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STADT/004: Urbanisierung im Sauseschritt - Städtische Bevölkerung wird sich bis 2050 verdreifachen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2010

Afrika: Urbanisierung im Sauseschritt - Städtische Bevölkerung wird sich bis 2050 verdreifachen

Von Karina Böckmann


Nairobi, 29. November (IPS) - Die Bevölkerung Afrikas hatte 2009 erstmals die Grenze von einer Milliarde Menschen überschritten. Bis 2040 werden ebenso viele in den Städten des schwarzen Kontinents leben, schätzt das UN-Programm für menschliches Siedlungswesen (UN-Habitat) in seinem jüngsten Bericht über den Zustand der Städte. Und bis 2050 werden 1,23 Milliarden oder 60 Prozent aller Afrikaner in urbanen Konglomeraten zu Hause sein.

Wie der UN-Habitat-Exekutivdirektor Joan Clos betonte, werden die Regierungen der Region nicht umhinkommen, diesen Trend zu ignorieren, sondern müssten ihm höchste Priorität einräumen. So seien riesige Investitionen erforderlich, um die staatlichen Kapazitäten zu erhöhen und den Menschen den gerechten Zugang zu den städtischen Dienstleitungen, zu bezahlbarem Wohnraum und Wohlstands zu verschaffen.


Städtewachstumsriese Afrika

Dem 268 Seiten starken Report zufolge ist Afrika mit einer Verstädterung von 3,4 Prozent international führend. Ab 2030 wird der Kontinent nicht länger ländlich geprägt sein. Der Anstieg der Stadtbevölkerung wird mit einer hohen Nachfrage nach Unterkünften und Dienstleistungen einhergehen. Schon jetzt seien die Städte mit Slums überzogen, und eine Verdreifachung der urbanen Bevölkerung in den kommenden 50 Jahren könnte verheerend sein, warnen die Autoren.

Kairo ist mit elf Millionen Einwohnern derzeit die größte Stadt Afrikas, wird diesen Rang aber spätestens 2015 an Lagos (Nigeria) abgeben, wo dann 12,4 Millionen Menschen zu Hause sein werden. 2020 zieht Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) mit 12,7 Millionen ebenfalls an der ägyptischen Hauptstadt vorbei, die dann 12,5 Millionen Menschen beheimaten wird. Luanda (Angola) hat erst kürzlich Alexandria (Ägypten) überholt und belegt somit Platz vier auf der Liste der größten Konglomerate Afrikas. Erwartet wird, dass die Stadt bis 2040 die Acht-Millionen-Grenze überschritten haben wird.

Allerdings wird das afrikanische Städtewachstum zu 70 Prozent in kleineren Städten mit weniger als einer halben Million Einwohnern stattfinden. Dort wird sich auch der tatsächliche Übergang von der Land- zur Stadtbevölkerung vollziehen.


Lebenssituation in Armensiedlungen verbessert

Für 24 Millionen Slumbewohner Afrikas hat sich die Lebenssituation in den letzten zehn Jahren verbessert, hält der neue UN-Habitat-Bericht fest. Doch während die Städte im Norden Afrikas den Anteil von Slumbewohnern 20 auf 13 Prozent drücken konnten, gelang es den urbanen Zentren in Afrika südlich der Sahara lediglich, den Anteil um fünf Prozent oder 17 Millionen Menschen zu reduzieren.

Ägypten, Libyen, Marokko und Tunesien konnten zusammengenommen die Zahl der Slumbewohner von 20,8 Millionen 1990 auf 11,8 Millionen 2010 senken. Tunesien ist es sogar gelungen, alle Slums zu beseitigen, heißt es in dem Report 'The State of African Cities 2010: Governance, Inequalities and Urban Land Markets' (Der Zustand der afrikanischen Städte 2010 - Regierungsführung, Ungleichheiten und Stadt-Land-Märkte'), der am 24. November auf der Ministerkonferenz über Wohnen und städtische Entwicklung (AMCHUD III) im malischen Bamako vorgestellt wurde.

Ghana, Senegal und Uganda konnten ihre städtische Slumbevölkerung um mehr als 20 Prozent verkleinern. Allerdings haben Urbanisierung, Bevölkerungswachstum und die Entstehung neuer Slums einige dieser Erfolge wieder zunichte gemacht.


Gefahren durch Klimawandel

Dem Bericht zufolge wird Afrika überproportional von den Folgen des Klimawandels betroffen sein, obwohl der Kontinent nur zu fünf Prozent an den globalen CO2-Emissionen beteiligt ist. So haben extreme Niederschläge in Burkina Faso 2009 150.000 Menschen obdachlos gemacht, während in anderen Teilen der Region lang anhaltende Dürren Hunger und Landflucht auslösten, die den Druck auf die Städte erhöhte.

Mehr als ein Viertel der Afrikaner lebt in Küstennähe keine 100 Kilometer vom Meer entfernt. Diese Menschen werden die Folgen des Klimawandels wie dem Anstieg des Meeresspiegels und Überflutungen besonders zu spüren bekommen.

Schon jetzt trotzen die vorrückende Meere den Küstengebieten immer mehr Land ab: in Senegal sind es jährlich ein bis zwei Meter, am Golf von Guinea zehn Mal soviel. Im Küstengebiet von Dakar, wo auf einem Quadratkilometer 50.000 Menschen leben, würde ein Sturm gleich 75.000 Bewohner auf einmal treffen.


Wachstum in städtischen Wirtschaftskorridoren

Wirtschaftlich gesehen sind die städtischen Ballungsgebiete, vor allem wenn sie zu Korridoren zusammenwachsen, wahre Wachstumsmotoren. Dem Bericht zufolge verbindet der 500 Kilometer lange Korridor 'Greater Ibadan Lagos Accra' (GILA) bedeutende Städte der vier westafrikanischen Länder Benin, Ghana, Nigeria und Togo. In diesen Regionen leben insgesamt 18 Millionen Menschen, wobei allein die nigerianische Metropole Lagos mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellt. GILA erwirtschaftet den größten Teil des gemeinsamen nigerianisch-ghanaischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von fast 127,6 Millionen Dollar.

Der Großraum Kairo in der nordägyptischen Deltaregion ist mit 77 Millionen Menschen oder 76 Prozent der ägyptischen Bevölkerung die größte Stadtregion Afrikas. Er besteht aus drei Korridoren: Kairo-Suez, Kairo-Alexandria und Kairo-Ismailia und ist nicht nur Standort aller ägyptischen Wirtschaftsaktivitäten, sondern umfasst auch 70 Prozent des ägyptischen Agrarlands.

Die Bevölkerung der Gauteng-Stadt-Region in Südafrika wird auf fast elf Millionen geschätzt. Das entspricht einem Fünftel der Gesamtbevölkerung des Kapstaates. Obwohl die Gauteng-Region sich gerade einmal über 1,4 Prozent des südafrikanischen Territoriums erstreckt, erwirtschaftet sie 38 Prozent des südafrikanischen BIP.

Es gibt noch viele andere vielversprechende Beispiele. Dazu gehört der 150 Kilometer lange Dakar-Touba-Korridor, das städtische Rückrat Senegals, ebenso dazu wie der 1.000 Kilometer lange Abidjan-Ouagadougou- und der 900 Kilometer lange Kampala-Nairobi-Mombasa-Korridor. (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.unhabitat.org/documents/SACR-ALL-10-FINAL.pdf
http://www.unhabitat.org/content.asp?cid=9141&catid=7&typeid=46&subMenuId=0


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2010