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RESSOURCEN/054: Auf dem Weg zu neuen Tiefen - Bergbauinteressen und Konflikte in Honduras (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014
REGulIEREN - ABER WIE?
Vom Sinn und Unsinn der (De-)Regulierung

Honduras auf dem Weg zu neuen Tiefen

Bergbauinteressen und Konflikte in Honduras



Bergbauprojekte werden in Honduras äußerst kritisch gesehen und verursachten bereits eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden. Dennoch versucht die aktuelle Regierung den Bergbausektor auszubauen, auch die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt dieses Vorhaben.


Der Abbau von Edelmetallen hat eine lange Geschichte in dem mittelamerikanischen Land Honduras und beeinflusste auf die eine oder andere Weise die Gesetzgebung und die Politik des Landes. So wurde unter anderem der Standort der Hauptstadt danach ausgerichtet. Dennoch verlor der Bergbau Anfang des 20. Jahrhunderts, unter anderem aufgrund der Ausrichtung auf den Bananenexport, an Einfluss und Größe.

Die verstärkte Nachfrage nach Rohstoffen und der damit verbundene Preisanstieg weckten in den vergangenen Jahren erneut das Interesse der extraktivistischen Industrie. Die Regierungen, die auf den zivil-militärischen Putsch 2009 folgten, begrüßen dies mit offenen Armen. Diese förderten in den letzten Jahren eine neoliberale Wirtschaftsausrichtung und den Ausverkauf der natürlichen Ressourcen des Landes. So wurde, trotz starker Kritik und Protesten von sozialen und Umweltorganisationen, eine Reihe von Gesetzen und Dekreten verabschiedet, um eine gesetzliche Basis für den Ausverkauf zu schaffen.

Eines der umstrittensten Gesetze ist das im Januar 2013 vom honduranischen Kongress verabschiedete neue Bergbaugesetz. 2006 hatte der oberste Gerichtshof 13 Artikel des Bergbaugesetzes von 1998 für verfassungswidrig erklärt. Zeitgleich wurde ein Moratorium für die Vergabe von neuen Bergbaulizenzen und den Tagebau mit Zyanideinsatz ausgesprochen. Dieses Moratorium wurde durch das neue Bergbaugesetz aufgehoben. Damit sind der äußerst umweltschädliche Tagebau und der Einsatz hochgiftiger Substanzen wieder erlaubt. Bei dieser Abbauform werden ganze Berge abgetragen, das Gestein wird zermahlen und mit Wasser und Chemikalien wie Zyanid oder Quecksilber gewaschen, um die Edelmetalle aus dem Gestein zu lösen.

Weitere Kritikpunkte an dem Gesetz sind die geringen Steuerabgaben, der unbegrenzte Zugang zu Wasserressourcen und das Fehlen von Sanktionen gegen Unternehmen, die Vorschriften und Gesetze missachten. Zudem enthält das Gesetz eine sogenannte Sicherheitssteuer von 2%, welche für den weiteren Ausbau und die Ausrüstung staatlicher Sicherheitskräfte verwendet werden soll. Dadurch haben Polizei und Militär direkte Interessen an den Minenaktivitäten und ein Motiv, um gegen Protestbewegungen aus der Bevölkerung vorzugehen.

Neue und alte Bergbaukonflikte

Durch die Verabschiedung des neuen Bergbaugesetzes befürchten BeobachterInnen zahlreiche neue Konflikte. In Honduras sind aktuell 530 Bergbauprojekte genehmigt und weitere 300 warten auf eine Freigabe. Diese Konzessionen umfassen zirka 20% des landesweiten Territoriums und wurden ohne die Zustimmung oder Information der betroffenen Bevölkerung vergeben.

In den letzten Jahren kam es in verschiedenen Regionen des Landes zu Auseinandersetzungen zwischen Bergbauunternehmen und der lokalen Bevölkerung. So zum Beispiel in dem Dorf Nueva Esperanza im Norden des Landes und in Azacualpa im Departement Copán. Der wohl bekannteste Bergbaukonflikt in Honduras dreht sich um die Mine San Martín im Siriatal. Dort baute die honduranische Gesellschaft Entre Mares, Tochtergesellschaft der kanadischen Goldcorp Inc., von 2000 bis 2007 Gold ab. Laut Angaben von UmweltschützerInnen wurden für den Goldabbau 50 Millionen Tonnen Gestein bewegt und 750 bis 1200 Liter Wasser pro Minute sowie eine Tonne Zyanid pro Monat verwendet. Die beteiligten Unternehmen, welche aus der Mine Gold im Wert von über 257 Millionen USDollar förderten, lobten die geringen Kosten, die der Abbau verursachte. Dies ging nicht zuletzt auf Kosten der Umwelt und der lokalen Bevölkerung. Das Siriatal gilt heute als hochgradig kontaminiert.

Die BewohnerInnen und das Umweltkomitee des Siriatals kämpfen seit Jahren für die Dekontamination der Umwelt und eine Entschädigung für verursachte Gesundheitsschäden. In Blutproben der Bevölkerung wurden hohe Konzentrationen von Blei, Arsen und Quecksilber festgestellt. Neben Hautkrankheiten beklagen AnwohnerInnen Nervenstörungen, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und Missbildung von Neugeborenen.

Sowohl in Nueva Esperanza als auch in Azacualpa und im Siriatal klagen die Betroffenen die Untätigkeit und Mittäterschaft der honduranischen Behörden an. Diese zeigten bisher wenig Dialogbereitschaft und Willen zu einvernehmlichen Lösungen von Konflikten. Stattdessen werden die Interessen von Unternehmen gegen den Willen der lokalen Bevölkerung immer wieder mit Repression und Gewalt durchgesetzt.

