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PROTEST/122: Aufruf an UN - Shoot-on-Sight in Nationalparks verurteilen (Survival)


"Survival International" - Deutsche Sektion - 30. März 2017

Aufruf an UN: Töten für den Naturschutz muss verurteilt werden


Survival International hat die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche und willkürliche Hinrichtungen dazu aufgerufen, die berüchtigte Praxis von Shoot-on-Sight (Schießen bei Sichtkontakt) in Nationalparks zu verurteilen.

In einem Brief an die Sonderberichterstatterin kritisiert Survival, dass "die Praxis des Schießens bei Sichtkontakt direkt indigene Menschen betrifft, die in oder in unmittelbarer Nähe von 'geschützten Gebieten' leben (...) insbesondere, weil Parkwächter*innen häufig nicht zwischen Subsistenz-Jagenden und kommerziellen Wilderern unterscheiden."

"Niemand weiß, wann es Parkwächter*innen erlaubt ist, tödliche Gewalt gegen [verdächtigte Wilderer] einzusetzen, und es ist für Angehörige von Opfern unmöglich Parkwächter*innen zur Rechenschaft zu ziehen, von denen sie glauben, dass sie ohne guten Grund getötet haben. Einige Länder sind noch einen Schritt weitergegangen und gestehen Parkwächter*innen Immunität vor Strafverfolgung zu", heißt es weiter.

Der Brief nennt den Kaziranga-Nationalpark als ein besonders extremes Beispiel dieser Vorgehensweise. Einem kürzlich erschienenen BBC-Bericht zufolge wurden dort in den letzten 20 Jahren schätzungsweise 106 Menschen außergerichtlich getötet, darunter ein indigener Mann mit Behinderung, der in den Park gegangen war, um ein entlaufenes Vieh einzufangen.

Die Parkwächter*innen in Kaziranga genießen faktisch Immunität vor Strafverfolgung. Gegenüber der BBC erklärte ein Parkwächter, dass sie angewiesen sind, bei Sichtkontakt auf verdächtige Personen zu schießen. Dies hat ernsthafte Konsequenzen für indigene Gemeinden, die in der Nähe des Parks leben. Im Juni 2016 wurde ein damals 7-jähriger Junge von Wächtern angeschossen und auf Lebenszeit verstümmelt.

Ähnliche Praktiken werden auch in anderen Teilen der Welt angewandt, vor allem in Kenia, Tansania und Botswana, neben anderen afrikanischen Ländern.

Rory Young, Experte für Wilderei und Mitbegründer der Anti-Wilderei-Organisation Chengeta Wildlife erklärte mit Blick auf seine Arbeit in Afrika: "Shoot-on-Sight macht keinen Sinn. Wenn wir bei unserer letzten Sting-Operation damit gearbeitet hätten, hätten wir eine Handvoll Wilderer erschossen und das wäre das Ende vom Lied gewesen. Jeder einzelne Wilderer ist aber eine Quelle für Informationen, um weitere Wilderer zu bekommen und sich bis zu den Drahtziehern hochzuarbeiten."

Survival International hat die UN-Sonderberichterstatterin gebeten klarzustellen, dass das Schießen bei Sichtkontakt Grundrechte verletzt, die in dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in weiteren internationalen Konventionen verankert sind. Außerdem drängt Survival die UN, sich bei der indischen Regierung und der Regierung der Region Assam, in der Kaziranga liegt, über die Vorgehensweise zu erkundigen.

Die Praxis des Schießens bei Sichtkontakt wird damit gerechtfertigt, dass sie helfe, Wilderer abzuschrecken. Allerdings gibt es einige aktuelle Fälle, in denen Parkwächter und Offizielle in Kaziranga selber wegen ihrer Verwicklung in illegale Wilderei verhaftet wurden.

Survival International führt den Kampf gegen diese Rechtsverletzungen an, und fordert ein neues Naturschutz-Modell, das indigene Völker respektiert. Indigene ins Visier zu nehmen lenkt die Aufmerksamkeit von den wahren Wilderern ab - Kriminelle, die mit korrupten Offiziellen unter einer Decke stecken. Indigene Völker zur Zielscheibe zu machen, schadet dem Naturschutz.

Der Direktor von Survival, Stephen Corry, sagte: "Wenn irgendeine andere Industrie solch schwere Menschenrechtsverletzungen beginge, gäbe es einen internationalen Aufschrei. Warum diese Stille, wenn Naturschützer*innen beteiligt sind? Folter und außergerichtliche Hinrichtungen sind niemals gerechtfertigt - das macht internationales Recht klar. Manche Menschen denken, dass der Tod von Unschuldigen gerechtfertigt sei, dass 'Kollateralschäden' im Kampf gegen Wilderei nötig sind. Wir fragen sie, wo ist eure Menschlichkeit? Natürlich spielt Rassismus hier eine Rolle: Bei Sichtkontakt zu Schießen wäre in Schutzgebieten in Nordamerika oder Europa undenkbar."


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Dutzende Personen wurden von Parkwächtern in Kaziranga erschossen, darunter der behinderte Mann Gaonbura Killing. (BBC)
  • Akash Orang wird von seiner Mutter getröstet, nachdem Parkwächter ihn angeschossen haben. Er kann heute kaum noch laufen. (BBC)


Survival International ist die globale Bewegung für die Rechte indigener Völker. Wir helfen indigenen Völkern ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft selbst zu bestimmen.
Seit 1969, Büros in London, Berlin, Madrid, Mailand, Paris, San Francisco. Unterstützer*innen in über 100 Ländern

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Quelle:
Pressemitteilung vom 30.03.2017
Survival Deutschland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2017

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