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WALD/055: Tropische Wälder und Globaler Wandel (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
Ausgabe 1, Mai 2011

Tropische Wälder und Globaler Wandel

Forschung über Trockenheit im Regenwald

von Bettina Engelbrecht


Von den Wäldern unserer Erde liegen mehr als die Hälfte in den Tropen. Tropische Wälder bedecken 23 Millionen Quadratkilometer, das entspricht 65mal der Fläche von Deutschland. Die größten zusammenhängenden tropischen Waldgebiete liegen in Amazonien, dem Kongobecken und Südostasien.

Tropische Wälder sind berühmt für ihre einzigartige Biodiversität. Etwa 43.000 Baumarten werden in tropischen Wäldern geschätzt - in Europa sind es nur 124. Ein eindrucksvoller Vergleich ist auch der folgende: in einem nur einen halben Quadratkilometer großen Regenwaldgebiet in Borneo wurden 1.175 Baumarten identifiziert, fast genau dieselbe Zahl an Arten, die in allen Wäldern der gemäßigten Zone zusammen vorkommt. Auch die tierische Diversität ist überwältigend: Etwa 200.000 Wirbeltierarten und (im wahrsten Sinne des Wortes) Millionen von Insektenarten leben in tropischen Wäldern. Insgesamt wird geschätzt, dass 80% aller landlebenden Arten in tropischen Wäldern vorkommen. Trotz jahrhundertelanger Forschung bleiben die meisten noch immer unbeschrieben, und die grundlegende Biologie und Ökologie der Arten ist bis auf wenige Ausnahmen völlig unerforscht - es bleibt ein weites Arbeitsfeld.

Neben ihrer beeindruckenden Diversität sind tropische Wälder im globalen Kohlenstoffkreislauf von herausragender Bedeutung. In tropischen Wäldern - in den Bäumen und den darunterliegenden Böden - ist mehr Kohlenstoff gebunden, als in der Atmosphäre als CO2 vorliegt, und jährlich werden 1,3 Milliarden Tonnen Kohlenstoff zusätzlich fixiert. Für die Prognose von zukünftigen CO2-Änderungen in der Atmosphäre und dem damit verbundenen Klimawandel spielen tropische Wälder daher eine zentrale Rolle.

Die herausragende Bedeutung tropischer Wälder unter den Wäldern weltweit wurde bei einer in Cambridge veranstalteten internationalen Tagung zu 'Wäldern und Globalem Wandel' Ende März dieses Jahres unterstrichen: Mehr als die Hälfte der Vorträge befasste sich mit tropischen Wäldern - wie sie vom Globalen Wandel beeinflusst werden, und wie sie selber den Wandel durch Rückkopplungen beeinflussen.

Trotz ihrer zentralen Bedeutung für die Biodiversität und den globalen Kohlenstoffhaushalt sind tropische Wälder extrem gefährdet: 14.000 Quadratkilometer Regenwald - die doppelte Fläche von Oberfranken - werden jedes Jahr zerstört, davon 60% Primärwälder. Allein zwischen 1990 und 2005 wurden 8,3% der Regenwälder abgeholzt. Es wird geschätzt, dass damit täglich 100 Arten unwiederbringlich verloren gehen. Zusätzlich sind tropische Wälder stark durch den globalen Klimawandel gefährdet. Wichtiger als die globale Erwärmung und die Erhöhung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen sind dabei Änderungen der Niederschläge. Für weite Teile der Tropen werden niedrigere Jahresniederschläge und längere und intensivere Trockenperioden prognostiziert.

Die Arbeitsgruppe von Professor Engelbrecht am Lehrstuhl für Pflanzenökologie der Universität Bayreuth fokussiert ihre Arbeit daher darauf, die Rolle von Trockenperioden für tropische Wälder in der Gegenwart zu verstehen und daraus Prognosen für die Zukunft dieser Wälder unter Klima- und Landnutzungswandel abzuleiten. Nur wer versteht, welche Faktoren die Verbreitung der vielen Baumarten in tropischen Wäldern bestimmen, kann vorhersagen, welche Arten zukünftig besonders gefährdet sein werden, lokal oder sogar global auszusterben. Dies wird die Diversität verringern und kann sich auf die Kohlenstoffspeicherung der Wälder auswirken. Auch die Entwicklung von effektiven Schutz- und Waldnutzungsstrategien, mit denen man die negativen Auswirkungen des Globalen Wandels zu minimieren versucht, sind auf solche Untersuchungen angewiesen.

Während wir mit tropischen Wäldern gemeinhin extrem feuchte, heiße Regenwälder assoziieren, sind die meisten tropischen Wälder einer oder sogar zwei Trockenzeiten im Jahr ausgesetzt. Dabei variieren die Niederschläge sowohl räumlich - lokal, regional und kontinental, als auch zeitlich - zwischen der Trocken- und Regenzeit, zwischen verschiedenen Jahren, und in mehrjährigen Zyklen im Zusammenhang mit wechselnder Meeresströmungen, sogenannten 'El Niño'-Phänomenen. Die räumliche und zeitliche Variabilität der Niederschläge wird - in Verbindung mit Experimenten - genutzt, um die Folgen zukünftiger veränderter Niederschläge auf tropische Wälder zu untersuchen.