Auf die gravierenden Probleme, die der Bergbau in Honduras verursacht, verweist auch eine im Juni veröffentlichte Studie des Zentralamerikanischen Instituts für Finanzstudien ICEFI. Die Studie betont den konfliktiven Charakter des Bergbaus in Honduras, welcher gezeichnet ist durch a) Auseinandersetzungen zwischen Bergbauunternehmen und Dörfern; b) niedrige nationale und lokale Steuerabgaben; c) Umweltprobleme; d) Menschenrechtsverletzungen; e) einen schwachen Rechtsrahmen, welcher Bergbauunternehmen bevorzugt; f) schwache staatliche Institutionen zur Regulierung extraktivistischer Aktivitäten.(1)

So gerieten auch immer wieder Behörden wie das Sekretariat für natürliche Ressourcen (SERNA) und die Direktion zur Förderung des Bergbaus, welche 2013 durch das Institut für Geologie und Bergbau (INHGEOMIN) ersetzt wurde, in die Kritik. Mehrfach zeigten Organisationen und Betroffene das Verschleiern von Umwelt und Gesundheitsverträglichkeitsstudien durch diese Behörden an.

Fragwürdige Unterstützung aus Deutschland

Trotz des konfliktiven Charakters, welcher auch mit Blick auf die allgemeine gravierende Menschenrechtslage in Honduras gesehen werden muss, beteiligen sich auch die GIZ und deutsche Unternehmen an der Unterstützung des Bergbaus in Honduras.

So vermeldet INHGEOMIN auf ihrer Internetseite am 22. Mai 2014 die Unterzeichnung eines Vertrages mit den deutschen Unternehmen M&P Geonova und Geo-Expert. Laut INHGEOMIN zielen die Hauptmaßnahmen der Zusammenarbeit auf die Identifikation von Mineralvorkommen mit Fokus auf seltenen Erden und Edelmetalle. Durch die wissenschaftliche Forschung, die in ausgewählten Regionen von Honduras erfolgt, soll eine aktuelle Kartierung des nationalen Territoriums und der erforschten Mineralien erstellt werden.(2) Die Initiative wird von der GIZ gefördert.

Auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Linkspartei an die Bundesregierung bestreitet diese die Aussagen von INHGEOMIN: "Eine systematische Kartierung von Vorkommen Seltener Erden im Rahmen des Vorhabens wird nicht vorgenommen. Ziel des Projektes ist nachhaltige Entwicklung durch Transfer von Knowhow für die umweltfreundliche Erschließung von Edelmetallvorkommen. Zu diesem Zweck wird mit Universitäten zusammengearbeitet [...]."(3)

Die Informationen von INHGEOMIN und die Antworten der Bundesregierung widersprechen sich stark, was die Zielsetzung und Erwartungen des Projektes betreffen. Auch wenn die Bundesregierung erklärt, dass keine weiteren Bergbauprojekte in Folge der GIZ-Maßnahme bekannt sind und keine systematische Bergbaukartierung stattfinden wird, strebt INHGEOMIN nach eigenen Aussagen eindeutig ein anderes Ziel an. Auch wenn die GIZ nicht direkt an einer systematischen Kartierung beteiligt ist, fördert sie dieses Vorhaben indirekt und schafft durch den Wissenstransfer die Basis für eine Kartierung und damit möglicherweise für weitere Bergbauprojekte, bei denen eine Anwendung von "umweltfreundlichen" Abbaumethoden keineswegs garantiert werden kann.

In ihrer Vorbemerkung zu der kleinen Anfrage erkennt die Bundesregierung die kritische Menschenrechtslage und das Problem von schwachen staatlichen Institutionen in Honduras an. Konkrete Maßnahmen, um etwa die Rechte der lokalen Bevölkerung in Zusammenhang mit Bergbauprojekten zu schützen oder eine vorschriftsmäßige Arbeit staatlicher Institutionen wie SERNA und INHGEOMIN zu garantieren, nennt die Bundesregierung jedoch nicht.

Seit dem Putsch hat sich die soziale und politische Krise in Honduras dramatisch verschärft. Die Menschenrechtslage im Land ist gravierend und politische Morde und Repression sind zum Alltag geworden. Dennoch kämpfen AktivistInnen, Dörfer, indigene und soziale Organisationen weiterhin mit friedlichen Mitteln für ihre Rechte und Territorien und letztendlich um ihr Überleben. So erreichten die BewohnerInnen von Nueva Esperanza den Rückzug des Bergbauunternehmens Minerales Victoria und mehrere Landkreise haben sich nach Versammlungen zu bergbaufreien Landkreisen erklärt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Honduras bezweifeln allerdings viele Organisationen und Gemeinden, dass die Regierung den Entschluss der lokalen Bevölkerungen respektieren wird und stellen sich auf eine weitere Zunahme und Eskalation der Konflikte ein.


Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt.

Der Autor arbeitet in Mittelamerika mit indigenen Basisorganisationen und kommunitären Radiosendern.


Literatur

(1) http://icefi.org/ibis-e-icefi-presentan-eldiagnostico-de-la-situacion-minera-en-honduras-2007-2012/

(2) http://www.inhgeomin.gob.hn/index.php?option=com_content&view=article&id=227:acuerdo-alemania-honduras&catid=82&Itemid=562

(3) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/022/1802223.pdf


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014, Seite 31 - 32
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2014