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SOZIALES/084: Zentralamerika - Kein Sieg über Armut ohne Klimaanpassung, Wasserzugang und saubere Energie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2015

Zentralamerika:
Kein Sieg über die Armut ohne Klimaanpassung, Wasserzugang und saubere Energien

von Diego Arguedas Ortiz


MANAGUA, NICARAGUA (IPS) - Um 23 Millionen Zentralamerikaner, die Hälfte der regionalen Bevölkerung, aus der Armut zu befreien, gilt es nach Ansicht von Experten drei Voraussetzungen zu schaffen: So müssten ein allgemeiner Zugang zu Wasser, eine nachhaltige Energieversorgung und Klimaanpassungsmaßnahmen gewährleistet werden.

"Dies sind die Minimalanforderungen, um das Überleben zu sichern", sagt Victor Campos, stellvertretender Direktor des nicaraguanischen Humboldt-Forums, einer mit ökologischen Fragen befassten Denkfabrik. Sie seien insbesondere für die kleinbäuerliche und indigene Landwirtschaft in den von Armut geprägten ländlichen Gebieten wichtig. Auf dieser Grundlage könnten auch Bildung, Gesundheitsversorgung und die Lebensbedingungen sozialer Randgruppen verbessert werden, meint Campos.

In Zentralamerika leben zurzeit etwa 48 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Täglich haben am Isthmus Millionen Menschen Schwierigkeiten damit, sich den Zugang zu sauberem Wasser und Nahrung zu erschließen. Die Probleme wurden auf einer kürzlich in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua abgehaltenen Konferenz thematisiert, auf der die Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen für die Zeit nach 2015 und die Nachhaltigkeitsziele (SDG) analysiert wurden.

Die 17 SDG, die die Grundlage der künftigen Agenda bilden, werden auf einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsstaaten vom 25. bis 27. September in New York formell angenommen. Bis 2030 sollen dann alle Staaten gleichermaßen die vorgesehenen Maßnahmen umgesetzt haben. Eine verlässliche, nachhaltige Energieversorgung, Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser sowie dringliche Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine Folgen sind Inhalte der Nachhaltigkeitsziele. Experten auf dem Gipfel hoben hervor, dass diese drei Problemfelder in Zentralamerika auf allen Ebenen mit der Armutsbekämpfung verknüpft sind.

"In unseren Ländern ist der Kampf gegen die Armut kompliziert", sagt Campos. "Die Region mit 48 Millionen Einwohnern, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mit 3.035 US-Dollar weit unter dem globalen Durchschnitt von 7.850 Dollar liegt, muss neue Wege beschreiten, um der Spirale der Armut zu entkommen, in der fast jeder zweite Zentralamerikaner gefangen ist."


Subsistenzlandwirtschaft und Exporte gefährdet

Laut einem 2012 veröffentlichten Bericht der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und Karibik (CEPAL) über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels für Zentralamerika werden durch den Rückgang und die Instabilität bei der Verfügbarkeit von Wasser und Ernten die Arbeitsmärkte, die Lieferungen und Preise für grundlegende Waren in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem begünstigen sie die Landflucht, was wiederum Folgen für den Subsistenzanbau von Mais oder Bohnen und traditionelle Exporte wie Kaffee hat.

Ein regionales Schlüsselgebiet ist der so genannte 'Trockene Korridor', der von Guatemala nach Costa Rica verläuft. Die Landnutzung habe sich aufgrund des Klimawandels verändert. Die Dürregebiete hätten sich weiter ausgebreitet, sagt Denis Meléndez, Exekutivsekretär des Nationalen Nicaraguanischen Forums für Risikomanagement. Auch Nicaragua sei inzwischen betroffen.

In dem von der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO veröffentlichten 'Ausblick auf die Nahrungssicherheit in Zentralamerika' aus dem Jahr 2014 heißt es, dass diese Entwicklung der Beseitigung des regionalen Hungers im Wege stehen könnte.

Zu den ersten der acht UN-Millenniumsentwicklungsziele, die von der Staatengemeinschaft auf einem Weltgipfel im Jahr 2000 beschlossen wurden, gehört aber die Bekämpfung von Hunger und extremer Armut. Bis Ende 2015 soll die Zahl der Armen und Hungernden nach dem Stand von 1990 halbiert sein. Laut der FAO kommt Zentralamerika diesem Ziel nahe: So könnte es gelingen, den Anteil der Armen von 24,5 auf 13,2 Prozent zu verringern. Dieser Prozentsatz liegt aber immer noch um mehr als das Doppelte über dem lateinamerikanischen Durchschnittswert von 6,1 Prozent.


Ausbreitung armutsbedingter Krankheiten

Die Auswirkungen des Klimawandels beschränken sich längst nicht nur auf den Agrarsektor, den Zugang zu Wasser und nachhaltige Energien. Nach Angaben von CEPAL leben zwei Drittel der Zentralamerikaner unter unhygienischen Bedingungen in Slums. Die Klimaveränderungen werden demnach zu einer Zunahme der mit Armut verbundenen Krankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber führen.

Die Regierungen der Region sind sich der Folgen des Klimawandels bewusst. 2010 wurden diese von dem Zentralamerikanischen Integrationssystem (SICA) in seiner regionalen Bekämpfungsstrategie als Phänomen beschrieben, das soziale Herausforderungen wie die Reduzierung der Armut noch schwieriger machen wird.

Experten wie die Bolivianerin Andrea Rodriguez betonten auf dem Treffen in Managua, dass die Armutsbekämpfungsstrategien der Länder die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen müssten. "Andernfalls werden wir keine effiziente Lösung finden. Klimawandel und Entwicklung sind eng miteinander verbunden und müssen gleichzeitig angegangen werden, sagte die Rechtsberaterin des Klimaprogramms der Interamerikanischen Vereinigung für Umweltschutz (AIDA).

Die Staaten müssten gemeinsam langfristige Investitionen in die Energieinfrastruktur und die nachhaltige Entwicklung planen, so Rodriguez. "Der einzige Weg zur Bekämpfung des Klimawandels und der Förderung des Wirtschaftswachstums besteht darin, von fossilen Brennstoffen auf saubere Alternativen umzusteigen."

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die in der Zentralamerikanischen Allianz für nachhaltige Energien (ACCESE) zusammengeschlossen sind, schlagen kleine Anlagen für erneuerbare Energien vor, um die steigende Nachfrage nach Strom zu befriedigen. Zugleich sollen die Rechte armer Gemeinden gestärkt werden. In Zentralamerika haben laut Daten von ACCESE 15 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität, und bis zu 50 Prozent kochen mit Feuerholz. (Ende/IPS/ck/31.08.2015)


Links:
http://www.ipsnews.net/2015/08/water-climate-energy-intertwined-with-fight-against-poverty-in-central-america/
http://www.ipsnoticias.net/2015/08/agua-cambio-climatico-y-pobreza-ods-unidos-en-america-central/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2015

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