse wirbt. Die Nachfrage nach preiswerten Produkten ist nach wie vor sehr hoch. Das ist der Grund, warum von Unternehmerseite gehandelt werden muss und die Regierungen ein größeres Interesse daran zeigen sollten."

Die USA haben strikte Gesetze erlassen, die die Verwendung von Holzprodukten aus illegalen Quellen im Land verbieten. Vielen Berichten zufolge haben sie erheblich dazu beigetragen, fragwürdigen Erzeugnissen den Zugang zum US-Markt zu verschließen.

Bisher fehlt nach Erkenntnissen von Nierenberg der politische Wunsch, ähnliches mit Blick auf zweifelhafte Agrargüter zu unternehmen. Ihrer Meinung nach könnten die Entwicklungsländer selbst am meisten bewegen. "Sie sollten in die kleinen und mittelgroßen Bauern investieren, ihre Böden vor Land Grabs schützen und in einfache, gut funktionierende Agrartechnologien investieren. Hier ließe sich der wirkliche Wandel herbeiführen." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/09/majority-of-consumer-products-may-be-tainted-by-illegal-deforestation

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IPS-Tagesdienst vom 15. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2014