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RESSOURCEN/002: Kanada - 'Gegen Teersand und für die Umwelt!', Proteste gegen Energiepolitik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. September 2011

Kanada: 'Gegen Teersand und für die Umwelt!' - Proteste gegen Energiepolitik

Von Stephen Leahy


Ottawa, 28. September (IPS) - In Kanadas beschaulicher Hauptstadt Ottawa zeigten Umweltaktivisten, Gewerkschafter und Vertreter der Ureinwohner der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsident Stephen Harper die Rote Karte. Zu Hunderten versammelten sie sich ungewohnt lautstark und Transparente schwingend vor dem Parlamentsgebäude, um gegen die klimaschädliche Teersandförderung im Nordwesten der Provinz Alberta und gegen die geplante, 3.100 Kilometer lange Pipeline 'Keystone XL' zu protestieren.

Damit folgten sie dem Beispiel US-amerikanischer Umweltschützer, deren wochenlanger Protest gegen Keystone XL in Washington im August weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Als sich in Ottawa etliche Aktivisten anschickten, über die niedrige Umzäunung des Regierungsrasens zu klettern, um zivilen Ungehorsam zu demonstrieren, nahm die Polizei 117 Personen fest, darunter Jugendliche und über 80-Jährige. Der für Naturressourcen zuständige Minister Joe Oliver beschimpfte seine ökologisch engagierten Landsleute als Extremisten.

"Die hierher gekommenen Menschen wissen, dass wir uns von der Teersanderschließung und der Nutzung der fossilen Brennstoffe verabschieden müssen, bevor es zu spät ist", sagte Peter McHugh, Sprecher von 'Greenpeace Canada'. Die Studentin Gabby Ackett betonte: "Teersand ist keine nachhaltige Energiequelle. Die Kanadier sind zur Abkehr von fossilen Brennstoffen bereit, doch das lehnt die Regierung ab."

Die kanadische Regierung sei ein Befehlsempfänger der Energieindustrie, erklärte Maude Barlow, Vorsitzende des 'Council of Canadians', einer bedeutenden Umweltorganisation. Von Kanadas Zusagen, im Rahmen des internationalen Kioto-Protokolls die CO2-Emissionen zu verringern, habe sie sich verabschiedet, stellte die Aktivistin fest. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern des 'Council of Canada', der 1985 seine Arbeit aufgenommen hatte. "Heute bin ich bereit, für meine Enkelkinder in den Knast zu gehen."


Ureinwohner kritisieren Verseuchung

Als Chief der Dene-Indianer berichtete Bill Erasmus, wie die riesigen, mit giftigen Rückständen aus der Teersandproduktion gefüllten, undichten Becken noch viele Hundert Kilometer stromabwärts die Gewässer verseuchen. "Kanada will auf unsere Kosten zur Nummer Eins der Ölproduzenten werden", klagte er.

"Auch wir leben stromabwärts des Athabasca und müssen zusehen, wie die Teersandförderung unsere Fische und Vögel vergiftet", erklärte George Poitras von den im Norden Albertas lebenden ethnischen Mikisew Cree.

Allein in diesem Jahr wird die Verbrennung der täglich in Kanadas Teersandfeldern geförderten 1,6 Millionen Fass Rohöl die Erdatmosphäre mit zusätzlich 346 Millionen Tonnen CO2 belasten. Ungeachtet der Folgeschäden für das Klima investiert die Ölindustrie Milliarden Dollar in geplante Pipelineprojekte wie Keystone XL, 'Northern Gateway' und 'Kinder Morgan'. Bis 2025 will die Erdölindustrie die Teersandförderung verdoppeln. Das geförderte Öl ist für den Export in die USA und in andere Länder bestimmt. Gleichzeitig führt Kanada zur Deckung des Eigenbedarfs jährlich über eine Million Fass Erdöl ein.


Ölförderung ohne Entwicklung

"Die Milliarden Dollar der Erdölindustrie fließen ins Ausland, doch in meiner Gemeinde gibt es immer noch keine Wasserleitung", berichtete Melina Laboucan Massimo von den in der Teersandregion lebenden Cree ihren Zuhörern.

"Unsere Arbeiter sind gegen den Bau von Keystone XL und anderen Ölleitungen", erklärte David Coles, der Sprecher der kanadischen Energie- und Papierarbeitergewerkschaft (CEP). "Mit dem in die USA fließenden Rohöl gehen uns tausende Jobs in der Erdöl verarbeitenden Industrie verloren."

Die CEP-Vertreterin Patty Barrera versicherte: "Wir sehen ein, dass die Ölgewinnung aus Teersand dem Klima und der Umwelt schadet und wünschen uns nichts mehr als einem Übergang zu grünen Jobs."

Das sei auch der Wunsch der Kanadier, meinten Demonstranten aller Altersgruppen. Viele beteiligten sich nach eigenen Angaben erstmals überhaupt an einem solchen Protest. "Ziviler Ungehorsam ist die einzige Möglichkeit, sich gegen die klimaschädigende Energiepolitik der Regierung zu stellen", erklärte eine ältere Dame, bevor sie über den Zaun kletterte.

Tatsächlich jedoch haben bei vorgezogenen Parlamentswahlen Anfang Mai mehr kanadische Wählerinnen und Wähler als je zuvor den seit 2006 regierenden Konservativen den Rücken gestärkt und Ministerpräsident Stephen Harper erstmals zu einer Mehrheitsregierung verholfen. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.tarsandsaction.org/
http://www.canadians.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56812
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105265

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2011