Zusammen mit Kollegen und Kolleginnen aus den USA, Frankreich und England untersucht die Arbeitsgruppe die Konsequenzen der Niederschlagsbedingungen für die Verbreitungsmuster tropischer Baumarten, und vergleicht sie mit weiteren Faktoren, wie Nährstoffen und Pflanzenfressern, die die Verbreitung beeinflussen können. Zwei Untersuchungsgebiete stehen dabei im Vordergrund: Der Isthmus von Panama in Zentralamerika stellt mit einem starken Niederschlagsgradienten ein ideales Modellsystem dar: der jährliche Regen verdoppelt sich annähernd über eine Distanz von nur 65 Kilometern von 1.600 auf 3.100 Millimeter (zum Vergleich: der mittlere Jahresniederschlag in Bayreuth beträgt nur 750 Millimeter). Diese Wälder werden in Zusammenarbeit mit dem Smithsonian Tropical Research Institute in Panama untersucht. Ein weiteres Untersuchungsgebiet sind die afrikanischen Wälder des Kongobeckens, des zweitgrößten zusammenhängenden tropischen Waldgebietes weltweit. Die Konsequenzen von Klima- und Landnutzungswandel in diesem Gebiet werden im Rahmen des EU-geförderten Projekts CoForChange bearbeitet. Für die weit über tausend Baumarten in den beiden Untersuchungsgebieten sind bisher erschreckend wenige Informationen verfügbar, ganz im Gegensatz zu unseren heimischen Arten, für die aus der Forstwirtschaft jahrhundertelange Erfahrungen vorliegen.

In beiden Gebieten werden daher Bewässerungsexperimente durchgeführt, so dass das Verhalten von Baumkeimlingen unter trockenen und feuchten Bedingungen direkt verglichen und so ihre Trockenresistenz quantitativ bestimmt werden kann. Arten, deren Keimlinge unter trockenen Bedingungen eine deutlich höhere Sterberate haben und weniger wachsen, sind dabei trockensensitiv, während andere keinerlei Unterschiede zwischen trockenen und feuchten Bedingungen zeigen, also trockenresistent sind. Die Ergebnisse können dann mit den beobachteten Verbreitungsmustern der Baumarten verglichen werden, um zu evaluieren, ob Niederschläge die Verbreitungsmuster formen oder nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Die enorme Diversität der tropischen Wälder stellt für solche Untersuchungen natürlich eine besondere Herausforderung dar, und so kommt es, dass die Bayreuther Arbeitsgruppe erstmals eindeutig zeigen konnte, dass Niederschläge tatsächlich eine ganz zentrale Rolle für die Verbreitung von Baumarten in den Neuwelttropen spielen. Abnehmende Niederschläge werden daher in diesem Gebiet zu deutlichen Änderungen der Verbreitungsmuster von Baumarten und der Zusammensetzung und Diversität von Wäldern führen, wobei besonders trockensensitive Arten von lokalem oder sogar globalem Aussterben bedroht sind.

Im Gegensatz dazu hat sich gezeigt, dass Baumarten im Kongobecken in Zentralafrika sehr gut an Trockenheit angepasst sind und Nährstoffe im Boden einen weit größeren Effekt auf die Baumarten haben als die Niederschläge. Im Kongobecken können wir daher erwarten, dass Niederschlagsänderungen nur geringe direkte Auswirkungen für die Wälder haben, und stattdessen Änderungen der Landnutzung von größerer Bedeutung sein werden.

Laufende Studien der Arbeitsgruppe konzentrieren sich darauf, mit Hilfe der bisherigen Ergebnisse konkrete Szenarien für die Veränderungen der Wälder in Panama und im Kongobecken mit dem Globalen Wandel zu erstellen, und Empfehlungen für Strategien für ihren Schutz und ihre langfristige Nutzung zu erarbeiten. Daneben zeigen die Ergebnisse deutlich, dass der Niederschlag natürlich nicht der einzige Faktor ist, der diese hochdiversen Wälder formt. Das komplexe Zusammenspiel von Niederschlägen und anderen Faktoren wie Nährstoffen und Temperatur, Tieren - wie Bestäubern und Pflanzenfressern - und der Landnutzung durch den Menschen stehen daher im Zentrum weiterer Forschungsarbeiten, um die Prognosen zu optimieren.


Weblinks

• AG Ökologie und Ökophysiologie tropischer Pflanzen:
www.bayceer.uni-bayreuth.de/tropecol

• Smithsonian Tropical Research Institute in Panama:
www.stri.si.edu

• EU-Projekts CoForChange:
www.coforchange.eu


Prof. Dr. Bettina Engelbrecht leitet seit 2009 die Arbeitsgruppe Ökologie und Ökophysiologie tropischer Pflanzen. In ihrer Forschung verknüpft sie Ökophysiologie, Populationsökogie und Biogeographie tropischer Pflanzen, untersucht die Konsequenzen von Klimawandel und Landnutzung für tropische Wälder und die Bedeutung funktioneller Pflanzencharakteristika für die Verbreitung von Arten und die Zusammensetzung von Pflanzengemeinschaften.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Ein Bewässerungsexperiment zur Bestimmung der Trockenresistenz von Baumarten, die in den Wäldern des Kongobeckens vorkommen, wurde in der Nähe von Poine Noire in der Republik Kongo durchgeführt.

• Ein halbimmergrüner Regenwald in Panama in der Regenzeit.

• In der Trockenzeit werfen viele Bäume ihre Blätter ab - daher die Bezeichnung 'halbimmergrüner' Regenwald.

• Tropische Wälder sind extrem divers: Hunderte von Arten - Bäume, Sträucher, Lianen, Kräuter und Aufsitzerpflanzen - können in einem einzigen Hektar vorkommen

• In der Trockenzeit welken die Keimlinge von trockensensitiven Baumarten und sterben schliesslich ab.


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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, Mai 2011, Seite 20-23
Herausgeber: Universität Bayreuth
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"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2011