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SOZIALES/051: Kiribati - Präsident kauft Land in Fidschi für Klimaflüchtlinge (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Juni 2014

KIRIBATI: Präsident kauft Land in Fidschi für Klimaflüchtlinge

Von Christopher Pala - Mit Bildern


Bild: © Christopher Pala/IPS

Der pensionierte Lehrer Eparama Kelo berichtete über den Plan, wonach 18.000 bis 20.000 Menschen aus Kiribati in Vanua Levu angesiedelt werden sollen
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Naviavia, Fidschi-Inseln, 10. Juni (IPS) - Naviavia ist ein kleines abgelegenes Dorf auf der zweitgrößten Fidschi-Insel Vanua Levu, das im Fall der Fälle zu einer Anlaufstelle für Klimaflüchtlinge aus dem Nachbarland Kiribati werden soll.

Die hier lebenden Menschen sind Nachfahren von Salomonern, die im 19. Jahrhundert auf die Fidschi-Inseln kamen, um auf den dortigen Kokosnussplantagen zu arbeiten. 1947 bot ihnen die Anglikanische Kirche an, auf einem 2.331 Hektar großen Grundstück zu leben, das man ihr vererbt hatte. Voraussetzung für das Bleiberecht war die Bereitschaft, den anglikanischen Glauben zu praktizieren.

Ende Mai hat die Anglikanische Kirche den größten Teil von 'Natoavatu Estate' an den Inselstaat Kiribati verkauft und somit die 270 Bewohner ihrem Schicksal überlassen. Für landwirtschaftliche Zwecke stehen den Menschen von Naviavia statt der bisher 283 Hektar nur noch 125 Hektar Land zur Verfügung. "Das ist völlig unzureichend", protestiert der Dorfvorsteher Sade Marika.

Bild: © Christopher Pala/IPS

Der Staatspräsident von Kiribati, Anote Tong, rechtfertigt den Landkauf als weitsichtige Klimapräventionsmaßnahme
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Kiribatis Staatspräsident Anote Tong begründete den Kauf des Grundstücks damit, dass seine 103.000 Landsleute angesichts der Gefahr, dass das aus 33 tiefliegenden Atollen bestehende Kiribati im Meer versinken könnte, Ausweichmöglichkeiten brauchen. "Wir hoffen nicht, dass wir alle auf diesem kleinen Stück Land unterbringen müssen", erklärte er gegenüber den Medien.

Seit Jahren weist Tong auf Klimakonferenzen und in Interviews darauf hin, dass der Meeresanstieg im Zuge des Klimawandels der Bevölkerung von Kiribati schon jetzt hohe Opfer abverlangt. Die Küstengebiete erodierten. Gebäude und Ernten würden vernichtet. Ein Dorf habe man evakuieren müssen und eine Insel sei untergegangen.


Internationaler Mahner

Tong ist Vorstandsmitglied der globalen Umweltorganisation 'Conservation International' (CI), die seine Besorgnis teilt. Die Auswirkungen des Meeresanstiegs seien in Kiribati bereits deutlich spürbar, heißt es auf der CI-Webseite. Die Bevölkerung stehe an vorderster Klimafront.

Auch auf Tarawa, der übervölkerten Hauptinsel von Kiribati, wo die Hälfte der Bevölkerung lebt, hat Tong in vielen seiner Reden auf die Gefahr hingewiesen, die der Klimawandel für die Atolle bedeute. Zudem ließ er die Menschen wissen, dass er alles Erdenkliche unternehmen werde, um von den Industriestaaten für den von ihnen verursachten Klimawandel angemessen entschädigt zu werden. Kiribati verfügt über ein Pro-Kopf-Einkommen von 1.600 US-Dollar und bezieht im Vergleich zu anderen Pazifikstaaten die höchste Pro-Kopf-Auslandshilfe.

In diesem Jahr hat die Regierung auf der Suche nach dem besten Klima-Song einen Gesangswettbewerb organisiert. Gewonnen hat ein Lied mit dem Refrain 'Das wütende Meer wird uns alle töten', das häufig im staatlichen Radio gespielt wird.

Tong hat es mit seinen Warnungen im Ausland zu Anerkennung und Popularität gebracht. In seinem Heimatland Kiribati schlägt ihm hingegen Verwirrung und Spott entgegen. "Viele Menschen haben Angst", meint die 20-jährige Studentin Tealoy Pupu, während sie Palmenblätter zum Trocknen auslegt. "Wir wissen einfach nicht, was wir davon halten sollen."

Tongs Amtsvorgänger Teburoro Tito, der sämtliche wissenschaftlichen Abhandlungen über die Folgen des Klimawandels für die Atolle gelesen hat, hält den Landkauf für unsinnig. "Den Forschern zufolge sind unsere Korallenriffe gesund und in der Lage, mit dem Meeresanstieg Schritt zu halten. Somit gibt es keinen Bedarf, Land auf den Fidschis oder sonst wo zu kaufen", meint er und fügt hinzu: "Wie können wir um ausländische Hilfe bitten, wenn wir unser Geld für so unsinnige Dinge ausgeben?"

Auch für Paul Kench, einem Atoll-Geomorphologen an der Universität von Auckland, ist die Sorge überzogen. "Wir wissen, dass die gesamte Riffstruktur um zehn bis 15 Millimeter im Jahr und somit schneller als der erwartete Meeresanstieg wachsen kann", betont er. "Solange dies der Fall ist und der Nachschub an Sand gewährleistet werden kann, müssen wir uns keine Sorgen machen, dass das Korallenwachstum hinter den Anstieg des Meeresspiegels zurückfällt."

Laut Kench und anderen hat sich der Anstieg des Ozeans noch auf keinem Pazifikatoll bemerkbar gemacht. Die Bildaufnahmen von Wellen, die über Häusern zusammenbrechen, vermittelten den falschen Eindruck, dass es ständig zu Überschwemmungen komme, sagen sie. Für solche Phänomene seien menschliche Eingriffe wie der Bau von Deichen und Fahrdämmen zwischen den Inseln verantwortlich.


Hoher Grundstückspreis

Für das Land auf Vanua Levu hat Tong 8,7 Millionen Dollar und damit das Drei- bis Siebenfache dessen bezahlt, was bisher für Grundstücke auf der Fischi-Insel ausgegeben wurde, wie Ex-Präsident Tito berichtet. Er hält den Landkauf für eine Publicity-Aktion, die zeigen soll, wie sehr sein Amtsnachfolger den Klimawandel ernst nehme. "Und schon jetzt ist klar, dass die Regierung nicht weiß, was sie mit dem Neuerwerb anfangen soll."

Bei der Ankündigung des Kaufs hatte Tong erklärt, dass sich ein Komitee mit der Frage nach der Verwendung des Grundstücks auf der Fidschi-Insel befassen werde. In einer separaten Mitteilung bezeichnete die Regierung die Entscheidung als "Meilenstein" in dem Bemühen, das Land voranzubringen. Die Entwicklungspläne sehen den Bau einer Fischdosenfabrik, die Zucht von Rindern und Geflügel sowie den Obst- und Gemüseanbau vor.

Tetawa Tatai, ein ehemaliger Gesundheitsminister und Abgeordneter, kritisiert vor allem das Verhalten der Anglikanischen Kirche. Er hätte sich niemals vorstellen können, "dass eine der vertrauenswürdigsten Institutionen der Welt eines der ärmsten und isoliertesten Länder der Welt so übers Ohr hauen könnte".

In einem Interview in Suva wies Bischof Winston Halapua, Erzbischof der Anglikanischen Kirche Polinesiens, den Vorwurf zurück, dass seine Kirche aus der Unerfahrenheit eines Käufers, der im Sinne der weltweit ersten Klimaflüchtlinge gehandelt habe, Kapital geschlagen habe. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. "Ich hatte ein gutes Gefühl dabei, denn Kiribati fällt in meinen Zuständigkeitsbereich", meinte er. "Wir waren für jedes Angebot offen. Und ein Angebot wurde gemacht."


Begrenzte Aufnahmemöglichkeiten

Der anglikanische Verwalter Koroi Salacieli, der in Naviavia lebt, beklagte unterdessen, dass ihm die Kirche nicht mitgeteilt habe, wie viele Menschen aus Kiribati in das fidschianische Dorf ziehen könnten. Er, andere Dorfbewohner und Experten stimmen darin überein, dass das Gebiet, das zu zwei Dritteln mit Wald bedeckt ist, höchstens einige hundert Menschen verkraften könnte.

Die Klimaflüchtlinge aus Kiribati bräuchten auf jeden Fall Wohnstätten und Kenntnisse der fidschianischen Agrarwirtschaft. Dort werden zum Pflügen des Bodens nach wie vor Ochsen eingesetzt. In Kiribati hingegen gibt es keine nennenswerte Landwirtschaft. Dort ernähren sich die Menschen hauptsächlich von Reis, Dosenfleisch und frischen Fisch.

Der pensionierte Lehrer Eparama Kelo hat aus einer fidschianischen Zeitung erfahren, dass es Pläne für die Ansiedlung von 18.000 bis 20.000 Menschen aus Kiribati gebe. "Was sollen wir bloß tun, wenn sie alle anrücken?" (Ende/IPS/kb/2014)


Links:
http://www.ipsnews.net/2014/06/kiribati-president-purchases-worthless-resettlement-land-as-precaution-against-rising-sea/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2014